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Shadow of the Tomb Raider

Square Enix

Dschungelkrieg und Tempelraub

In „Shadow of the Tomb Raider“ kehrt Games-Ikone Lara Croft zurück.

Von Rainer Sigl

Pferdeschwanz, kurze Shorts, zwei Pistolen in den Fäusten und eine absurde Oberweite: Mit diesen Attributen ließ sich eine der berühmtesten Ikonen der Videospielgeschichte lange Zeit ausreichend beschreiben. Die abenteuerlustige Archäologin Lara Croft durfte man seit ihrem Debüt im Jahr 1996 durch ein Dutzend Videospiele steuern, aber auch in anderen Medien war der Superstar zu sehen: Im Kino gab Angelina Jolie zweimal die schießwütige Britin, und heuer war schon Alicia Vikander in der Neuauflage als Lara auf der großen Leinwand zu sehen. Dass Lara Croft in den zwei Dekaden ihrer virtuellen Existenz über 1.000 Zeitschriftencover zieren durfte (!), macht sie zum größten weiblichen Videogamestar aller Zeiten.

Mit “Shadow of the Tomb Raider” meldet sich die Blockbuster-Franchise mit dem abschließenden Teil der inzwischen vierten Serie von „Tomb Raider“-Trilogien zurück, und wie schon in den letzten beiden Teilen ist Lara hier keine vollbusige Action-Abziehfigur, sondern eine zumindest physisch eher realistisch angelegte junge Frau mit ganz normalen Maßen und einem Riesenappetit aufs Abenteuer.

Rambos kleine Schwester

Diesmal gilt es in Südamerika eine Maya-Apokalypse zu verhindern, doch die eher wirre Story ist ebenso nebensächlich wie die Versuche, einer Action-Ikone wie Lara Croft ein psychologisch irgendwie plausibles Innenleben zu verpassen. Eigentlich war es ja die Ansage der Entwickler gewesen, mit den letzten erschienenen Teilen der Reihe die Entwicklung Laras vom unschuldigen Mädchen zur legendären Abenteurerin nachzuzeichnen, doch das zumindest ist misslungen.

Stattdessen fragt man sich nervös, wieso die junge Lara auf ihren Grabrauben in jungen Jahren derartige Leichenberge hinterlässt - während in den ausführlichen Cutscenes das Bild einer zweifelnden, bemüht menschlichen Figur mit Schwächen und Traumata gezeichnet wird. Auch auf die Gefahr hin, hier einen Euro ins Game-Studies-Phrasenschwein werfen zu müssen: Exakt das ist ein Paradebeispiel für ludonarrative Dissonanz.

Der blutige Kampf mit menschlichen Gegnern ist wohl ebenso dem Abhaken der Blockbuster-Checkliste geschuldet wie viele andere Elemente von “Shadow of the Tomb Raider”: Eine mehr oder weniger offene Spielwelt, viele Unlocks und endlose Gelegenheit zum Sammeln und Craften braucht heute wohl jeder potenzielle Bestseller.

Shadow of the Tomb Raider

Square Enix

Grabraub für Fortgeschrittene

Abseits des blutigen Guerrilla-Kampfs aus dem Hinterhalt stehen wie immer exotische Locations, herausfordernde Kletterpartien und Rätsel im Zentrum. Das spielerisch absolut gelungene Herz jedes “Tomb Raider”-Titels ist zum Glück intakt: Schönere und vertracktere Grabstätten zum Ausrauben hat man selten gesehen - besonders die optionalen „Challenge Tombs“ lassen das Herz jedes gern an kniffligen antiken Mechanismen tüftelnden Entdeckers höher schlagen. Die Story von der weißen Retterin, die einem Volk von edlen Wilden als Heilsbringerin zur Hand geht, riecht hingegen schon etwas gar nach Vorgestern.

Erschienen ist “Shadow of the Tomb Raider” für Windows, PS4 und Xbox One.

Spielerisch und in Sachen Präsentation ist auch diese Expedition gewohnt unterhaltsam geraten - wer sich allerdings eine intelligente Weiterentwicklung einer ikonischen Videospielheldin, hintergründige Handlung oder auch nur etwas Neues erwartet hat, bleibt leider etwas enttäuscht zurück.

Die „alte“ Lara, diese selbstbewusste, ironisch toughe Superfrau mit den aburden Körbchengrößen, mag zwar eine Cartoonfigur gewesen sein - doch die Bürde, sich und ihr Handeln „realistisch“ zu erklären, musste sie zumindest nicht stemmen. Kein Spoiler: Diese Bürde ist auch für die „neue“ Lara zu schwer.

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