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Kaffefilter angelegt an die EU-Fahne mit IS-Logos statt STernen

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Erich Moechel

EU-Gipfel berät am Mittwoch über Anti-Terror-Filter

Behördliche Löschanordnungen müssen von Anbietern binnen einer Stunde umgesetzt werden.Unter den „proaktiven Maßnahmen“ stehen „Instrumente zur automatischen Erkennung“ an erster Stelle.

Von Erich Moechel

Die Copyright-Novelle ist nach der Abstimmung im EU-Parlament samt implizierter Filterpflicht für alle hochgeladenen Inhalte nun im sogenannten Trilog angelangt. Dieses Verfahren hinter verschlossenen Türen wird bei besonders umstrittenen Gesetzesentwürfen eingesetzt. Wie die Detailergebnisse der Abstimmung am Mittwoch zeigen, sind alle sieben Fraktionen vor allem in der Filterfrage auch weiterhin gespalten.

Mit der der neuen Verordnung zur „Bekämpfung terroristischer Inhalte im Web“, die von der EU-Kommission am selben Tag präsentiert wurde, kündigen sich schon neue Filtervorgaben an. Unter den „proaktiven Maßnahmen“ wird nämlich „die Einführung von Instrumenten zur automatischen Erkennung“ als oberste Option angeführt. Betroffen sind alle Services, die Kommentare oder Uploads der Benutzer zulassen. Dieser Entwurf wird auf dem EU-Gipfel ab Mittwoch in Salzburg diskutiert.

Proposal-Cover

Europäische Kommission

Der Kommissionsentwurf im Volltext

Aktuell dazu in ORF.at

Im Text wird zwar der Begriff „Upload-Filter“ nicht verwendet, die Vorgaben sind aber so, dass sie nur durch flächendeckenden Einsatz von Filtern zu erfüllen sind.

„Lex IS-Video“, Bedrohungslage 2015

Veröffentlicht wurde die neue Verordung nur wenige Tage, nachdem die Übergangsfrist zur nationalen Umsetzung der „Richtlinie zur Bekämpfung des Terrorismus“ vom Februar 2017 ausgelaufen war. Die wurde von der Kommission bereits im Jahr 2015 nach den Terroranschlägen in Paris auf den Weg gebracht. Die aktuelle Verordnung schreibt eine Reihe von Auflagen vor, die Inhaltsanbieter erfüllen müssen. Sie müssen Uploads von Audios, Videos, Bildern oder Texten löschen, die zu „terroristischen Straftaten aufrufen bzw. diese gutheißen“, oder für die „Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung werben“, sobald sie von den Behörden dazu aufgefordert werden.

Das war zwar bis jetzt schon so, neu ist jedoch die Frist von nur einer Stunde, in der solche Inhalte von den Anbietern gefunden, überprüft und gelöscht werden müssen. Der Kommissionsentwurf nennt dafür als Grund, dass gerade „terroristische Inhalte“ in der ersten Stunde ihrer Verbreitung die größten Reichweiten erzielten. Die gesamte Regelung ist also eine „Lex IS-Video“ und auf die Bedrohungslage von 2015 zugeschnitten, als derartiges Videomaterial im Netz massenhaft viral verbreitet wurde.

Was funktioniert und was nicht

Bei Videos, die ohne Bearbeitung eins zu eins und massiv verbreitet werden, funktionieren Ansätze wie etwa Content-ID von Google. Jedes Video wird mit einer Kennung - einem „digitalen Wasserzeichen“ - versehen, damit lässt sich die weitere Verbreitung von solchen „illegalen Inhalten“ relativ zuverlässig unterbinden. Allerdings nur dann, wenn diese Videos nicht nachträglich bearbeitet wurden. Bei Bildern, Texten oder den typischen Wort-Bild-Kombinationen der allgegenwärtigen Memes funktionieren solche Methoden hingegen kaum bis gar nicht.

Entfernungsanordnung

Europäische Kommission

Auszug aus dem Factsheet der Kommission

Binnen einer Stunde müssen zukünftig aber sämtliche Anbieter - Ausnahmen etwa für Blogs sind explizit ausgeschlossen - einmal gemeldete Kommentare oder Uploads der Benutzer beurteilen. Seitens der Kommission heißt es dazu, dass „Hosting-Dienste Faktoren wie Art und Wortlaut der Aussagen, den Kontext, in dem die Aussagen getroffen wurden (einschließlich der Frage, ob sie für Bildungs-, Presse- oder Forschungszwecke verbreitet werden), und das Gefährdungspotenzial berücksichtigen“ müssten. Und weiter: „Beispielsweise sollte die Formulierung radikaler, polemischer oder kontroverser Ansichten zu sensiblen politischen Fragen in der öffentlichen Debatte nicht als terroristischer Inhalt betrachtet werden.“

Fristen und Definitionen

Im Februar 2017 hatte die nationale Umsetzung der Richtlinie gegen Terror begonnen. Die Regelung ist so breit gefasst, dass Regierungen eingeladen werden, noch breitere nationale Gesetze zu erlassen.

Wie das binnen einer Stunde geschehen soll, lässt der Kommissionsentwurf freilich unerwähnt. Analysen von Kontext, Sprecherhaltung und Erzählperspektive im Kontrast zu „Art und Wortlaut der Aussagen“ gehören zu den komplexeren Aufgabenstellungen für akademische Arbeiten etwa im sprach- und literaturwissenschaftlichen Bereich. Der Komplexität einer solchen Beurteilung kommt der´ Kommissionsentwurf insofern nach, indem umfangreiche Beschwerdemöglichkeiten enthalten sind.

Es ist also davon auszugehen, dass diese Verordnung ein erhebliches Hin und Her rund um die vorgegebene Löschungsfrist verursachen dürfte. Das Factsheet der Kommission betont mehrfach, dass sie „voll und ganz mit der Definition terroristischer Straftaten in der bestehenden Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung im Einklang“ stehe. Genau das ist aber der Hauptangriffspunkt aller Kritiker der Regelung, nämlich die Definition von Terrorismus. Die ist nämlich so breit gefasst, dass nationalpopulistische Regierungen in der EU geradezu eingeladen werden, noch breitere Regelungen zu erlassen.

Grafik der Abstimmungsergebnisse

MEP Julia Reda

Das Abstimmunsverhalten im EU-Parlament über die Absätze zu Filtern zeigt die grundsätzlichen Bedenken gegen den Einsatz eines solchen Instruments. Sozialdemokraten, Rechtskonservative und die Rechtsaußen-Fraktion ENF, zu der die FPÖ gehört, sind mittendurch gespalten. Die Grafik stammt von der Ageordneten Julia Reda (Grüne/Piratenpartei), die als eine der ganz wenigen MEPs selbst über solide Technikkenntnisse verfügt.

Gummiparagraphen, Filter, Copyright

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. können über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte jedenfalls irgendeine Kontaktmöglichkeit angeben.

Solche „Gummiparagrafen“ könnten dann auch gegen Oppositionelle und Medien eingesetzt werden. Ebenso ist die Schwelle zur Beurteilung, ob es sich um ein „Terrorismusdelikt“ handelt, denkbar niedrig angesetzt, eine Definition von Terrorismus fehlt überhaupt. Ermittlungen wegen Terrorismus werden vielmehr an den angenommenen Absichten eines Verdächtigen aufgehängt. Schon der bloße Besuch auf „Terror-Websites“ kann so als Straftat gewertet werden, als solche gilt auch „Glorifizierung von Terrorismus“ in der Absicht, „die Bevölkerung einzuschüchtern“, oder eine „Regierung zu nötigen“.

Was die Copyright-Filter angeht, so wird nun in kleinem Kreis von Kommission, Ministerrat und ausgewählten Abgeordneten hinter verschlossenen Türen um die Endversion verhandelt. Darüber muss im Anschluss noch einmal im Parlamentsplenum abgestimmt werden. Es ist davon auszugehen, dass dies noch vor Weihnachten geschieht.

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