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Filmstill "The Gaze" von Farnoosh Samadi

Farnoosh Samadi (The Three Gardens Film / Taat Films)

Das Linz International Short Film Festival feiert Premiere

Von Lametta, verbrannter Sauce und „Trumpformers“: Geschichten verdichtet auf maximal 30 Minuten gibt es beim ersten internationalen Kurzfilmfestival in Linz zu sehen. Ins Moviemento Kino kommen Filme von Einreichungen aus über 70 Ländern.

Von Lina Simon

Blicke im Bus

Draußen ist es finster, der Bus rauscht ruhig vor sich hin. Während der Fahrt beobachtet eine Frau Unrechtes. Ihr Blick wiegt schwer, sie sagt etwas, es gibt Konsequenzen. „Gaze (نگاه)“ ist stiller Suspense, ein intelligenter Thriller über Zivilcourage, Gender- und Klassenfragen im Iran, gedreht von der jungen persischen Filmemacherin Farnoosh Samadi. Der Iran schickt den Kurzfilm ins Rennen für die nächsten Oscars. Inzwischen eröffnet er heute die erste Ausgabe des Linz International Short Film Festivals.

Filmstill "The Gaze" von Farnoosh Samadi

Farnoosh Samadi (The Three Gardens Film / Taat Films)

Das Linz International Short Film Festival findet ab heute Donnerstag, 11.10. bis Sonntag, 14.10. im Beisein zahlreicher internationaler Filmschaffender rund um das Moviemento Kino statt.

Die Festivalpässe gelten für alle Screenings und Gespräche, Workshops und die Nightline.

Farhadi Glamour

Festivalgründer*innen Parisa Ghasemi und Ashkan Nematian, beide ursprünglich aus Teheran, setzen im Startjahr einen Schwerpunkt zum iranischen Kino. Und das mit einem durchaus Oscar-verzierten Rahmenprogramm. So ist die Regisseurin des Eröffnungsfilms Farnoosh Samadi nicht nur Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, sondern auch Teil der Linzer Jury um die besten Filme und gibt einen Workshop. Hayedeh Safiyari, verantwortlich etwa für den Schnitt des Oscar-prämierten Films „The Salesman“ unterrichtet eine Master Class. Und der zweifache Oscar Preisträger Asghar Farhadi selbst, der zuletzt mit Penélope Cruz zusammengearbeitet hat, lädt die Macher*innen des besten Festivalfilms zum Workshop nach Teheran.

Am Anfang steht der Kurzfilm

Während der Glamour am Horizont leuchtet, stehen die meisten der Filmschaffenden, deren Arbeiten beim Linz International Short Film Festival gezeigt werden, noch ganz am Anfang ihrer Karriere. Gerade das Format Kurzfilm spielt da eine wichtige Rolle. „Jede*r fangt irgendwo an und bei Film ist das Kurzfilm - normalerweise,“ so die Festivalgründer*innen. Sie studieren selbst an der Kunstuni Linz und drehen ihre eigenen Filme, kennen die langen Tage und Nächte, die jede Minute Bewegtbild bedeutet. „Wir sind in Kontakt mit vielen jungen Filmemacher*innen in Linz, hier gibt es viel Motivation und Potential. Mit dem Festival wollen wir junge, talentierte Filmschaffende unterstützen, damit sie sich vernetzen, ihre Arbeiten präsentieren, und sich auf einem internationalen Niveau vergleichen können.“

Filme aus über 70 Ländern wurden für das Linz International Short Film Festival eingeschickt. Wettbewerbseinreichungen aus oft unterrepräsentierten Regionen waren kostenlos, um Filme von und über Menschen aus möglichst vielen kulturellen Kontexten den Weg nach Linz zu ermöglichen. Dabei sind die Themen oft wiederkehrend – immer wieder geht es um Einsamkeit oder Generationenkonflikte, Migration und Flucht, Frauen-Gleichstellung oder Geschlechtsidentität.

Filmstill "Sunken Plum" von Xu Xiaoxi und Roberto F. Canuto

Xu Xiaoxi / Roberto F. Canuto (Almost Red Productions / Laboral Cinemateca)

Gender Bending Shorts

Zwischen Lametta und Totenbett erzählt die chinesisch-spanische Produktion „Sunken Plum (沉李)“ von Roberto F. Canuto und Xu Xiaoxi, die unter anderem beim Raindance Festival vertreten war, von der Rückkehr einer Transgender Person in ihr Heimatdorf in Sichuan. Ihre Identität als Frau kann sie dort nicht offen leben. Nach 19 Minuten und einem verregneten Grau heißt es in pinken Lettern: „Dedicated to the trans community of China, a marginalized society that fights a daily battle to defend its dignity.“

Der Gender Bending Short „Calamity“ von Séverine De Streyker und Maxime Feyers ist in Belgien entstanden. Bei einem feinen Soundtrack eingesungen vom mysteriösen Nicolas Ly trifft eine Mutter zum ersten Mal auf die Freundin ihres Sohnes, die nicht ganz ihren Erwartungen entspricht. Am Esstisch wird ein durchaus humorvolles Drama serviert, dazu verbrannte Sauce von der Mama. Der Vater verschwindet in der Gefriertruhe und sucht verzweifelt nach einem Eis am Stiel.

„Schlag zurück!“

Das gesamte Programm des ersten Linz International Short Film Festivals gibt es hier als App.

Um die Frage nach Maskulinität kreist auch der griechische Coming-of-Age Kurzfilm „Torpor (Νάρκη)“ von Dimitris Tsalapatis. Alexandros schlafwandelt in der Nacht, am Tag hängt er kampflos wie der Sack in seinem Boxkurs von der Decke. Den einhämmernden gesellschaftlichen Vorstellungen kann er nicht entsprechen, Schläge nicht erwidern. Ein archetypischer Vater-Sohn Konflikt steht hier im Mittelpunkt einer rohen, homo- und xenophoben Umgebung.

Quetzalcoatl vs. Gringo

Der Angst vor dem Fremden begegnet der Film „M.A.M.O.N. (Monitor Against Mexicans Over Nationwide)“ in Form einer Comedy. Regisseur Alejandro Damiani aus Uruguay lässt sterotypisch überzeichnete Latinx vom Himmel regnen. Aus den USA hinausgeworfen landen sie auf der anderen Seite von Trumps Mauer, wo sie unter Verweis auf Blockbuster wie „Independence Day“, „Desperado“ oder „Transformers“ mit einem göttlichen Kampfhuhn gegen eine Art „Trumpformer“ antreten. Das dazugehörige Filmposter ist bestückt mit beeindruckenden Plaketten der Aufschrift „Think BIG“, „Cinema is gonna be GREAT AGAIN“, „It’s gonna be HUGE“. Der Kampf währt nicht lange, mit einer Dauer von weniger als fünf Minuten ist der Film „M.A.M.O.N.“ einer der kürzesten, die beim Linz International Short Film Festival zu sehen sind.

Filmstill "M.A.M.O.N." von Alejandro Damiani

Alejandro Damiani (Aparato)

114 Filme in 4 Tagen

Insgesamt zeigt das Festival über 100 Kurzfilme in den Sparten Fiction Film, Dokumentation, Animation und Experimental. Screenings gibt es im klassischen Kinosaal des Moviemento, sowie als Keller-Coolness im „Unten“, den Räumen unter dem OK, die zuletzt als interdisziplinärer Club genutzt wurden.

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