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LILA; Lisi Lang, Modedesignerin beim Arbeiten mit dem Schnittzeichner usw

Ina Aydogan

auf laut

„Trends sind mir wurscht“

Die Selfmade-Designerin hat Mode machen nie gelernt und wurde schon als „linke Ratte“ für ihre politischen Statements beschimpft. Aber das ist ihr genauso egal wie Trends.

Von Gersin Livia Paya

Ich habe die 36-jährige Modemacherin Lisi Lang nicht darauf angesprochen, aber als ich ihren neuen Laden im siebten Bezirk in Wien betreten habe, spielte sie laut Jazz von John Coltrane, aber nicht die ruhigen Songs. Und dann habe ich darüber nachgedacht, was es da für einen Zusammenhang geben könnte.

Über John Coltrane wird erzählt, dass er sehr messy spielte, nur war er dabei so einzigartig, dass er zu seiner Zeit und auch heute noch alle damit beeindruckt hat. Die Modemacherin Lisi Lang ist auch messy, in einem bestimmten Sinn zumindest: Sie hat keine modische Ausbildung genossen und ihre Schnittzeichnerinnen mussten ein eigenes „lila“-Schnittsystem entwickeln und erlernen, um ihre Entwürfe überhaupt umsetzen zu können: „Ich habe versucht, so zu nähen, wie es aus mir rauskommt. Meine Schnittzeichnerinnen waren verzweifelt und die Näherinnen und Näher haben lauthals gelacht.“

LILA: Lisi Lang Modedesignerin beim Arbeiten, im Porträt

Ina Aydogan

Das Lila-Schnittsystem hat sich durchgesetzt. Mittlerweile begeistern ihre Kleider viele Menschen. Einige von ihnen stehen gerade in einem ihrer Shops, plaudern, probieren, kaufen und werden mir prompt von Lisi Lang persönlich vorgestellt. Und so ist lila auch: Sie verbindet verschiedene Communities und bricht, so sagt sie, „menschliche Berührungsängste“ auf. „Bei Modeschauen lade ich verschiedenste Menschen auf den Laufsteg ein und wir treten gemeinsam gegen dieses Klischeebild von einem Model auf.“

lila 2016 @ MQVIENNAFASHIONWEEK from lilafashiondesign on Vimeo.

Die Models, mit denen Lisi Lang arbeitet, sind Frauen, die sie „persönlich schön findet“, meistens keine Beruf-Models, sondern Menschen aus ihrem Bekannten und Freundeskreis: „Es ist total wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen, nicht nur in der Mode.“ Die Selfmade-Designerin wurde schon, wie sie erzählt, als „linke Ratte“ für ihre politischen Statements beschimpft, aber das ist ihr genauso egal wie „Trends“.

Sie macht ihre Mode wie sie es will, nutzt ihre Modeschauen auch weiterhin als öffentliche Fläche für politischen Botschaften, wie beispielsweise den T-Shirt-Print „Not my Government“, mit dem sie einige ihrer Models auf den Laufsteg schickte.

Die Macht von Mode und Image ist vielen ModedesignerInnen bewusst, sie tragen nicht nur Kleidung, sondern auch Verantwortung. „Ich lebe in meiner Bubble, aber wenn man rausgeht, dann sieht man, wie wichtig Arbeit mit Jugendlichen ist, und das kann man schon auch mit Mode machen.“

Wie sehr glauben wir an das Versprechen der Mode? Was ist uns Markenkleidung wert? Wie funktioniert das Spiel der Modeindustrie mit unserer Lust, unserer Gier und unseren Ängsten? Und was steckt hinter dem Trend?
Claudia Unterweger spricht in FM4 Auf Laut mit dem freien Kreativen und Stylisten Sammy Zayed und der Solebox Sneaker-Shop Leiterin Kardelen alias „Kettie“ über die Jagd nach einem Image, Markenhypes, Modetrends und das Versprechen der Mode. Ihr könnt heute ab 21.00 Uhr unter 0800226996 anrufen und mitdiskutieren!

In einer Epoche voll gehypten Marken, Social Media, Streetwear-Trends, der fortwährenden Ausbeutung, immer noch Dumping-Löhnen, frage ich mich, was eine Modemacherin wie Lisi Lang von ihrer Branche hält. „Die Modebranche ist schwierig, weil sie schnelllebig und billig ist. Weil ständig viele Trends gesetzt werden, kommen die KundInnen gar nicht mehr hinterher. Es geht vor allem um die Ausbeutung von Näherinnen und Nähern in Billiglohn-Ländern. Die Modebranche beschwört das selbst herauf. Wir brauchen gar nicht so viel, wie vorhanden ist. Die Menschen, die das nähen, wissen nicht wie billig die Sachen hier sind und dass sie nach dreimal Tragen weg geschmissen werden. Das bricht mir wirklich das Herz.“

Die Textilindustrie hat sich seit 100 Jahren wenig verändert. Der lange Status Quo ist, dass Näherinnen an Maschinen sitzen und unter prekären Bedingungen für Hungerlöhne arbeiten. Wir wissen das. Studien des Marktforschungsinstituts GfK zeigen, dass bei der Hälfte der Kunden Ethik und Moral beim Einkauf eine wichtige Rolle spielen. Laut den Studien sind sie sogar bereit, für nachhaltig und gerecht produzierte Bekleidung mehr zu zahlen. Da wird aus einer Einstellung Ökonomie, wie bei dem Beispiel des Modelabels lila.

Modedesignerin schleppt lauter Kleider und Stoffe

Ina Aydogan

Lisi Lang und viele andere versuchen darauf zu achten und gegen die Textil und Mode-Industriestandards anzukämpfen. „Man weiß eigentlich nie genau, ob das stimmt, was drauf steht, wo etwas herkommt.“ Made in Bangladesh, India, Vietnam, Pakistan, China oder Cambodia verrät das Etikett viel zu oft.

lila zumindest kauft ihre Stoffe teuer ein, weil regional und Bio. Jede Woche fährt sie 1 1/2h raus aus Wien, Richtung Bratislava, wo ein Teil ihres Stoffelagers und Team ist. Der größere Teil ihrer Näherinnen und Näher ist in Wien im 17. und 15. Bezirk. Als Unternehmerin weiß sie, dass die Gewinnspanne dabei nicht hoch ist, aber „wenn jeden Tag 2-3 Menschen bei mir etwas kaufen, dann haben alle in der Produktionskette was davon“.

Lisi Lang Modedesignerin lila

Ina Aydogan http://ina.johnrossgroup.com/

Auf den oft etwa 300-fachen Profit wollen aber viele Firmen im Zeitalter der fast fashion nicht verzichten. In diesem Zeitalter blicken andere Konzerne aber auf Katastrophen, auf die Fragen der Kunden, auf den Trend zur Nachhaltigkeit und deuten auf Veränderung. So scheint es zumindest, wenn man auf die Organisation ACT, die von großen Konzernen gegründet wurde, blickt. Die Arbeitsbedingungen für die Näherinnen sollen von den Labels gemeinsam verbessert werden. Gestartet und getestet wird in Kambodscha, jenem Land, in dem der wichtigste Exportartikel Textil ist.

Vielleicht liegt dieses Umdenken auch an dem teils schon vollzogenen Generationenwechsel der Führungspositionen in den Konzernen. Vielleicht ändert sich bald schon vieles, das Umdenken findet statt. Darüber und über die Hintergründe warum wir modisch sein wollen, wie uns Trends vorgelegt werden und über die Versprechungen der Mode diskutieren wir heute ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut.

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