FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Film-Szenenbild aus "Bad Times at the El Royale"

Twentieth Century Fox Film Corporation

Hotel zur Hölle

„Bad Times at the El Royale“ wird seinem Titel glücklicherweise nicht gerecht: Der starbesetzte Neo-Noir-Thriller beschert Genrefans eine ziemlich gute Zeit.

Von Christian Fuchs

Willkommen im El Royale Hotel: Was früher ein echter Hot Spot an der exakten Grenze von Nevada und Kalifornien war, ist Jahre später ein verlassener Schuppen mit abgeblättertem Vintage-Charme. Am Empfang arbeitet ein zittriger junger Concierge mit Drogenproblemen, der Gäste gar nicht mehr gewohnt ist. Als an einem Tag gleich ein halbes Dutzend seltsamer Figuren eintrudelt, ist die Überraschung für den nervösen Burschen groß.

Schnell wird klar, dass die Fremden, darunter ein reisender Verkäufer, ein alter Priester, eine aufstrebende Soulsängerin, allesamt etwas zu verbergen scheinen. Während draußen ein Unwetter aufzieht und die Nacht heranbricht, enthüllen sich im El Royale dunkle Geheimnisse. Whiskygläser werden befüllt, Messer gezückt, Waffen geladen, nicht alle dürften das Hotel lebendig verlassen.

Szene aus dem Film "Bad Times at the El Royale"

Twentieth Century Fox Film Corporation

Mehr als ein Post-Tarantino-Mashup

Moment mal, geht es hier um einen Film aus den Mitt-90ern? Ein sleazy Schauplatz, ein Ensemble voller zwielichtiger Typen, eine Story, die sich Zeitsprünge erlaubt und voller Filmzitate steckt, ein Soundtrack schließlich, der mit Retro-Popsongs gespickt ist: Hat da jemand den Namen Quentin Tarantino erwähnt? Auf den ersten Blick wirkt „Bad Times at the El Royale“ tatsächlich wie ein Flashback an eine Filmära, in der kunstvoll konstruierte Thriller wie „Pulp Fiction“ trendy waren.

Aber dieser Film ist mehr als ein Post-Tarantino-Mashup, das Dekaden zu spät kommt. Regisseur und Autor Drew Goddard hat einen ganz eigenen, ebenso selbstreflexiven Stil. Neben Drehbüchern für die TV-Serie „Lost“ oder für Filme wie „Cloverfield“, „The Martian“ und „World War Z“ drehte der Texaner vor allem eine der cleversten Verbeugungen vor dem Horrorgenre. „The Cabin in the Woods“, der in Zusammenarbeit mit dem gefeierten Joss Whedon entstanden, ist ein verschachtelter Meta-Schocker, der Gänsehaut-Klischees dekonstruiert und gleichzeitig abfeiert. Dabei lässt der geniale Film auch in klaffende politische Abgründe blicken.

In „Bad Times at the El Royale“ schnappt sich Drew Goddard nun das von ihm hochverehrte Noir-Genre und taucht dabei erneut in die Untiefen der amerikanischen Psyche hinab. Angesiedelt in einem diffusen Zeitraum zwischen den 60er und 70er Jahren steht jeder Charakter, der durch das höllische Hotel geistert, für ein nationales Trauma. Rassismus und Sexismus sind genauso ein Thema wie der Vietnamkrieg, mörderische Hippiesekten oder die Überwachungsdiktatur des FBI.

Szene aus dem Film "Bad Times at the El Royale"

Twentieth Century Fox Film Corporation

Exzellente Darsteller spielen mit Noir-Stereotypen

Dabei fällt einem zwar erneut Mr. Tarantino ein, der in seinem kommenden Film „Once Upon a Time in Hollywood“ ebenfalls den brisanten Zeitgeist des Schlüsseljahrs 1969 einfangen will. Aber wenn man bedenkt, dass damals der American Dream gestorben ist und seither nicht mehr erfolgreich reanimiert wurde, dann verträgt diese Problematik wohl mehrere filmische Ansätze.

Wer jetzt einen Streifen voller tonnenschwerer Botschaften erwartet, könnte aber nicht falscher liegen. Neben den unglaublichen Schauwerten, die das schön-schäbige Setup bietet und den himmlischen Songs aus der Hotel-Jukebox ist es ein großer Spaß, den exzellenten Darstellern beim Spiel mit Noir-Stereotypen zuzusehen.

Während man sich Jeff Bridges als falschen Prediger auch in einem Epos der Coen-Brüder vorstellen könnte und Jon Hamm eine besonders schmierige Don-Draper-Variante liefert, überrascht Chris „Thor“ Hemsworth als feschere Version von Charles Manson. Dakota Johnson, die demnächst auch im „Suspiria“-Remake brilliert, lässt einen als Hippie-Femme-Fatale endgültig ihre schrottigen „50 Shades“-Filme vergessen. Vor allem begeistern aber die Newcomer: Die Britin Cynthia Erivo reißt als Girl-Group-Sängerin den Film auch stimmlich an sich, Lewis Pullman, Sohn des legendären Bill P., lässt als tragischer Concierge zukünftiges Hollywood-Starpotential aufflackern.

Filmplakat "Bad Times at the El Royale"

Twentieth Century Fox Film Corporation

„Bad Times at the El Royale“ ist kein perfekter Film, manchmal lässt sich Drew Goddard einfach ein bisschen zuviel Zeit und stellt auch die Geduld eingefleischter Noir-Liebhaber auf die Probe. Aber ein Abend in diesem Hotel zahlt sich in jedem Fall aus. Der Schreiber dieser Zeilen konnte sich schon einfach an all den traumhaften Neonschildern, Lobby-Einrichtungen, Frisuren und rotierenden Vinyl-Schallplatten nicht sattsehen. Toll in jedem Fall, dass solche ambitionierten Thriller im kommerziellen Kino der Gegenwart noch einen Platz haben.

mehr Film:

Aktuell: