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Aslan Kudrnofsky, Lana Lauren Design

Kluge Antworten auf sexistische Sprüche

Sexistisches Phrasendreschen ohne Ende? Das Frauennetzwerk Sorority hat mit „No More Bullshit“ ein Handbuch gemacht, das hilft, beim nächsten ach so gar nicht flotten, sexistischen Spruch gleich mit Fakten zu antworten.

Von Maria Motter

Meine Freundin A. hat eines dieser T-Shirts mit dem Schriftzug „The future is female“. Sie hat es gerne an. Auch, als wir uns „Hamlet“ im Theater anschauen. „Was soll das heißen?“, fragt der Schauspieler Lars Eidinger im Stück von der Bühne. „Gleichberechtigung." - „Ich seh’ es ja auch so.“, sagt Lars Eidinger. Doch zwei Plätze weiter, neben uns, meldet sich ein anderer Mann zu Wort: „Ist das nicht umgekehrter Sexismus?“

Bullshit! Bingo!

Das Frauennetzwerk Sorority veranstaltet seit vier Jahren regelmäßige Treffen unter dem Motto „No More Bullshit!“, um die Solidarität unter Frauen* zu fördern und Antworten auf sexistische Äußerungen parat zu haben. Denn nicht selten bleibt nur Wut im eigenen Bauch, wenn wieder jemand sich verbal mehr herausgenommen hat, als ihm zusteht. Stichwort: „Du bist so süß, wenn du dich aufregst!“ Darauf kontert jetzt ein Dutzend Persönlichkeiten mit: „No more bullshit!“ Sorority hat im Verlag Kremayr und Scheriau ein „Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten“ veröffentlicht.

Es ist ein schmaler Band, der es allerdings in sich hat. Zuallererst werden sieben „Bullshit-Taktiken“ auseinandergenommen und Gegenstrategien angeboten. Die rhetorischen Tricks der Trolle und ihres Gefolges sind theoretisch schnell entlarvt. Ablenkung, Frage- und Antwortdiktat, Autoritätssimulation und vor allem aber auch die Ironisierung und persönliche Angriffe sind nichts Neues. Doch die beschriebenen, empfehlenswerten Reaktionen darauf überraschen. Den Autor*innen dieses feministischen Readers geht es um Austausch, um eine Auseinandersetzung mit Niveau und darum sei es wichtig: „in Diskussionen mit Andersdenkenden nicht moralisierend, belehrend oder bewertend aufzutreten, sondern mit Offenheit und Interesse zuzuhören - auch wenn das bei vielen Menschen auf den ersten Blick Irritationen auslösen mag.“

Sorority (Hg.): No More Bullshit! Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten, erschienen 2018 bei Kremayr & Scheriau.

Der Band ist keines der Geschenkbüchlein, die mit hipper Optik auffallen, aber nur Allzubekanntes mit Zierschleifen liefern. Nach dem Bullshit-Bingo geht es ans Eingemachte. Linguistische Theorien werden im Schnelldurchlauf vorgestellt. Was es mit feministischen Standpunkttheorien auf sich hat, wird erklärt. „Anders gesagt: Nur weil jemand als Frau* sozialisiert und gelesen wird, muss sie Geschlechterungleichheiten nicht erleben oder sich ihrer bewusst sein.“

Mit einem Zitat der österreichischen Politikerin Johanna Dohnal wird der Begriff Feminismus erklärt: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn“.

Sorority

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Dann liest man teils schön Überraschendes - etwa, dass Eizellen tatsächlich weit aktiver sind, als die weiße männliche Medizin uns glauben machen wollte, oder, dass gerade finanzielle besser situierte und gebildete Frauen* im Durchschnitt mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen als ihre eigenen Mütter und Großmütter. Die Themen reichen von Kindererziehung über die Sehnsucht nach emotional stabilen, offenherzigen Väterfiguren zu Popkultur und nicht zuletzt zu Fragen der Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsarbeitsleben. Dass sich Sorority als unabhängige Plattform zur branchenübergreifenden Vernetzung und Karriereförderung von Frauen in Österreich versteht, wird schnell deutlich. Der geschlechtsspezische Lohnunterschied, die Vorteile von Männerbünden und die Sinnhaftigkeit von Geschlechterquoten werden dargelegt. „Das Infragestellen männlicher Privilegien ist noch keine Diskriminierung.“

Den Herausgeber*innen von Sorority ist eine interessante Mischung geglückt: Ihr Reader eignet sich als erste feministische Textsammlung für „Einsteiger*Innen“ und ist auch spannend, wenn man sich an Judith Butlers Büchern den Kopf zerbrochen hat und mit Begeisterung den aktuellen Boom der Aufmerksamkeit für feministische Publikationen verfolgt. Die Texte heischen nicht nach künstlicher Konfrontation, recht differenziert gehen die Autor*innen an die Sache. Wie Reyhan Sahin aka Lady Bitch Ray reaktionäre Tendenzen im deutschsprachigen Rap anhand des Worts „Bitch“ illustriert, verdeutlicht all die Diskrepanz, die auch Feministinnen ständig zu bewältigen haben. „Das Wort ‚Bitch‘ wird wieder im patriarchalischen Kontext für die Kontrolle und Bewertung der Sexualität der Frau* verwendet. Wieder ist die Bitch die leichtlebige Frau*, bei der es gilt, ihr Sexualverhalten zu degradieren. Es kommt noch besser: Mittlerweile schicken Rapperinnen ihre weiblichen Groupies auf’n Strich und brüsten sich mit dieser Geste, als bedeute sie Emanzipation.“

„Haben wir keine wichtigeren Probleme?“, könnte an dieser Stelle der Mann aus der Theaterreihe einwenden. Bullshit!, sagen die Herausgeber*innen von „No More Bullshit“ mit Contenance und Fakten. Mit ihrem Reader ist allerdings noch lange nicht alles gesagt. Das Buch kann bestenfalls als ein Anfang verstanden wissen.

Ein T-Shirt, um zu kontern

„Viele Debatten um Gleichberechtigung enden damit, dass auch Männer etwas dafür tun müssten“, das hat auch der Grazer Student Leonhard Rabensteiner festgestellt. „Gleichzeitig gibt es Aktivistinnen wie Femen, die sich einsetzen. Aber als Mann könne man das nicht wirklich machen, argumentieren viele, denn jeder Bauarbeiter liefe im Sommer oben ohne.“ Leonhard Rabensteiner hat T-Shirts mit Reißverschlüssen entworfen. Eines davon hat er eineinhalb Jahre lang gern getragen: Direkt über den Brustwarzen verläuft der Reißverschluß. „Die Leute lachen zuerst und fragen aber dann nach dem Kontext. Man kann damit ganz gut Stammtischgespräche unterbrechen oder sexistische Ansagen beim Familienessen kommentieren.“

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