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Spex

Das Spex gibt auf!

Das Ende des legendären Magazins für Popkultur

Von Martin Pieper

Nach 38 Jahren wird die Popkultur-Zeitschrift Spex mit Ende des Jahres eingestellt. Bis dahin sollen noch zwei allerletzte Ausgaben erscheinen. Das hat die Spex-Redaktion heute bekanntgegeben. Der Abschied fällt lesbar schwer, soviel hätten die aktuell schreibenden Mitarbeiterinnen noch zu sagen gehabt. Die Gründe für das Ende lesen sich ähnlich wie bei anderen Opfern der Krise des Magazin-Journalismus, die in den letzten Jahren von uns gegangen sind: Man denk unter anderem an De:Bug, Intro oder Neon. Der ewige Refrain lautete ungefähr so: sinkende Auflagen, sinkende Werbeeinnahmen, sinkende Bedeutung, bis zum fade out.

Jammerschade ist das, und nicht nur aus nostalgischen Gründen. Immerhin verstummt hier eine weitere Stimme, die sich durchaus kritisch und „in deep“ mit popkulturellen Phänomenen auseinandergesetzt hat.

Die Spex, in Österreich auch gerne das Spex, wurde 1980 am Höhepunkt von (Post)Punk- und New Wave in Köln gegründet. Als selbstverwaltetes Kollektiv, zu Beginn noch bewusst dilettantisches Fanzine, allerdings immer schon gedruckt und nicht kopiert, im Laufe der Jahre dann immer bunter, selbstsicherer und einflussreicher. Autorinnen wie Dietrich Diederichsen, Clara Drechsler, Jutta Koether oder Olaf Dante Marx, um nur einige zu nennen, haben bin Ende der 80er Jahre einen bis dahin ungehörten Ton in der Popberichterstattung erfunden. Halbverdaute Kulturtheorie, linke Politik, Punk und Pop wurden in deutscher Sprache zusammengedacht wie noch nie zuvor.

Mit den Vorbildern aus den USA und England (der NME der 80er Jahre!) im Kopf wurde mit dem heißem Atem der Gegenwart der neueste Scheiß aus Undergroundistan mit entsprechend dogmatisch formulierten Meinungen zu eigentlich allem (von Madonna bis Einstürzende Neubauten, Jeff Koons bis Jean Luc Godard) in die Schreibmaschinen der Kölner Redaktion gehackt. Von vielen wurde Spex für die Anmaßung gehasst, Popkultur mit so viel Bedeutung auf zu munitionieren, dass der eigentliche Untersuchungsgegenstand – eventuell „nur“ eine Single von Womack & Womack – darunter fast schon zu leiden hatte. Auf der anderen Seite entstand über die 80er-Jahre eine fanatische Leserinnenschaft, die jede neue Ausgabe mit pochendem Herzen vom Bahnhofskiosk – das Spex war nicht so ganz leicht zu bekommen – geholt wurde, um anschließend von der ersten bis zur letzten Zeile verschlungen zu werden. Der brillentragende Akademikernachwuchs mit der Spex unter dem Arm wurde irgendwann selbst zum Klischee, das Magazin, zwar auflagentechnisch stets weit hinter den Branchengrößen Musikexpress/Sounds oder Metal-Hammer, war über Jahre einer der großen Influencer.

Das so etwas nicht ewig gut gehen kann, ist klar. Spätestens mit der Wiedervereinigung Deutschlands haben sich die Parameter für Spex verschoben. Statt deutscher Indie-Mucke wurde Techno groß, größer, Loveparade. Berlin stieg aus den düsteren Indie-80er Jahren zur schillernd treibenden Kulturhauptstadt auf. Die Redaktion übersiedelte schließlich auch nach Berlin, mit neuem Verlagshaus inklusive. Verschiedenste Chefredakteure kamen, gingen und hinterließen mehr oder weniger tiefe Spuren.

Bis zuletzt ist Spex ein verlässlicher Richtungsgeber in Sachen Popkultur gewesen, auch wenn die Dringlichkeiten in Zeiten von, ja eh, Internet und so stark nachgelassen hat. Die Versuche sich mal mehr in Richtung Kunst und Film, Politik oder Cultural Studies zu orientieren, waren nicht immer überzeugend. Dass sich das Heft in den letzten Jahren vermehrt zu einem diverseren, auch weiblicheren Popzugang bekannt hat, war folgerichtig, hat aber an dem Grundproblem, ein professionell gemachtes Magazin zu finanzieren, nichts ändern können. Wir haben jetzt alle noch zwei Hefte lang Zeit, uns eine aktuelle Ausgabe der Spex zu besorgen. Danach können wir nur noch in den Archiven blättern. (Liebe Spexlerinnen, wie wäre es mit einem Online-Archiv aller Ausgaben?)

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