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Innenminister Herbert Kickl

APA/ROLAND SCHLAGER

Türkis-blaue Message Control

Hohe Wellen schlagen derzeit bekannt gewordene E-Mails aus dem Innenministerium an die Kommunikationschefs der Landespolizeidirektionen. Darin geht es um einen speziellen Umgang mit „Kritischen Medien“, aber auch darum, dass Sexualdelikte prominenter kommuniziert werden sollten.

Der Bundespräsident und der Bundeskanzler haben sich heute in der Causa aus New York gemeldet, wo dieser Tage die UNO-Generalversammlung stattfindet. Die Opposition fordert Konsequenzen für Innenminister Kickl. NEOS und Liste Pilz wollen den FPÖ-Minister auch im Nationalrat zur Rede stellen.

Dass der Innenminister von diesem Mail nichts gewusst haben will - und sich inzwischen auch vom Inhalt distanzieren möchte, nehmen ihm VertreterInnen der anderen Parteien nicht ab. „Es ist nur schwer zu glauben, dass der Sprecher des Innenministeriums nicht im Auftrag des Ministers handelt. Und selbst wenn: letztlich ist der Minister verantwortlich. Das ist vielmehr das übliche und absurde Spiel von Herbert Kickl, der sich jetzt aus seiner Verantwortung stehlen will", heißt es da heute beispielsweise in einer Aussendung der NEOS.

Aber wie gehen die in der E-Mail angesprochenen Medien selbst mit diesen „Anregungen“ aus dem Mnisterium um? FM4-Reporterin Veronika Weidinger hat mit Petra Stuiber, der stellvertretenden Chefredakteurin von der Tageszeitung Der Standard gesprochen.

Veronika Weidinger: Wir haben es in den Medien - auch im Standard - gelesen: Das Innenministerium plant seine Kommunikationsstrategie mit verschiedenen Medien im Land - unter anderem auch mit dem Standard - ein bisschen zu ändern. Wie war denn die Reaktion in Ihrer Redaktion auf diese Mail?

Petra Stuiber: Die Reaktion war so, dass wir gesagt haben: Okay, das liegt jetzt auf dem Tisch, wir regen uns nicht auf, wir gehen professionell damit um. Das bedeutet, wir müssen eine große Geschichte darüber machen. Und wir müssen in einem Kommentar darlegen, wie wir das sehen. Das haben wir gemacht und die Geschichte hat natürlich Wellen geschlagen. Es ist so, dass wir solchen Bedrohungen keinesfalls ängstlich begegnen. Wir nehmen die Herausforderung an und berichten, was zu berichten ist. Es geht ja nicht nur um uns, um den Standard. Es geht um die Medienfreiheit, es geht um die Pressefreiheit, um die Demokratie in diesem Land.

Hat sich denn bisher schon irgendetwas an der Kommunikation aus dem Innenministerium - was jetzt konkret diese Dinge angeht - geändert. Gewisse Dinge werden jetzt quasi nicht mehr proaktiv weitergesagt, gewisse „Zuckerl“ gibt es jetzt nicht. Hat sich da etwas geändert?

Petra Stuiber: Ich möchte schon grundsätzlich sagen: Der Standard hat nie „Zuckerl“ aus dem Innenministerium bekommen. Der Verhältnis war immer ein sehr sportliches. Seriöse Medien berichten natürlich auch darüber, wenn in Ministerien und Institutionen die Dinge nicht rund laufen, wenn Vorgänge kritisierenswert sind. Das war auch unter vorigen Regierungen so. Was aber jetzt schon immer wieder aufgefallen ist, ist dass es schwierig ist, ein professionelles Verhältnis in dieser Regierung aufrechtzuerhalten. Da will ich aber nicht nur das Innenressort nennen. Es ist auch so, dass es schwierig ist Interviews an anderen Stellen zu bekommen. Wir wurden zuletzt etwa nicht zu Hintergrundgesprächen des Bundeskanzlers eingeladen. Die Message Control, die die türkis-blaue Regierung hier pflegt, ist insgesamt durchaus spürbar.

Was würde denn das, was hier jetzt - wie es heißt - „angeregt“ wurde für die konkrete Arbeit bedeuten?

Petra Stuiber: Das würde bedeuten, dass das Innenministerium etwas tut, was es eigentlich nicht darf. Nämlich Informationen die es weitergeben muss, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, bestimmten Medien entweder vorzuenthalten, oder erst auf mehrmalige Nachfrage zu kommunizieren. Es würde die Arbeit der Medien erschweren und es würde auch die Informationspflicht, die es gegenüber der vierten Säule der Macht im Staate schon gibt, einfach nicht erfüllen. Solche Versuche einer Einschränkung kritischen Journalismus müssen wir auf das Schärfste verurteilen. Und das tun wir auch.

Jetzt hat Ihr Bericht ja - wie sie schon gesagt haben - große Wellen geschlagen. Es wird auch international viel darüber berichtet. Wie schätzen Sie das ein jetzt? Kommt der Innenminister damit durch oder wie wird das weitergehen?

Petra Stuiber: Nachdem der Bundeskanzler sich da persönlich aus New York gemeldet hat und gesagt hat, dass er diese Art von Pressearbeit in jedem Fall ablehnt, gehe ich schon davon aus, dass das auch Konsequenzen haben wird, die über eine Presseerklärung hinausreichen und dass es da noch Gespräche geben wird. Ich gehe schon davon aus - und das ist letztlich schon auch mein Vertrauen in die Institutionen dieses Landes - dass man damit eben nicht durchkommt. Ich hoffe, dass das in irgendeiner Form Konsequenzen nach sich zieht. Es darf in jedem Fall nicht zur Tagesordnung übergegangen werden.


Noch zu einem anderen Punkt der in dieser Mail aus dem Ministerium angesprochen wird: Da geht es dann darum, dass das Ministerium schon im Sinne der Transparenz informieren will, nämlich wenn es darum geht, bei Verdächtigen die Nationalität und den Aufenthaltstitel zu nennen. Sie haben da im Standard auch ein bisschen darüber informiert wie die Redaktion damit umgeht. Wie schätzen Sie denn das ein?

Petra Stuiber: Damit muss man sehr vorsichtig umgehen. Ich schätze schon, dass das nur dann Sinn macht und auch gemacht werden sollte, wenn es für den Sachverhalt an sich von Relevanz ist. Grundsätzlich immer - und egal ob es für den Fall relevant ist oder nicht - wenn ein Ausländer eine Straftat begeht zu erwähnen, dass er Ausländer ist, das sehe ich schon ein bisschen kritisch. Weil es natürlich auch dazu führen kann, dass Ängste geschürt werden. Und das sollte man doch insofern vermeiden, als das ein Unsicherheitsgefühl erzeugt. Und Aufgabe des Innenressorts ist es ja eigentlich, ein Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu erzeugen. Ich bin nicht dafür, Dinge vorzuenthalten, wenn sie wichtig sind. Aber da eventuell grundsätzlich einen Spin hineinzubringen, dass es vor allem die Ausländer sind, die da Straftaten begehen, das fände ich sehr problematisch.


Wie schätzen Sie die Idee ein, da verstärkt auch über Sexualdelikte zu berichten?

Petra Stuiber: Das geht für mich genau in dieselbe Richtung, also in Richtung Verunsicherung. Und verunsichern ist wirklich nicht die Aufgabe des Innenressorts in einer demokratischen Gesellschaft. Es geht darum, den Bürgern Sicherheit zu geben und sie nicht durch gezielte und gespinnte Information noch zusätzlich zu verunsichern.

Am Dienstag in FM4 auf Laut: Message Control

Ist die Causa gar nicht neu? Gab es schon immer Message Control? Wie gut fühlst du dich von der Regierung informiert? Alles Fragen die wir am Dienstag, 25. September, ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut mit der Falter-Journalistin Nina Horaczek, dem Politologen Vedran Dzihic und dem Polizeidoku-Filmemacher Andreas Mannsberger und euch diskutieren wollen.

Die Sendung gibt es auch für sieben Tage in FM4 Player, in der FM4 App und als Podcast.

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