FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Nicholas Cage blutüberströmt in "Mandy"

Spectre Vision

FILM

Ein Mann sieht rot

Mit „Mandy“ wurde letzte Woche das /slash-Filmfestival spektakulär eröffnet. Jetzt ist der artifizielle Schocker mit einem entgrenzten Nicolas Cage auch regulär im Kino zu sehen.

Von Christian Fuchs

Nicolas Cage rückt die Dinge auf der Bühne des Wiener Gartenbaukinos klar. „I’m the californian Klaus Kinski“ sagt der Hollywoodstar, der für sein übersteigertes Schauspiel berühmt ist. Und in manchen Kreisen wohl auch berüchtigt. Verfolgt von endlosen Overacting-Vorwürfen und gebrandmarkt durch tausende Memes geht Cage bei der Eröffnung des /slash-Filmfestivals in die Offensive. Seine Vorbilder seien eben Darsteller, die sich nicht mit schnödem Realismus aufhalten. Expressive Typen wie der Stummfilm-Dracula Max Schreck oder der erwähnte manische Kinski.

Was Nic Cage dem Wiener Publikum zu seinem abstract acting erzählt, inklusive einem Trancezustand, in den er sich für bestimmten Szenen begibt, passt perfekt zu dem Film, der anschließend im Gartenbaukino seine heimische Premiere feiert.

Mandy“, gedreht vom kanadischen Regisseur Panos Cosmatos, ist ein Werk der ganz großen Gesten und bewusst plakativen Bilder. Mit den Fließband-Thrillern, in denen der an sich supere Herr Cage in den letzten Jahren regelmäßig auszuckt, hat der Film aber nichts gemeinsam.

Filmstill Mandy: Frau sitzt auf einem Bett und liest

Spectre Vision

Bewusst rudimentäre Story

„Mandy“ ist ein neuer, gewaltiger Beitrag zum Avant-Pop-Kino der Gegenwart. Einem Kino, das einerseits ununterbrochen Genre-Knöpfe drückt und auf der anderen Seite bewusst die narrativen Muster verweigert, die zum formatierten Genre-Kino gehören. Man könnte jetzt diesbezüglich an Quentin Tarantino denken, der B-Movie-Klischees in einen ganz eigenwilligen dramaturgischen Kontext stellt. Aber Filme wie „Under The Skin“, „The Neon Demon“, „You Were Never Really Here“ oder „The Killing of A Sacred Deer“ gehen noch weiter, weil sie das Korsett der „Story“ radikaler unterwandern oder gar ignorieren.

Auch die Handlung von „Mandy“ ist bewusst rudimentär. Ein schrulliges Geek-Pärchen hat sich in einem einsamen Haus in den Wäldern ein Rückzugsgebiet von der Zivilisation errichtet. Die künstlerisch begabte Mandy (Andrea Riseborough) malt dort comichafte Bilder, angebetet von ihrem Freund Red (Nicolas Cage), der als Holzfäller arbeitet. Die Nächte verbringt man mit Sci-Fi-Trash vor dem VHS-Rekorder, schließlich spielt der Film im Jahr 1983, auch wenn der Look zeitlos-artifiziell ist. Als eine religiöse Sekte, angeführt von einem gespenstischen Guru (Linus Roache) auf Mandy aufmerksam wird, beginnt ein endloser Albtraum für das Liebespaar.

Nicholas Cage  in "Mandy"

Spectre Vision

Durchgestylter Höllentrip

Spätestens wenn die Sekte die wunderbare Idylle von Mandy und Red zerstört, unterstützt von einer diabolischen Bikergang, verwandelt sich der Film in einen durchgestylten Höllentrip. Red sieht rot, im wahrsten Sinn des Wortes, Primärfarben vereinnahmen die Leinwand wie einst beim legendären Dario Argento: Blut, Feuer, Drone-Metal, Progrock und Synthcore verschmelzen zu einer audiovisuellen Symphonie des Schreckens. Vor allem der Soundtrack, noch komponiert vom leider verstorbenen Jóhann Jóhannsson, hat es in sich, zumal er im Gartenbaukino in Konzertlautstärke erschallt.

Panos Cosmatos, der zuvor bereits mit dem etwas zurückhaltenderen Sci-Fi-Experiment „Beyond The Black Rainbow“ aufgefallen ist, begnügt sich nicht wie viele Kollegen mit einem der derzeit modischen Retro-Meta-Horrorfilme. „Mandy“ verknüpft mit einer deutlichen Strenge Heavy-Metal-Symbolik, Zitate an Fantasycomics der Siebziger und Achtziger-Action-Splatter-Verbeugungen. Dieser Film will Horror-Hommage und Ultrakunst für die Kinogalerie sein.

Was konventionell konditionierte Fangirls und Boys vor den Kopf stoßen könnte: „Mandy“ dehnt wie auch andere Avant-Pop-Filme radikal die Zeit. Cosmatos versucht den Zuseher zu hypnotisieren, mit langen Einstellungen einzulullen, was auch Teile des /slash-Publikums durchaus unruhig werden ließ. Wer sich dem Film aber hingibt, wird mit einem intensiven Rausch belohnt, abseits der erzählerischen Fesseln, die viele aktuelle Horrorfilme nervig machen. Und die Blicke von Andrea Riseborough und Nic Cage - zärtlich, entsetzt, entgrenzt - verfolgen dich in den Schlaf.

Aktuell: