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Khalil MAZRAAWI / AFP

Hält H&M sein Versprechen nach existenzsichernden Löhnen ein?

Der Textilriese H&M wollte bis 2018 sicherstellen, dass in seinen wichtigsten Zulieferbetrieben existenzsichernde Löhne gezahlt werden. Clean Clothes hat nachgeforscht und sagt: Da passiert zu wenig.

Von Irmi Wutscher

Schnell ein T-Shirt im Vorbeigehen geshoppt, an der Kassa noch schnell 5 Paar Socken mitgenommen…. Das ist die Strategie der Textildiskonter wie H&M. Der „Textilschwede“ ist einer der größten Einzelhändler weltweit.

Schwere Kritik am H&M gab und gibt es immer wieder: Weil der Konzern die Preise drückt oder weil Menschen in seinen Zulieferbetrieben viel zu lange oder unter gefährlichen Bedingungen arbeiten. Das sollte in einer großangelegten Kampagne für faire Löhne verbessert werden.

Existenzsichernde Löhne in 5 Jahren

2013 – nach dem Rana Plaza Fabrikseinsturz in Bangladesch - ist H&M mit einem großen Versprechen aufgefahren: innerhalb von 5 Jahren sollen Arbeiterinnen und Arbeiter in so genannten „Gold“- und „Platin“-Zulieferfirmen faire, existenzsichernde Löhne bekommen. Dieses Versprechen hätte zu diesem Zeitpunkt 60% der ArbeiterInnen betroffen, die für H&M Produkte herstellen.

H&M ist natürlich bei weitem nicht der einzige Konzern, der billig produziert und Preise drückt. Auf der Website der Clean Clothes Kampagne kann man sich informieren, welche Kleider-Marken besser oder schlechter Arbeitsstandards einhalten.

Die Clean Clothes Kampagne hat eine Online- Petition unter dem Titel „H&M keep your promises“ gestartet. Über 100.000 Menschen haben sie schon unterschrieben.

Jetzt, gegen Ende dieser selbstgesetzten Frist, hat die Clean Clothes Kampagne erhoben, wie viel von diesem Versprechen wirklich umgesetzt worden ist. „Das Versprechen ist nicht eingelöst worden", sagt Gertrude Klaffenböck von der Clean Clothes-Kampagne, "und das obwohl das Unternehmen seit fünf Jahren Gewinne einfährt – und zwar keine schlechten – mit den Leistungen dieser ArbeiterInnen. Da stellt sich für uns die Frage: Wieso ist da nicht ernsthafter an diese Strategie herangegangen worden?“

Am schlechtesten in Süd- und Osteuropa

Die Clean Clothes Kampagne hat 62 ArbeiterInnen befragt, die in Bulgarien, der Türkei, Indien und Kambodscha für H&M Kleidung herstellen. Während die ArbeiterInnen in Kambodscha immerhin 46 Prozent eines existenzsichernden Lohns bekommen, sieht es in Bulgarien am schlechtesten aus. Da hat eine Arbeiterin nach eine vollen Arbeitswoche nicht einmal ein Zehntel von dem eingenommen, was sie zum Überleben bräuchte.

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CleanClothes

„Ja das war für uns auch das Schockierendste“, sagt Gertrude Klaffenböck. „Weil nicht nur im Textil- sondern auch im Schuhbereich denkt man ja bei diesem ‚Made in E.U.‘ an vernünftige Arbeitsbedingungen. Oder wenn schon nicht super, dann wenigstens okay.“

Das ist aber überhaupt nicht so: in Süd- und Osteuropa gibt es zunehmend schlechte Arbeitsbedingungen, vor allem in strukturschwachen Gegenden auf dem Land. „Da ist es fast noch ärger als in Asien. Denn in Asien ist der politische Druck von außen auch schon da, während die ost- und südeuropäischen Länder noch fast unbehelligt sind.“ Weder in Beitrittsverhandlungen noch sonst seien Arbeitsbedingungen in der EU ein großes Thema. Im Gegenteil, es gebe eher Programme, die den Billiglohnverkehr erleichtern.

Das Lohniveau soll ausgehandelt werden

Auf Anfrage schickt uns H&M diese Stellungnahme zum Clean-Clothes Bericht:

Die Behauptungen im Bericht, dass eine Reihe von Zulieferbetrieben, die für den H&M-Konzern produzieren, keine Mindestlöhne zahlen, wurden durch unsere umfassenden Audits und Bewertungsprogramme nicht bestätigt, die sicherstellen, dass die Fabriken unseren Mindestanforderungen entsprechen.

H&M hat vergangenen Donnerstag ebenfalls Bilanz gezogen, in einer Presseaussendung, und kommt zu anderen Ergebnissen, als die Clean Clothes Kampagne. H&M veröffentlicht etwa, dass es in fast drei Viertel ihrer Zulieferbetriebe demokratisch gewählte Arbeiternehmer-Vertreter gibt und dass es in 500 Fabriken verbesserte „wage management systems“ gebe.

H&M hat also Strukturen geschaffen, dass bessere Löhne ausverhandelt werden können, sich aber nicht selbst um die Umsetzung gekümmert. Hier unterscheidet sich ihre Sicht von der der Clean Clothes Kampagne. In der Stellungnahme heißt es:

Erstens: Es gibt kein allgemein vereinbartes Niveau für existenzsichernde Löhne, und zweitens: Das Lohnniveau sollte von den Parteien auf dem Arbeitsmarkt durch faire Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern definiert und festgelegt werden, nicht von westlichen Marken.

Dazu sagt Gertrude Klaffenböck von Clean Clothes: „Es ist nicht so, dass ein existenzsicherndes Lohnniveau nicht für alle Länder bekannt wäre. Dass H&M sich das nicht ausrechnen kann, das ist lächerlich.“ Auch, dass sich ArbeitnehmerInnen ihren Lohn einfach so fair aushandeln können, bezweifelt Klaffenböck.

H&M arbeitet für die Umsetzung der verbesserten Löhne mit der ILO, der International Labour Organisation zusammen, außerdem mit der internationalen Gewerkschaftsorganisation ACT. „Wir sehen das auch und da sind tatsächlich ernsthafte Bemühungen im Gange, vor allem in vielen asiatischen Ländern“, sagt Gertrude Klaffenböck. Dieser breit angelegte Ansatz verlaufe aber sehr schleppend. „Das kann keine Ausrede sein, dass man bestimmte Dinge nicht sofort angeht. ArbeiterInnen Hungerlöhne zu bezahlen, dafür gibt es keine Entschuldigung. Da kann ich noch so tolle Mitgliedschaften mit hehren Ansätzen haben.“

Update 17:00:

H&M will seine Bemühungen um existenzsichernde Löhne jedenfalls weiterführen. In einer Email an FM4 heißt es:

Unsere Arbeit in Bezug auf existenzsichernde Löhne ist langfristig angesetzt und wird natürlich auch nach 2018 weitergeführt. Die Ziele, die wir uns für 2018 gesetzt haben, sind nur ein erster Meilenstein unserer langfristigen Strategie.

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