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Interview

Wer „Bullshit Jobs“ definiert

Der Anthropologe David Graeber schreibt in seinem neuen Buch über sogenannte Bullshit Jobs, Arbeit, die vollkommen sinnlos ist. In einem ausführlichen Interview spricht er über ihre Vorraussetzungen, ihre Verbreitung und einen möglichen Ausweg.

Von Boris Jordan

„Ein Bullshit Job ist eine Form der Beschäftigung, die so vollkommen sinnlos unnötig oder schädlich ist, dass selbst der Beschäftigte ihre Existenz nicht rechtfertigen kann“, von dem Beschäftigte sogar behaupten, „dass nicht nur ihr Leben sondern die Welt besser wäre, wenn es sie nicht gäbe“: Telefonmarketing, firmeninterne PR, IT, Unternehmensrecht, mittleres Management, Motivationsberatung, eigens geschaffene Bürokratie und firmeninterne Umstrukturierung.

Bis zu 37% der Beschäftigten - gerade auch in der sich gerne als effizient gebenden globalisierten Wirtschaft - arbeiten in so genannten „Bullshit Jobs“, wie sie der amerikanische Anthropologe David Graeber in seinem neuen Buch so definiert hat.

Das Interview mit David Graeber wurde auf Englisch geführt. Das ganze Interview gibt’s zum Anhören im FM4 Interview Podcast. Das Interview-Transkript auf Englisch gibt’s hier zu lesen.

Boris Jordan hat David Graeber zum Interview getroffen und mit ihm über Bullshit Jobs, ihre Verbreitung und die Gründe dafür, sowie über den möglichen Ausweg, das Bedingungslose Grundeinkommen, gesprochen.

Boris Jordan: Leute wie ich sind möglicherweise leicht zu überzeugen, dass Leute wie Investmentberater, Banker oder Telefonmarketer einem „Bullshit Job“ nachgehen. Aber man hört auch, dass sie die Basis für die Finanzökonomie sind, die wir derzeit haben. Sie haben nun zu einem Trick gegriffen: Nicht sie definieren, was ein „Bullshit Job“ ist, sondern die Menschen die jene Jobs ausüben …

David Graeber: Das ist sehr wichtig! Das letzte woran ich interessiert bin, ist, der Penner zu sein, der auf Leute zugeht und sagt: „dein Job ist ‚bullshit‘, sinnlos! Deiner ist okay, deiner nicht“. Ich überlasse das den Leuten selbst. Wir wissen, dass es viele Menschen gibt, denen ihr Job sinnlos vorkommt - was ist wenn sie Recht haben? Lass uns doch der Hypothese folgen, dass Menschen wissen, was sie so den ganzen Tag tun und dass niemand es besser weiß als sie.
Wenn man höhere Führungsebenen befragen will: Diese Leute sagen dir nicht, was sie denken, du bekommst sie nicht einmal in einen Raum, wo du sie fragen könntest. Nehmen wir Unternehmensanwälte. Alle Unternehmensanwälte, die ich kenne, werden dir sagen dass das kompletter Bullshit ist. Aber das sind die Unternehmensanwälte, die jemanden wie mich überhaupt kennen, vielleicht waren sie mal Anthropologen oder sind heimliche Anarchisten - wir hätten jedenfalls eine unausgewogene Versuchsanordnung. Auch die Menschen, die wirklich an der Spitze stehen: Hier kann man nicht mehr von Bullshit sprechen, wir sprechen von Raubtieren, einem Gangster entsprechend. Für die Idee eines „Bullshit Jobs“ muss man sich Leute vorstellen, die den Eindruck erwecken müssen, etwas Nützliches zu tun - diese Leute geben das nicht einmal vor. Sie versuchen, so viel Geld wie möglich zu scheffeln und auf alle anderen zu scheißen. Diese Leute scheren sich um gar nichts.

David Graeber speaks at Maagdenhuis Amsterdam, 2015-03-07

By Guido van Nispen from amsterdam, the netherlands CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

CC BY 2.0 David Graeber spricht an der Maagdenhuis Universität in Amsterdam im Juli 2015

Es war interessant zu erfahren, dass so viele Leute in „Bullshit Jobs“ so gut bezahlt waren, dass es für sie gar nicht so einfach war, auszusteigen, da sie ihre Familien ernähren mussten. Man möchte annehmen, dass so ein (Nichtstuer) „Bullshit“ Job etwas ist, was man etwa für Behinderte erfunden hat …

Nein, ganz im Gegenteil. Im Grunde ist das Unternehmenswohlfahrt für die Managerklasse. Eine der vielsagendsten Geschichten, die ich gehört habe, ist die einer Teefabrik in Frankreich, der „Elephant tea Company“, die jetzt unter Arbeiterselbstverwaltung steht. Die Arbeiter haben erzählt, was passiert war. Sie erzählten: „Wir haben die Produktivitätsrate gesteigert, wir haben gute Maschinen ausgetüftelt, wir haben es geschafft, das Fließband um 40% schneller zu machen - die Profite stiegen daraufhin. In den 50er- und 60er-Jahren wäre ein Teil des Geldes zu uns zurückgekommen, man hätte uns eine Gehaltserhöhung ausgezahlt oder mehr Arbeiter eingestellt. Aber jetzt, in dem Moment, da sie mehr Geld zur Verfügung haben, alles was sie tun, ist mehr mittlere Manager einzustellen. Wir hatten einen Personalchef, einen Boss, das war’s … jetzt zwei, drei vier, fünf, bald war da ein Dutzend Leute in Anzügen, die mit Clipboards herumgerannt sind auf der Suche nach etwas zu tun, und uns beim Arbeiten zugesehen haben. Warum waren diese Leute hier? Sie waren jedenfalls in keiner Weise nötig.“
So wie es manchmal kommt, du weißt ja, einer hat einen Cousin, der gerade von der Wirtschaftsuni kommt, jemand kennt wen… Diese Leute sind sehr großzügig, wenn es um ihresgleichen geht, während sie zugleich die Leute bescheißen, die dort arbeiten und etwas produzieren.

Buchcover von David Graebers "Bullshit Jobs"

Klett-Cotta

"Bullshit Jobs von David Graeber ist in der Übersetzung von Sebastian Vogel bei Klett-Cotta erschienen.

So ist das Ganze also ein Phänomen der Oberschicht und oberen Mittelschicht im Westen? Finden sich auch Bullshit Jobs in Indien, Brasilien oder in den Wohlfahrtsstaaten des europäischen Nordens? Entwickeln sich hier dieselben Strukturen wie in einer neoliberal organisierten Ökonomie wie der Amerikanischen?

Tatsächlich ja. Es stimmt, dass es in traditionellen, altmodischen, staatsnahen Ökonomien viele Bullshit Jobs im öffentlichen Sektor gab. Das ist heute nicht mehr so. Aber ich bekomme Post aus Indien, Ägypten, Brasilien – weniger aus China, aber das hat mit der chinesischen Informationskontrolle zu tun, wenn man wirklich mit Menschen aus China spricht, sagen sie, dass dies sehr wohl auch dort passiert. Mein ursprüngliches Essay wurde gerade auf Persisch übersetzt, offenbar gibt es auch ein Bullshit Job Problem im Iran, wer hätte das gedacht?
Wenn sie in ein sehr armes Land wie etwa den Sudan blicken, sind die Bullshit Jobs dort häufig im NGO-Sektor zu finden. Die bringen Entwicklungshilfeexperten daher, die sich in endlosen Arbeitsschritten gegenseitig überwachen, voneinander Geld erbetteln und so weiter – dort sind diese Leute der Bullshit-Sektor - und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eingeflogene Weiße handelt, die nach zwei Jahren wieder abreisen. Aber es gibt einen Sektor der diese umgibt, wo auch Menschen aus den Ländern arbeiten, und die auch schon etwas von dem annehmen.
Es gibt diesen Typen aus Ägypten, ein studierter Ingenieur, er und seine Leute kommen aus der Generation „Arab Spring“, sie dachten: „Wir verändern jetzt den Nahen Osten, wir machen daraus einen Ort an dem technologische Innovationen, neue Strukturen und Ideen entstehen“. Er bekommt einen Job bei einem sehr großen Unternehmen, und nach und nach findet er heraus, dass er im Grunde dafür angeheuert worden war, sich darum zu kümmern, wenn die Klimaanlage kaputt geht. Aber das haben sie ihm nicht sagen können. Sie konnten nicht sagen: „Du bist hier, wenn es ein Problem gibt, die restliche Zeit stehst du besser nicht den Leuten im Weg, sondern tust was dir gefällt" – das könnte in seinem Fall ja auch sein, dass er an irgendetwas bastelt oder erfindet und daraus irgendetwas sinnvolles entsteht. Stattdessen haben sie ihm all diese ausgefeilten Rituale beschert, es gibt Inspektionen, es gibt Übungen und Sitzungen, Formulare müssen ausgefüllt werden - nur weil sie den Gedanken nicht ertragen, dass jemand nur rumsitzt.

„Bullshit Ökonomie“? „Bullshit Wissenschaft“?

Viele Menschen in Bullshit Jobs sind sehr gut ausgebildet, haben etwa Sozialökonomie oder so etwas studiert. Würden sie sagen, dass die Universitäten Leute reif für Bullshit Jobs machen, oder ist es nur Zufall, dass diese Leute mit ihren Studien keine vernünftigen Jobs bekommen?

Es handelt sich im Großen und Ganzen eben um die Managerklasse. Nicht vollständig, es gibt auch Bullshit Jobs in anderen Sektoren, und es gilt nach wie vor: Mit einer Kombination aus einem „Shit Job“ - also keine Wertschätzung, kein Geld - und einem „Bullshit Job" – also nichts zu tun - bist du am Schlechtesten dran. Die gibt es auch. Die allermeisten aber sind Managementjobs, administrative Arbeiten, Schreibarbeiten, für die man schon ein gewisses Ausbildungsniveau benötigt.

Würden sie so weit gehen, die Wirtschaftswissenschaften als eine Art „Bullshit Wissenschaft“ zu bezeichnen?

Oh Ja! Wirtschaftswissenschaft, - hör dir das an: In den USA studieren derzeit mehr Menschen Betriebswirtschaft als alle sozialen Studien zusammen genommen. Und doch - und das ist schon sehr interessant - existiert eine Mehrheit unter jungen Amerikaner*innen, die sich als antikapitalistisch bezeichnen. Vielleicht hat zu viel Einblick in die Wirtschaftswissenschaften auch einen gegenteiligen Effekt.

Bullshit Jobs machen krank


In wie weit machen Bullshit Jobs krank? (Frage aus technischen Gründen nicht zu hören)


Es handelt sich um eine Art sozialer Krankheit. Zuerst einmal ist es völlig unnötig: warum machen wir Leute krank, wenn wir nicht müssen? Wenn sie ohnehin nichts zu tun haben, könnten sie auch zuhause bleiben und über Spinoza lesen. Oder Banjo-Spielen lernen. Oder irgendetwas tun, von dem sie womöglich nicht krank werden. Das sieht wie Verschwendung aus. Und es ist erstaunlich, wie arg das ist, wie schlimm die medizinischen und psychologischen Auswirkungen für Menschen sind, deren Arbeit sinnlos und nutzlos ist. Es wurde schon viel darüber geschrieben, dass, wenn Gesellschaften reich werden, auch ihre Depressionsraten steigen. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem 49% der Amerikaner*innen angeben, schon mindestens einmal im Leben mit einer psychischen Störung zu tun gehabt zu haben, die überwältige Mehrheit mit klinischer Depression.

Vielleicht sind wir ja nur sensibler geworden? Früher hätte man vielleicht zu Burn-Out Patienten gesagt, sie seien nur schwach oder alt.

Nun, wenn du die Literatur des Mittelalters liest - damals war die „Melancholie“ durchaus ein anerkannter Zustand und ein Problem, das vor allem Intellektuelle befiel. Worauf ich hinaus will: Als Erklärung muss meist die Konsumgesellschaft herhalten, konsumieren macht die Leute depressiv, weil alles worauf man sich freuen kann, hohl und bedeutungslos ist… Das mag stimmen, aber: Was ist Depression? Depression ist das Gefühl, dass alles, was du tust, sinnlos ist, dass Aktivität nichts bringt, Nichts einen Unterschied macht… Wenn du in einem solchen Job arbeitest ist das alles die Wahrheit. Wir schaffen eine objektive Situation, die dem Gefühl eines Depressiven entspricht.

Roboter übernehmen?

Du führst an, dass wir alle nicht so viel und lange arbeiten müssten, weil ein großer Teil unserer Arbeit schon jetzt von Maschinen erledigt wird. Gibt es nicht ein Zitat von Marx, in dem er prophezeit, dass am Ende alle Arbeit von Maschinen übernommen wird und der Mensch nur mehr spielt. Wie geht das?

Ja, im dritten Band des „Kapitals“, wenn er die Zone des Notwendigen verlässt. Wie Feministinnen aufgezeigt haben, hat er dabei anscheinend an einen großen Teil der Arbeit gar nicht gedacht, wie etwa Kindererziehung, von der wir etwa nicht wollen, dass sie von Maschinen erledigt wird. Es gibt bestimmte Arten von Jobs, die nicht von Maschinen übernommen werden können. Aber wenn du dir die Jobs der 1930er-Jahre anschaust, von denen gibt es gerade mal die Hälfte heute noch. Wie viele Leute arbeiten heute in der Landwirtschaft, wie viele haben in den dreißiger Jahren darin gearbeitet? Die Frage ist: warum arbeiten wir gleich hart wie in den dreißiger Jahren, wo es doch die halben Jobs nicht mehr gibt? Wir haben erfolgreich Scheinjobs geschaffen, weil wir es für wichtiger als irgendetwas sonst halten, dass alle arbeiten. Wieder ist die Standarderklärung „Konsumismus“, aber das erklärt diese Jobs nicht. Es geht nicht darum, dass man sich gegenseitig Sushi serviert oder die Haare schneidet. Hier geht es hauptsächlich um Administration, darum etwas in einen Computer zu tippen.
In diesem Sinn haben die Roboter einen großen Teil der Jobs übernommen. Die Frage ist: Können sie alle übernehmen? Ich würde sagen, dass wir angestrengt über eine andere Frage nachdenken sollten: Können sie alle übernehmen? Wenn es darum geht, dass ein Roboter einen Straßengraben aushebt, wird niemand damit ein Problem haben. Wenn es um Kinderbetreuung geht, wollen wir wohl eher, dass das Menschen tun.

Der Wert der Arbeit

Wir müssen unsere Definition von „Wert“ überdenken. Im 19. Jahrhundert hatten sich ziemlich alle auf die Arbeitswerttheorie geeinigt. Das ist ein erstaunliches Ergebnis meiner Forschung, wie sehr die Leute sich damals einig waren, dass aller Wert von der Arbeit kommt, dass das Kapital von der Arbeit kommt und so weiter. Wenn im 19. Jahrhundert von „Wertschöpfer“ die Rede war, meinte jeder „Arbeiter“, wenn heute davon die Rede ist, meinen alle „Kapitalist“. Hier haben die Kapitalisten uns erfolgreich reingelegt, nicht wahr? Wie haben sie das so gut hingekriegt? Es gibt einen Fehler in unserer Konzeption von „Wert“. Als die Arbeitswerttheorie populär war, meinten die Leute damit die „Produktion“. Mir ist schon immer aufgefallen, dass, wenn Marxist*innen die Arbeitswerttheorie erklären, sie oft das Beispiel einer Tasse oder eines Glases nehmen und fragen: Wieviel Arbeitskraft steckt in der Produktion des Glases? Niemals ist die Rede von der Arbeitskraft, die darin steckt, das Glas jeden Tag zu waschen. Das Glas wird nur einmal hergestellt, aber tausendmal gewaschen. Die meiste Arbeit besteht nicht darin, Dinge herzustellen, sondern sie instand zu halten. Und darin, sich um einander zu kümmern, um all die Pflanzen, Tiere, die Umwelt und so weiter.
Während eines U-Bahn-Streiks war ich einmal sehr beeindruckt: Es gab einen Streik der U-Bahnbeschäftigten und die Leute sagten „das sind nur Ticketverkäufer, wir schließen die Ticketschalter, wer braucht die, das können Maschinen auch“. Daraufhin hat die Gewerkschaft geantwortet: „Okay, lasst uns leere U-Bahn-Stationen errichten, wo niemand ist, aber lasst uns hoffen, dass dein Kind nicht verloren geht, dass du nicht etwas verlierst, dass dir kein Betrunkener nachstellt“. Sie hatten fünfzig Szenarien, in denen du in der U-Bahn gerne jemanden um dich hast.
Das alles sind Dinge, die einem nicht auffallen, aber das ist es, was die Menschen der Arbeiterklasse täglich tun. Das ist es, was Feminist*innen „Caring Labor“, Betreuungsarbeit nennen. Ich denke wir sollten unsere Werttheorie von dieser Betreuungsarbeit ausgehend ändern. Sogar wenn man ein Auto produziert, kümmert man sich, dass jemand von A nach B gelangen kann – jede Arbeit ist letztlich „Caring“, in dem Sinn, dass man Wert für andere Menschen schafft. Und das haben die Leute im Hinterkopf, wesn sie behaupten, ihr Job sei „sinnlos“: Er trägt nichts dazu bei, dass irgendwer etwas davon hat oder irgendjemandes Leben davon besser wird. Kein „caring“ um irgendjemanden, kein „caring“ um die Welt. Wir müssen neu anfangen, den Wert der Arbeit neu bemessen, damit beginnen, darüber nachzudenken, welche Jobs diese Art von Wert erschaffen. Niemand will, dass Roboter die Kinder aufziehen oder uns vor Stalkern beschützen - möglicherweise würden sie diese Dinge auf eine Weise lösen, die uns gar nicht recht wären.

Grundeinkommen

Roboter erschaffen einen Mehrwert, der niemals zur Gesellschaft zurückkommt. Wenn wir Geld brauchen um etwa Krankenschwestern zu bezahlen, steht das Geld dann nicht zur Verfügung, weil die Roboterbesitzer alles haben…

… und die Roboterbesitzer lieber Verwaltungspersonal einstellen, das so viel Papierkram erfindet, dass die Krankenschwestern gar keine Zeit haben sich um dich zu kümmern, ich weiß.

Ich denke das bringt uns zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE), das diese Argumentation abschließt – wenn wir das hätten, bräuchte niemand in einem „Bullshit Job“ arbeiten und alle könnten Spinoza lesen...

…oder sich um einander kümmern...

:..aber würde das funktionieren, ohne das Vermögen der Vermögenden? Ohne eine „revolutionäre“ Situation?

Das ist eine interessante Frage. Ich sage mal: Es ist einen Versuch wert, wenn es nicht funktioniert werden wir eine Revolution brauchen. Als Übergangsforderung ist es sehr geeignet. Wir müssen uns nur eine Art überlegen, wie wir am besten formulieren können. Es geht nicht darum, dass der Staat allen Fürsorge gewährt. „Wert“ wird auf eine Art erzeugt, die nicht gewürdigt wird. Schon jetzt ist 50% der Arbeit unbezahlt. Und es handelt sich um die Arbeit, die alle andere Arbeit erst ermöglicht, weil sie die Arbeitskraft reproduziert. Und: denk an Dinge wie Sprache - wer hat sich die ausgedacht? Ohne die wären wir nicht weit gekommen, und jeder denkt sich die täglich aus. All die Dinge, die die Basis von dem darstellen, auf die Vermögen überhaupt fußt, sind grundsätzlich unbezahlt. Man könnte es so formulieren, dass man die Leute dafür bezahlt.
Zweitens, was das Grundeinkommen betrifft: Wir müssen den Lebensunterhalt von der Arbeit entkoppeln. Ich nenne das Freiheit. Ökonomische Freiheit. Wir haben uns erfolgreich selbst davon überzeugt, dass ökonomische Freiheit bedeutet, man habe das Recht, sich selbst als Sklave zu vermieten, wie es einem beliebt. Ich meine, das soll Freiheit sein? Das ist das Gegenteil von Freiheit. Wäre Aristoteles hier, würde er uns sämtlich als Sklaven bezeichnen. Er würde keinen Unterschied erkennen, ob wir uns vermieten oder verkaufen. Echte ökonomische Freiheit bedeutet, dass du entscheiden kannst, auf welche Art du einen Beitrag zur Welt leiten möchtest, ohne sich um dein Essen sorgen zu müssen.

Geld

Wie geht das? Sagen wir, sie sind jetzt König… König David…

Zuerst müssen wir den Leuten erklären, woher das Geld herkommt. Das ist ein großes Geheimnis, das wir nicht kennen dürfen. Jeder denkt, Geld sei etwas, was da ist, etwa so wie Petroleum, von dem es nur so und so viel gibt, und wenn wir es aufbrauchen, hat ein anderer weniger davon. In Wahrheit wird Geld von Banken erzeugt, es entsteht aus dem Verleihen, es ist ein Kreditsystem. Derzeit drucken sie gerade Geld wie verrückt. „Quantitative Lockerung“, woher stammt das Geld für die „Quantitative Lockerung“? Sie haben es sich einfach ausgedacht!
Wir drucken dauernd Geld. Sie tun das. Aber sie wollen es uns nur nicht sagen. Wo ist die Billiarde hergekommen, die sie für die Bankenrettung 2008 gebraucht haben? Sie tippen was in den Computer – whoop - schon ist Geld da. Das machen die die ganze Zeit. Wir müssen also die Menschen darüber aufklären, dass sie fortwährend getäuscht werden, wenn es um die Natur der Ökonomie geht.
Sie sagen uns: „Die Regierung ist wie ein Haushalt. Wenn wir zu viel aufnehmen, müssen es unsere Enkelkinder zurückzahlen, es muss zurückgezahlt werden. Das ist absurd. In Wahrheit sind umso weniger Menschen verschuldet, je mehr die Regierung verschuldet ist. Je mehr die Regierung spart, umso mehr muss sich jeder privat verschulden. Das nennt sich „Buchhaltungsidentität“ (accounting identity) – das ist das letzte, von dem sie wollen, dass du es weißt.
Es ist also nicht so schwer, einen Weg zu finden, es (das BGE) zu finanzieren, solange man den Leuten erklärt, dass man das Geld nicht einer Person wegnehmen muss, damit es eine andere bekommt. Geld ist nur ein Versprechen, das wir uns geben, das ist alles. In einer Demokratie bedeutet das, dass alle ihre Ansichten einbringen können, welche Versprechen das sind. Und wenn die Versprechen neu verhandelt werden sollen, werden das Menschen, die sich gegenseitig respektieren, auch so tun.

Nervige Straßenmusiker?

Zurück zu den Bullshit Jobbern – viele haben es ja nicht ausgehalten und haben‘s gelassen, um etwas Sinnvolles zu tun …

Drei verschiedene Menschen haben mir geschrieben, dass ihr Bürojob so sinnlos ist, dass sie ihn jetzt aufgeben, um zu putzen, und sie seinen jetzt viel glücklicher.

…nun gibt es aber Leute, die sagen: „OK wir haben jetzt das Grundeinkommen für alle, niemand hat eine vernünftige Aufgabe – warum sollen jetzt alle plötzlich Spinoza lesen oder neue Shakespeares werden, sie könnten auch kriminell werden…

Oh nein! OK, hier ist meine Antwort auf das. Es gibt im Wesentlichen zwei Argumente, die die Leute haben. Erstens. Viele Leute werden nichts tun. Zweitens: Die Leute werden Dinge tun, die nur sie für sinnvoll halten und alle anderen nicht, und ihre Zeit mit völlig Sinnlosem verschwenden.
Ersteres ist leicht zu widerlegen. Die Leute in den Bullshit Jobs tun sowieso jetzt schon nichts anderes als Cat memes herstellen, den Facebook Account befüllen, im Internet surfen, Computer spielen – sie sind armselig und bemitleidenswert. Diese Leute, die dafür bezahlt werden, nichts zu tun und damit so unglücklich sind, wollen etwas tun. 6% sagen, dass sie ihren Bullshit Job mögen. Dafür gibt es verschiedenste Gründe, vielleicht hassen sie ihre Familien

...oder auch Weihnachten...

Genau… viele Gründe. Die meisten Menschen sind mit dieser Situation unglücklich, sie wollen etwas mit ihrem Leben anfangen. Niemand macht einen solchen Job, bei dem man so tut, als würde man etwas tun, aus einem anderen Grund als Geld.

Das zweite Argument ist etwas kniffliger. Die Leute sagen: Woher weißt du dass diese Leute nicht kriminell werden? Das könnten sie wohl tun, aber das steht auf einem andern Blatt. Dieser Gedanke ist schon faszinierend, es handelt sich um eine Art internalisierten Autoritarismus. Viele sehr liberale Leute sagen mir: „Wenn du die Arbeitszeit massiv verkürzt, wird die Kriminalitätsrate nach oben gehen, werden die Drogenfälle mehr", worauf ich immer antworte: „Wieso sperren wir die Leute nicht für acht Stunden am Tag ins Gefängnis, das senkt die Kriminalitätsrate sicher auch … du glaubst wohl nicht wirklich an Freiheit, oder?“

Sei es wie’s sei. Das Argument ist: Woher weißt du, dass die Leute nicht sämtlich etwas Blödes machen und dann ist die Welt voll mit nervigen Straßenmusiker*innen, schlechten Poet*innen, oder Typen, die die Hohlwelttheorie beweisen wollen, oder ein Gerät zum Beamen erfinden oder das Perpetuum Mobile, oder so was. Nun, bis zu einem gewissen Grad wird das passieren. Was aber auch stimmt, ist, dass derzeit 37% der Leute sagen, dass ihr Job sinnlos ist. Es ist nur schwer vorzustellen, dass, wenn du allen Menschen erklärst, sie können sich aussuchen, welche Art sie für geeignet halten, einen Beitrag zur Welt zu leisten, dabei eine schlechtere und ineffizientere Arbeitsteilung heraus kommt, als wir sie jetzt schon haben. Doch selbst wenn der verrückte Fall eintritt, dass 37% der Menschen sich dafür entscheiden, etwas zu tun, das für alle andern Leute Blödsinn ist – sie wären zumindest um Einiges Glücklicher. Also hätten wir zumindest eine glücklichere Population ohne Produktivitätsverlust. Und was, wenn einige von ihnen ja wirklich großartige Musiker*Innen wäre? Was, wenn ein oder zwei John Lennons oder Miles Davisse rauskommen, oder ein/zwei neue Shakespeares? Geschweige denn, wenn einer wirklich das Gerät zum Beamen erfindet. Du brauchst einen oder zwei solcher Typen und hast sogar dein Geld zurückbekommen.

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