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Sigrid Maurer im Gerichtssaal

APA/HANS PUNZ

„Solche obszönen Meldungen passen nirgends in die Gesetze hinein“

Die Ex-Grünen-Politikerin Sigrid Maurer ist am Dienstag wegen übler Nachrede schuldig gesprochen worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, trotzdem wirft es Fragen auf. Die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig im Interview darüber, was von diesem Urteil bleibt.

Von Natalie Brunner

Die ehemalige Abgeordnete der Grünen, Sigrid Maurer, hatte sexuelle Belästigungen auf Facebook öffentlich gemacht und Beschuldigungen erhoben. Nun wurde sie (nicht rechtskräftig) schuldig gesprochen. Welche Möglichkeiten gibt es, sich gegen Belästigungen via Direktnachrichten in sozialen Medien zu wehren? Eigentlich nicht viele, meint Ingrid Brodnig. „Hass im Netz“ ist der Titel eines der Bücher der Journalistin und Autorin, die im Interview mit Natalie Brunner zum umstrittenen Urteil gegen Sigrid Maurer Stellung nimmt.

Was kann man von diesem Urteil ableiten?

Man muss sagen, das war erst die erste Instanz und wird auch noch angefochten. Das heißt, wir werden in zweiter Instanz erfahren, ob das hält, vielleicht ist es dann auch anders, das kann passieren. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir die fehlenden Wehrmöglichkeiten für Frauen. Wenn ich in einer privaten Nachricht auf Facebook oder in einer privaten E-Mail übelst niedergemacht werde, dann falle ich in so eine Lücke. Weil ich es oft nicht als Beleidigung anzeigen kann, weil es nicht vor einem Publikum passierte und weil es auch nicht so gefährlich ist, dass es schon eine gefährliche Drohung ist. Da könnte ich auch was machen.

Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig bei einem Event

APA/HANS PUNZ

„Hass im Netz“ ist der Titel eines der Bücher von Ingrid Brodnig. Bei uns hat sie im Interview über Wehrmöglichkeiten bei sexueller Belästigung im Netz gesprochen.

Das heißt, diese obszönen Meldungen, die passen nirgends in die Gesetze hinein. Da ist das Problem, ich kann es nicht leicht anzeigen. Es gibt ein paar Ausnahmen, aber es ist schwierig. Und gleichzeitig: Wenn ich mich zu Wehr setze, laufe ich Gefahr, geklagt zu werden. Wenn ich den Namen des Übeltäters mit poste, kann es sein, dass ich selbst dafür geklagt werde.

Wie kann ich mich richtig, also gesetzeskonform gegen sexistische Postings wehren?

Mein Tipp: Alles dokumentieren. Vielleicht ist etwas doch so grob, dass es gefährliche Drohung wird. Und vielleicht anonym darüber reden. Aber nicht schweigen. Ich glaube, das Schlimmste ist, wenn wir nicht darüber reden, was Frauen erleben.

Manchmal erfolgen diese Drohungen, diese Anfeindungen und diese sexuelle Übergriffigkeiten, ja auch systematisch. Sie sind dann nicht einmalig, sondern die kommen immer und immer wieder. Inwiefern unterscheidet sich das dann von Stalking?

Es ist so, es gibt eine gute Nachricht. Wenn ich als Frau vom selben User über Wochen oder sogar Monate hinweg systematisch fertig gemacht werde, habe ich die Chance, dass ich vielleicht in einen Cybermobbing-Paragraphen hineinfalle. Das kann ich dann anzeigen, da gibt es einen größeren Schutz.

Aber das Problem ist, da muss ich als Frau einmal Wochen und Monate warten. Und es ist nicht Cybermobbing, wenn es zehn unterschiedliche Typen sind. Das muss von einer Person kommen. Wir erleben aber, dass sichtbare Frauen oft von vielen angefeindet werden.

Heißt das, eine Person ist gleich ein Account?

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich nachweisen kann, dass die selbe Person hinter fünf Accounts steht, dann kann ich das auch als Cybermobbing anzeigen. In vielen Fällen werde ich es aber nicht nachweisen können oder gar nicht wissen.

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Das ganze Interview mit Ingrid Brodnig gibt’s im FM4 Interviewpodcast.

Es ist also bis jetzt so, dass man als Frau, wenn man Opfer von solchen Angriffen wird, quasi in der Beweisschuld steht. Man muss nachweisen, dass das tatsächlich passiert ist und erhält nicht besonders viel Unterstützung von Seiten der GesetzgeberIn, sich solchen Übergriffen entziehen zu können.

Genau. Man merkt einfach an unseren Gesetzen, dass die nicht für dieses Szenario geschrieben worden sind. Und ich glaube, das ist die große Herausforderung. Es heißt auch derzeit vom Justizministerium, es soll keine Anlassgesetzgebung geben. Das ist aber kein Anlassfall. Das ist ein systematisches Problem. Was wir brauchen ist, dass alle bestehenden Gesetze daraufhin abgeklopft werden, ob sie genug Schutz geben. Das betrifft nicht nur Sigrid Maurer, das betrifft viele Frauen, dass wir zu wenige Wehrmöglichkeiten haben auf juristischer Ebene.

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