„Feministin sagt man nicht“
Von Lisa Schneider
„Feministin sagt man nicht“ nennt Hanna Herbst ihr erstes Buch, eine Mischung aus Sachbuch und persönlichem Statement. Wie dieses große Thema Feminismus angehen? Es ist wohl ähnlich schwer, wie eine Abhandlung über Begriffe wie die Postmoderne oder den Kapitalismus zu schreiben. Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, will man nicht einmal mehr alle feministische Literatur der letzten 150 Jahre aufarbeiten und querzitieren: den persönlichen Zugang der Autorin, den auch Hanna Herbst gewählt hat.
FM4 Auf Laut mit Hanna Herbst
FM4 Auf Laut, 2.10., ab 21 Uhr
„Feministin sagt man doch“
Die Journalistin Hanna Herbst ist zu Gast bei Claus Pirschner in FM4 Auf Laut. Sie sprechen über ihr aktuelle Publikation und die gesellschaftliche Bedeutung von Feminismus.
Anrufen und mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996.
Die Sendung gibt es im Anschluss auch für sieben Tage in FM4 Player, in der FM4 App und als Podcast.
Reflexionen über die eigene Vergangenheit
Sie setzt zuerst zuhause in Mainz an, dem Ort, an dem sie ihre ersten Lebensjahre verbracht hat. Sie erzählt von ihrer alleinerziehenden Mutter, von ihrem Bruder, der darauf gepfiffen hat, was andere von ihm denken. Von ihrem Vater, einem unterstützenden, liebevollen Büchernarren, der nach wie vor die besten Literaturtipps und andere Lebensratschläge liefert. Vielmehr noch aber erzählt sie über die Kämpfe, wie sie jede Heranwachsende kennt, den ersten Freund, den Versuch, zu gefallen, den emotionalen Rückzug, der auf die oft erlebte Ablehnung folgt. Bis dahin ein „normales“ Teenagerleben, das die Autorin unter feministischen Gesichtspunkten erst später reflektiert betrachten kann. Dem Freund gefallen müssen, weil frau es so gelernt hat; nicht unnötig konkurrieren, die richtigen Tagescremes verwenden, nicht zu laut sein.
Zur Autorin
Hanna Herbst, wurde 1990 in Mainz geboren, lebt mittlerweile in Wien. Die Journalistin war stellvertretende Chefredakteurin von VICE Österreich. Sie hat gemeinsam mit acht Kollegen und Kolleginnen die Redaktion im heurigen August verlassen, wegen Uneinigkeit mit den neuen Eigentümern und deren Wunsch, mehr Content für den gesamten deutschsprachigen Raum, nicht nur für Österreich zu produzieren.
Sie ist eine der Initiatorinnen des Frauenvolksbegehren 2018. Im Moment ist sie Co-Chefredakteurin des Magazins Liga der Österreichischen Liga für Menschenrechte. Sie schreibt und kommentiert online und offline zu Feminismus, Rechtsextremismus und über das Leben.
Wer den österreichischen Journalismus verfolgt, kommt an Hanna Herbst nicht vorbei. Vor allem in den Bereichen Rechtsextremismus und Feminismus hat sie sich einen Namen gemacht. Vergangenes Jahr hat sie sich auf eine Diskussion mit Nina Proll eingelassen, die im Rahmen der #meetoo-Debatte dieselbe als gar zu aufgebauscht deklariert hat und was ebendiese Diskussion in Österreich (leider nicht) ausgelöst hat. Sie hat auf Twitter unter anderem darüber geschrieben, wie sexuelle Belästigung in der Wiener U-Bahn funktioniert.
Würd gern mal die Reaktionen von den Männern sehen, die immer wieder sexuelle Belästigung kleinreden, wenn ihnen jemand in der vollen U-Bahn den steifen Penis gegen die Hüfte drückt.
— Hanna Herbst (@HHumorlos) 20. April 2018
Googelt man „Hanna Herbst“, findet man Einträge auf schaurigen Seiten, am rechten Rand angesiedelt, die sie als „männer- und österreichhassende Frau“ oder als „hübsche Hass-Hanna“ bezeichnen.
Nicht nur Frauensache
Hanna Herbst lässt sich nicht unterkriegen. Sie schreibt weiter, und zwar respektvoll. Die Machtstrukturen einfach nur umzudrehen, den Ton zu imitieren, würde nicht zum richtigen Ergebnis führen.
„Männliche Herrschaft zu einer weiblichen Herrschaft machen zu wollen, ist nichts als die Aufrechterhaltung dessen, was jetzt schon beschissen ist.“
Denn Feindbilder können - je nach gesellschaftlicher Gruppierung - unterschiedliche Gesichter haben. Das Problem bleibt dasselbe:
„Gefährlich wird es dann, wenn das, was die Eigengruppe zusammenhält - oder zusammenhalten soll - Antipathie gegenüber Gruppen ist, von denen man sich, bewusst oder unbewusst, versucht, durch gelehrte und angelernte Muster abzugrenzen. Hass auf Minderheiten etwa, Hass auf ‚die Ausländer‘, ‚die Feministinnen‘, aber auch Hass auf ‚den weißen heterosexuellen Mann‘.“
Konkurrenzdenken, Pornos, Online-Belästigung
In „Feministin sagt man nicht“ werden die wichtigsten feministischen Themen und Forderungen angesprochen. Etwa, wie Konkurrenzdenken jungen Buben schon von klein auf als etwas Wertvolles beigebracht wird; wie es bei jungen Mädchen, und mehr noch später bei erwachsenen Frauen, als karrieregeil und nicht gesellschaftsfähig abgetan wird.
Hanna Herbst schreibt darüber, wie die Pornoindustrie gängige, patriarchale Strukturen nach wie vor umsetzt. Sie schreibt darüber, wie vor allem auch das Internet eine weitere, ausufernde Möglichkeit (vor allem) für Männer bietet, Frauen sexuell zu belästigen.
Es liest sich unglaublich, welche Hassbotschaften, welche Mord- und Vergewaltigungsdrohungen Hanna Herbst selbst schon zugeschickt bekommen hat. Wie die Polizei mehr als einmal dagegen nichts unternimmt (oder, nach Eigenaussage, nichts unternehmen kann). Wie Facebook und Twitter nichts unternehmen - auch nach mehrmaligem Hinweisen nicht.
Sie geht natürlich auch auf Sigi Maurers Fall ein. Dass die meisten dieser Nachrichten, die online in Hanna Herbsts Postfach eintrudeln, von Männern kommen, ist so schade wie selbstredend. Sie wird da nicht als Journalistin, die ihren Job macht, betrachtet, sondern objektifiziert als eine verklemmte, höchstwahrscheinlich prüde junge Frau, die sich einfach gegen alle Männer wehrt. „Der man es wahrscheinlich einfach einmal so richtig besorgen sollte“, um im Jargon zu bleiben.
Hanna Herbst sieht sich aber nicht in der Opferrolle. Auch das ist ein Kernpunkt ihres Buchs. Gewalt gegen Frauen ist kein Frauenproblem. Es ist ein gesellschaftliches Problem.
„Ähnlich ist es, wenn etwa Diskriminierung gegen Frauen, sexuelle Belästigung gegen Frauen oder Gewalt gegen Frauen so bezeichnet werden. Wenn wir davon sprechen, wie viele Frauen schon von psychischer oder physischer und psychischer Gewalt betroffen waren oder immer noch sind und nicht davon, wie viele Männer schon einmal Gewalt ausgeübt haben.“
Feministin sagt man doch
„Feministin sagt man nicht“ ist kein Sachbuch, auch wenn es eine beschauliche Literaturliste - und auch im Text renommierte wie aktuelle Zitate zum Thema - anführt. Es ist ein Buch, das jede junge Frau wird nachvollziehen können. Genauso wie die Frage danach, wieso man 2018 die Gleichstellung von Mann und Frau noch immer diskutieren muss.
Lesungen und Buchdiskussionen mit Hanna Herbst
- 11. Oktober, Thalia Landstraßer Hauptstraße, Wien.
- 16. Oktober, Buchhandlung Kierle, Salzburg.
- 18. Oktober gemeinsam mit Marie Luise Lehner, Stifterhaus Linz.
Es lässt außerdem verstehen, dass es wichtig ist - auch, wenn es Rückschläge und oft sogar gar keine sichtbaren Fortschritte gibt - für eine Sache fortlaufend einzustehen. Sich für eine Veränderung in der Gesellschaft einzusetzen.
„Gemeinsam“ lautet einmal mehr das Codewort, und Hanna Herbst zitiert hier sehr passend Österreichs erste Frauenministerin Johanna Dohnal: „Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht ‚eine weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft.“
FM4 Auf Laut, 2.10., ab 21 Uhr
„Feministin sagt man doch“
Die Journalistin Hanna Herbst ist zu Gast bei Claus Pirschner in FM4 Auf Laut. Sie sprechen über ihr aktuelle Publikation und die gesellschaftliche Bedeutung von Feminismus.
Anrufen und mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996.
Die Sendung gibt es im Anschluss auch für sieben Tage in FM4 Player, in der FM4 App und als Podcast.
Publiziert am 01.10.2018