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Dieser Planet will uns nicht mehr

Die afroamerikanische Science-Fiction-Autorin N.K. Jemisin entwirft in „Zerrissene Erde“ eine packende Apokalypse mit Gegenwartsbezug. Stark, schwarz, weiblich.

Von Rainer Sigl

Nora K. Jemisin ist mit ihrer „Broken Earth“-Trilogie etwas Außergewöhnliches gelungen. Die afroamerikanische Science-Fiction-Autorin hat als erste schwarze Autorin überhaupt den renommierten Hugo Award gewonnen, der jährlich für den besten Science-Fiction-Roman vergeben wird - und das nicht ein Mal, sondern drei Mal hintereinander.

Jeder einzelne Band ihrer Romantrilogie „The Broken Earth“ wurde mit einem Hugo für die „Best Novel“ ausgezeichnet - eine Sensation in der traditionell weiß und männlich dominierten SF-Autorenschaft. Vor Kurzem ist der erste Band der so ausgezeichneten Trilogie endlich auch auf Deutsch erschienen.

NK Jemisin

NK Jemisin

N.K. Jemisin

Apokalypsen, innen und außen

Die Grenzen zwischen Fantasy und Science-Fiction sind seit jeher fließend, so auch in Nora K. Jemisins apokalyptischer Welt, irgendwo in ferner Zukunft. Die wird seit Jahrtausenden von Katastrophen heimgesucht. Erdbeben, Vulkanausbrüche und andere tödliche Erschütterungen führen regelmäßig fast zur Auslöschung der verbliebenen Menschheit. Fast könnte man meinen, der Planet wehre sich gegen das, was ihm die Menschen irgendwann in der Vergangenheit angetan haben.

Am Beginn von “Zerrissene Erde” steht dennoch eine ganz persönliche Katastrophe.

„Es gibt da etwas, über das sie später wieder und wieder nachdenken wird, wenn sie sich vorstellt, wie ihr Sohn gestorben ist. Wenn sie versucht, Sinn in etwas zu finden, das von Natur aus sinnlos ist. Sie wird eine Decke über Uches zerstörten kleinen Körper ausbreiten - nicht über seinem Gesicht, denn er hat Angst im Dunkeln - und betäubt neben ihm sitzen, ohne sich darum zu scheren, dass draußen die Welt untergeht. Die Welt in ihr ist bereits untergegangen, und weder das eine noch das andere geschieht zum ersten Mal.“

Der eigene Vater hat dieses Kind getötet, und seine Mutter macht sich auf, um Rache zu nehmen.

Ihre ganz besondere Fähigkeit, die Bewegungen der unruhigen Erde zu spüren und zu kontrollieren, macht sie und ihre Kinder zu gefürchteten Außenseitern. Diese abschätzig Roggas genannten Mutanten werden verfolgt, unter strenger Aufsicht ausgebildet und gezielt gezüchtet - kein Wunder, dass die Unterdrückten immer wieder den Aufstand proben. Der Weg des Romans führt aber nicht nur durch die apokalyptische Welt von “Zerrissene Erde”, sondern auch in die Vergangenheit.

Zerrissene Erde, N.K. Jemisin

Droemer Knaur

N.K. Jemisin: „Zerrissene Erde“, übersetzt aus dem Amerikanischen von Susanne Gerold. Verlag Droemer-Knaur.

Ein dunkler Spiegel

Die Zukunftsvision von “Zerrissene Erde” ist düster und exotisch, doch die Themen sind vertraut: Es geht um die brutale Unterdrückung von Minderheiten, die ebenso gefürchtet wie verhasst sind; den oft aussichtslosen Kampf gegen Marginalisierung und eine Gesellschaft, die im Angesicht der Apokalypse ihre Menschlichkeit ablegt.

Science-Fiction sagt bekanntlich wenig über die Zukunft aus, dafür aber umso mehr über die Zeit, in der sie entsteht. Die studierte Psychologin Jemisin legt so gesehen mit ihren oft düsteren Büchern entsprechende Spiegel einer ungewissen Gegenwart, in der Rassismus, Unterdrückung und stets drohende Katastrophen alltäglich sind, vor.

Die renommierten Preise hat sich Nora Jemisin mit diesem Werk redlich verdient - und es ist kein Wunder, dass auch eine TV-Serie zur Trilogie schon in Entwicklung ist. “Zerrissene Erde” ist ein packendes Abenteuer mit Tiefgang, das seine komplexen Figuren ohne Klischees zeichnet und mit vielen Wendungen überraschen kann. Ein Lesetipp nicht nur für Science-Fiction-Freunde.

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