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Cover "Die Ursache"

Residenz Verlag

Graphic Novel

Gezeichneter Thomas Bernhard

Der Tiroler Zeichner Lukas Kummer visualisiert Thomas Bernhards Autobiographie. Das kann daneben gehen. Tut es aber nicht.

von Zita Bereuter

Begonnen hat alles mit „Frost“. Im Gymnasium ist Lukas Kummer zufällig auf den Roman von Thomas Bernhard gestoßen. „Anfangs konnte ich nicht viel damit anfangen, aber es hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen und war prägend – auch für meine Arbeit.“ Im Laufe der Jahre hat er immer wieder Thomas Bernhard gelesen. Von Tirol aus zog er 2007 nach Kassel um dort an der Kunsthochschule Illustration und Comic zu studieren.

Cover "Die Ursache"

Residenz Verlag

„Die Ursache“ von Thomas Bernhard und Lukas Kummer (Illustrationen) ist im Residenz Verlag erschienen.

Als er die Anfrage bekam, die Autobiographie von Thomas Bernhard zu zeichnen, hat er erst gezögert. Zu groß war sein Respekt vor dem Autor. Es war ihm auch klar, dass bei so einer Adaption vieles schiefgehen kann. Die Autobiographie, die im Original ohne Absatz in einem Block geschrieben ist, eignet sich kaum für einen Comic. Weder gibt es direkte Reden, noch einen Protagonisten, den man leicht in Szene setzen könnte. Aber genau das hat ihn fasziniert, das war die Herausforderung für Lukas Kummer.

Mehrfach hat er also „Die Ursache“ gelesen und den Originaltext schließlich auf 15 Seiten gekürzt. Sehr schnell war für Lukas Kummer die strenge Erzählweise klar: Jede Seite ist in vier oder zwölf Pannels, also Bilder, geteilt. Einige wenige ganzseitige Illustrationen gibt es. In jedem Bild steht in einem weißen Feld oben der Originaltext in einer Schreibmaschinenschrift. Darunter dann die minimalistischen Bilder. Lukas Kummer wiederholt eine Szene wieder und wieder mit nur minimalen Unterschieden oder Perspektivenwechseln. Für ihn war das eine der härtesten Entscheidungen. Als Erzähler möchte er instinktiv in jedem Pannel eine Veränderung, aber das hätte zu sehr vom Text abgelenkt.

Diese Darstellungsart entspricht einerseits dem Originalroman, der Sprache Bernhards mit ihren zigfachen Wiederholungen, es zeigt aber auch die Ausweglosigkeit und Trostlosigkeit in diesem Internatsleben, in dem alle wie Maschinen funktionieren müssen. Meist sind es gesichtslose Figuren in einer Salzburger Kulisse. Schwarz, weiß und grau. Zu anderen Farben hätte wohl Thomas Bernhard auch nicht gegriffen, wenn er seine Erinnerungen an das Salzburger Internatsleben visualisieren hätte sollen.

"Die Ursache"

Residenz Verlag

Der brutale Internatsleiter Grünkranz, die vielen Schläge, der Drill, die Züchtigungen, die Selbstmorde seiner Kollegen. Kargheit und Feindseligkeit. Dazu häufige Luftangriffe. Salzburg wird zerstört. Thomas Bernhard ist es längst.

Auch nach dem Krieg ändert sich wenig. Das Internat wird katholisch, der Terror geht weiter. Statt des Nazis sorgt ein Geistlicher für Angst und Schrecken bei den Internatsschülern. Mit der gleichen Brutalität und Gewalt werden die Buben erzogen. Lukas Kummer nimmt den gleichen Bildausschnitt und zeichnet genau das: statt Hitler hängt ein Kreuz an der Wand.
Einfach und klar. Knapp und konkret. Damit hat Lukas Kummer eine in sich stimmige und äußert gelungene Visualisierung von Thomas Bernhards Autobiographie geschaffen.

"Die Ursache"

Residenz Verlag

Eine Leseprobe von „Die Ursache“ mit Illustrationen von Lukas Kummer gibt es auf den Seiten des Residenz Verlag

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