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Aktueller Musiktitel:

Cari Cari

Andreas Jakwerth

Alles dreht sich um die Sonne

Cari Cari haben ein aufregendes (Live-)Jahr hinter sich. Der Output: ihr Debütalbum „ANAANA“. Das Duo hat uns von retro-befreiten Ambitionen, erspieltem Selbstbewusstsein und ihrer Teilnahme am Projekt „The New European Songbook“ erzählt. Unser FM4 Artist Of The Week.

Von Lisa Schneider

Den Titel des ersten Cari-Cari-Albums spricht man wie im Deutschen aus, gefühlvoll betont auf der mittleren Doppel-A-Silbe. ANAAAAANA also. Es ist ein Wort, das der Maori-Sprache entstammt, und wie viele Wörter dieser Sprache hat auch dieses mehrere Bedeutungen: Glut, Feuer, Hitze, Sonne. Lava. „Wie eine Eruption“, erzählt Alexander Köck, eine Hälfte des Duos, „wir haben das aufgeschnappt, als wir in Neuseeland waren - und es hat gepasst. Die Sonne ist ein Motiv, das sich durch unsere Musik zieht. Dieses Album jetzt endlich zu veröffentlichen, hat außerdem schon etwas von einem kleinen emotionalen Vulkanausbruch für uns.“

Der Pressetext sagt „nach langem Warten ist das Debutalbum da“. Wie so oft ist es für das Publikum das längere Warten als für die Band: Die hat nämlich in den letzten zwei Jahren nie nichts getan.

Warum Filmmusik ein gutes Genre ist

Cari Cari haben schon 2014 eine EP veröffentlicht, „Amerippindunkler“. Richtig kennengelernt haben wir sie aber erst mit ihrer Single „Nothing’s Older Than Yesterday“, ein Song, der auch international Anklang gefunden hat, der ihnen erstmals schriftliche Auszeichnungen wie „Musik wie aus einem Tarantino-Soundtrack“ eingebracht hat.

Genre-Überlegungen im Musikjournalismus sind so eine Sache; einerseits sind Cari Cari eine Bluesrockband, verweben aber ebenso elektronische Elemente in ihre Musik, 60ies-Anleihen, 80ies-Synthesizer. Klingt eingermaßen nichtssagend, langweilig. Der Tarantino-Vergleich tut da schon seinen Gutteil dazu, die Band auch nach außen hin, noch vor dem Hören, als spannend zu verkaufen: Prärie, Kojoten, holpernde, hart geschlagene Drums, ein Jauchzen in der Ecke. Blut, Sonne, der gute Schmerz.

Das bildhafte Denken bringt bei Cari Cari nicht nur einen immer sehr stylischen Liveauftritt der beiden mit sich, sondern auch aufwendige Videoproduktionen.

Schrei’ es hinaus

Vor wenigen Wochen veröffentlichten sie die erste Vorab-Single des Albums, „Mapache!“. Mehr ein Schlachtruf als ein Song, den Refrain sucht man hier vergebens, außer man zählt das erwähnte Jauchzen, Schreien, den Angriffsruf: „Mapache!“ als solchen. Ein gewagter Schritt, diesen Song als Vorboten rauszuschicken, kein Popsong mit klarer Struktur, viel eher ein Spaß: „Unser Ziel ist es, naiv zu bleiben. Es ist so leicht, wenn man eine Band ist, und eingeflüstert bekommt, wie man sein sollte - poppiger, mehr dran am Mainstream, um schneller mehr Leute zu begeistern. Das anzunehmen ist aber tödlich für die Musik. Wir wollen es uns bewahren, wie Kinder zu sein, im Kinderzimmer Theaterspielen. ‚Mapache!‘ ist der beste Beweis dafür: Es muss nicht immer alles einen doppelten Boden haben, manchmal kann’s auch einfach nur Spaß machen.“

„Um Geld zu verdienen, sind wir nicht Musiker geworden“ - und dabei geht die gelassene Herangehensweise von Cari Cari gerade umgehend auf. Sich herauskämpfen aus der Masse sehr guter Veröffentlichungen, die gerade in Österreich passieren. Cari Cari sind sich sehr wohl bewusst, mit welcher Konkurrenz sie es zu tun haben: „Wir sind eine Band aus Österreich, international wartet niemand auf uns, das wissen wir. Es ist aber auch gleichzeitig die Chance, etwas zu machen, was wir für gut befinden. Sich zu trauen.“

Fehler kultivieren. Ohne Vorgegebenes auskommen, ohne einem bestimmten Sound nachzujagen. So haben Cari Cari den Weg zu ihrem ersten Album gesucht. Dass es dann doch zwei Jahre gedauert hat, war einfach dem Entwicklungsprozess geschuldet, den sie mit der Single „Nothing’s Older Than Yesterday“ begründet sehen. „Das war einfach der Song, der das Kapitel der ersten EP abgeschlossen hat. Das ist Cari Cari jetzt.“

Nicht umsonst steht im Booklet: „This album represents the sound of Cari Cari from 2016 to 2018.“

Von Angeboten, die man nicht ablehnen kann

Cari Cari waren im letzten Jahr sehr viel unterwegs. Und das, obwohl sie eigentlich beschlossen hatten, 2018 würde ein Studiojahr. Anfragen, am Eurosonic in Groeningen/Holland, am Great Escape/Brighton, am Sziget Festival/Ungarn oder am renommierten Primavera Sound Festival/Barcelona zu spielen, hat die Band natürlich aber nicht ausgeschlagen. Und dazwischen? Naja, hat das Duo fünf Monate in London gelebt, eine Artist In Residence in Portugal angenommen, ist nach Tallinn, Deutschland und eben nach Neuseeland gereist.

ÖSTERREICH-TOUR 2018/2019

02.11. Linz / Ahoi Pop AT
03.11. Hard / Kammgarn AT
10.11. Wien / Flex AT
23.11. Mödling / Bühne Mayer AT
29.11. St. Pölten / Cinema Paradiso AT
07.12. Graz / ppc AT
08.02. Salzburg / Rockhouse AT

Hier findet ihr alle weiteren Tourtermine von Cari Cari.

Die Lieder für „ANAANA“ entstehen zwar nicht nach romantischer Vorstellung on the road, sondern großteils schon zuhause, im Studio. Die Eindrücke aber machen die Songs, und so ist „Mechikko“ an besagtes Land angelehnt sowie „After The Goldrush“ an den Brexit.

Die Reviews, die Cari Cari für ihre Liveauftritte erhalten haben, müssen jedes Ego stärken. Der italienische Rolling Stone allein schreibt ihnen nur das Beste zu. Es mag eine bestimmte Arroganz mit schnellem, ruhmreichen Feedback einhergehen. Oder aber es macht selbstbewusst. „Man fühlt sich einfach bestätigt in dem, was man tut, und das ist das Beste daran. Für uns war das Live-Spielen immer so ein Euphorie-Schub, jedes Wochenende hat uns so viel Energie mitgegeben, die wir mit ins Studio genommen haben. Es hat uns aber nicht dahingehend beeinflusst, dass wir uns gedacht haben: ‚Ah, der Song hat live so besser funktioniert‘ - es geht einfach wirklich ums Selbstvertrauen, das wächst.“

Und das schönste Kompliment unter diesen vielen, die in den letzten Monaten hereingeprasselt sind?

„Ein schönstes, zwar nicht direkt ausgesprochenes, aber doch, Kompliment war, als wir am Primavera Sound Festival gespielt haben. Wir standen da auf einer Art Zwischenbühne - zwischen den beiden ganz großen - und anfangs waren vielleicht eine handvoll Leute da. Während des Sets sind aber immer und immer mehr Besucher und Besucherinnen stehen geblieben. Ich kann das nur mit meinen eigenen Erfahrungen vergleichen - manche Bands versteht man erst, wenn man sie live sieht. Zu späterer Stunde hat Nick Cave als Headliner am Primavera gespielt, und auch, wenn ich ihn immer geschätzt habe, hätte ich mich nie als Fan bezeichnet. Ihn live zu sehen, hat mir die Augen geöffnet. Leute in den ersten Reihen haben geweint. Das war schon fast eine sektenähnliche Erfahrung.“

Ganz ohne Jack White

Das rohe, direkte Livespiel ist dabei nicht immer der Ausgangspunkt für die Songs von Cari Cari. Ich war sehr verwundert, als sie mir erzählt haben, dass Drums teilweise nicht live eingespielt worden sind, sondern ein Drumcomputer benutzt wurde (etwa auf „Nothing’s Older Than Yesterday“.) Manche Songs entstehen zur Gänze am Computer. „Summer Sun“ ist so ein Beispiel. „Ich muss niemanden beeindrucken, wie gut ich Gitarre spiele, oder auch Stephanie, wie gut sie Schlagzeug spielt. Wenn es bei einem Song besser passt, dass es programmierte Drums sind, okay! Wir sehen uns nicht als Band, die in ihren Rollen festgefroren ist“.

Cover "ANAANA" von Cari Cari

Ink Music

„ANAANA“, das erste Album von Cari Cari, erscheint bei Ink Music.

Live muss man dann dafür eben einen Weg finden - und gleichzeitig ist es befreiend, zwei Zugänge zum Songschreiben zu haben: klassisch analog im Proberaum, oder eben digital.

„Es ist uns oft geraten worden: He, ihr seid doch eine Bluesrockband, geht doch ins Studio, und spielt alles live ein. Dann klingt es so wie White Stripes. Und so wollen wir nicht klingen. Wir mögen dieses analoge Bandrauschen, die Wärme, den Sound der 60ier extrem gern, wir lieben diese Art von Ästhetik. Aber wir versuchen, diese Musik ins 21. Jahrhundert zu holen und uns nicht darauf zu beschränken. Immerhin sind wir keine Retroband.“

So klingt auch „ANAANA“. In Österreich gibt es keine Band, die sich den good old Blues so gekonnt einverleibt, und ihn sich in futuristischer Form zu eigen gemacht hat; man spürt die Wüste zittern, hört die Nacht rauschen, wir tanzen, bis die Sonne aufgeht. Und das Beste daran: Was an der nächsten (Song-)Ecke wartet, lässt sich nur schemenhaft erahnen. Überraschungen sind schön.

Cari Cari und „The New European Songbook“

Ein Song des Albums - „Dark Was The Night Cold Was The Ground“ - ist gleichzeitig Teil eines großangelegten Projekts: des „The New European Songbook“. Die EBU (European Broadcasting Union), die unter anderem auch den Eurovision Songcontest veranstaltet, fordert einmal jährlich jedes europäische Land auf, eine Musikerin, einen Musiker oder eine Band auszuwählen, die zu einem bestimmten Thema einen Song schreibt - der dann auch eingebettet in einer größeren Dokumentation als Video umgesetzt wird.

Das Thema heuer ist „Krieg und Frieden“, anlässlich des hundertjährigen Jubiläums zum Ende des Ersten Weltkriegs.

„Es war spannend, mit einem bestimmten Ziel einen Song zu schreiben. Wir haben uns gefragt: Was ist Frieden? Was ist Krieg? Die beiden kann man schwer von einander abgrenzen, weil auch nach Kriegsende die veheerenden Umstände in der Bevölkerung weiter bestehen bleiben. Traumatisierung ist da nur ein Stichwort. Und darum dreht sich der Song. Wir haben außerdem versucht, mit etwa Federhall-Effekten Bomben musikalisch umzusetzen, und so vielschichtig an das Thema heranzugehen.“

Etwas zu umschreiben, wozu man aufgrund der zeitlichen Distanz emotional keinen direkten Bezug hat, hat sich als fruchtbarer Ausgangspunkt erwiesen. Und gleichzeitig lebt „Dark Was The Night Cold Was The Ground“ nicht nur vom Vergangenheitsbezug, sondern ebenso vom aktuellen Zeitgeist: „Gerade in der Zeit, in der wir heute leben, gibt es beängstigend viele Parallelen, vergleicht man sie mit der Stimmung von vor hundert Jahren. Es fällt deshalb vielleicht gar nicht so schwer, sich da zurückzuversetzen.“

Die Live Session von Cari Cari bei FM4 am 26. Oktober 2018. Das Interview führt Daniel Grabner.

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