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Matthew Dear

Will Calcutt

„A fading stamp on the passport of a time traveler“

Wenn ich nicht schon seit Jahren Fan von Matthew Dears Musik wäre, dann wäre ich es jetzt, nachdem ich mit dem Mann gesprochen habe, auch ohne jemals einen Ton gehört zu haben.

Von Natalie Brunner

Matthew Dear ist seit über 20 Jahren Producer, Musiker, DJ und Popstar für Menschen mit differenziertem Musikgeschmack. 1999 war seine erste Veröffentlichung. Matthew Dear kümmert sich recht wenig um Hypes, Veröffentlichungszyklen und Blogpräsenz, weil er weiß, sein Publikum ist da und wartet auf eine neue Platte - so wie man auf den neuen Roman der Lieblingsschriftstellerin wartet.

Präzision im Ausdruck

Matthew Dear ist einer der klügsten und freundlichsten Geister, die jemals zu mir gesprochen haben. In meinem persönlichen Pantheon steht Matthew Dear neben Schriftsteller David Foster Wallace. Das, was sie für mich verbindet, ist, dass sie beide um eine Präzision im Ausdruck kämpfen, Gemeinplätze in ihren Werken vermeiden und wollen dass das, was sie zu sagen haben, ankommt - will heißen, dass Worte in Kontexten viel mehr bedeuten als alleine stehend, aber dass ihr Werk dennoch Platz für die Hörerinnen und Leserinnen lässt.

Matthew Dear veröffentlicht mit seinem Label Ghostly International seit zwei Dekaden seine Musik und die von verwandten Geistern. Obwohl sich, wie er sagt, in diesen 20 Jahren die Art, wie wir über Musik sprechen, mehrmals geändert hat, hat er in dieser Zeit eines gelernt: Menschen wollen Geschichten zur Musik. Eine Industrie lebt davon, Geschichten zu fabrizieren. Und wenn er sich, sobald ein Album fertig ist, hinsetzt und einen Brief dazu schreibt, seine Songs erklärt so wie er sie einer Freundin erklären würde, dann räumt das sehr viele Missverständnisse und manchmal auch groben Blödsinn im Vorhinein aus.

Ein Brief über das Album

Anstatt des Abschreibens von Abschreibern in der Gerüchteküche Internet werden seine Worte so direkt mitgeliefert, und eine Klarheit bleibt erhalten. Deshalb seien auch euch die Worte von Matthew Dear’s Brief hiermit übermittelt:

Some bands have retired and come back in the amount of time since my last album. Hell, I’ve even played a part in making two more humans since Beams. But hey old man, why aren’t I rested? Why’s your boy so damn tired? Where’s the music? Did I finally succumb to the burn out you always warned me of? Well, I DJ’d a lot, put out an Audion album, and submitted a DJ Kicks mix to some time capsule confused aliens will crack open somewhere far down the line. Throughout it all, as has been the case since I was 14, I made loads of weirdo music. If it weren’t digital, there’d be boxes of tapes and tapes and tapes. See, that’s the thing. I’m a tinkerer. I’m a loop obsessed sound hack. The process is what I get out of bed for. So what gives Pops? Where is the music?

I make music for people who like my music’ is something I recently tweeted. There is something I’ve come to love about my career. I really can do whatever I want. So long as I feel it’s the best use of time, or yields results that translate into good music later. That’s where you’ll find the music dad. It’s in my head. It’s on my hard drives. It’s in my car driving the girls to school in the morning. They even asked me how Tegan and Sara snuck in and out of the house without them... noticing to make those songs with me. The music is always there. It’s just a matter of time before it starts to bubble over and finally get stamped ‘property of the people.’

I’m calling this one ‚Bunny‘ dad. As always it’s got a little bit of everything that makes me who I am. Why Bunny? Fundamentally, I love the way the word looks and sounds. I love the way it rolls off the mind and onto the tongue. It’s a funny thing too. Bunnies are cute. Bunnies are weird. They’re soft. They’re sexy. They’re lucky. They wildly procreate. They trick hunters, but get tricked by turtles. They lead you down holes. They adorn the headboards of children’s beds, lined up meticulously just as mom did when she was your age. Bunnies are seemingly with us from birth, and probably skitter past on our way out the big door. ‚Viste al conejito papá?‘ ‚Sí, fue una buena sopa!‘ Good one pops.

So here is my album. Already a fading stamp on the passport of a time traveler. I do it all for you. I couldn’t quit if I wanted to. I’m only getting started."
- Matthew Dear

Die Geschichte in einem Song

Musik ist eine offene Kunstform, jeder und jede kann seine Geschichte in den Songs des neuen Albums namens „Bunny“ finden. Wie beim Song „Echo“. Eine poetische Geschichte über einen Jungen namens Echo, der in einem toten Städtchen in Upstate New York lebt: Keine Jobs, keine Zukunft nichts zu tun. Er beginnt, Leute zu verprügeln und die Spirale der Depression dreht sich weiter, die Echos werden lauter. Am Tag nachdem der Song fertig war, erfuhr Matthew Dear, dass Lou Reed gestorben war und da bekam der Song eine neue Bedeutung. Denn auch Lou Reed hat davon gesungen, wie hoffnungslos und trostlos es sein kann: „Growing up in a small town“ und wie „rough and tough“ es war, im noch nicht genitrifizierten New York.

Tierreich

Es tauchen viele Tiernamen auf im neuen Album - passend zum Titel „Bunny“. Es gibt zum Beispiel eine Nummer namens Horses. Es ist die Liebesgeschichte von Matthew Dear und seiner Frau. Matthew Dears Platte heißt „Bunny“, ohne dass es eine konkrete Geschichte von einem Kaninchen gäbe. Die Idee, was Kaninchen alles können, ihre Wendigkeit, ihr Leben untertags und ihre kulturelle Omnipräsenz faszinieren Dear und das hört man an seiner Musik. Denn seine Musik hat die Eigenschaften, die er im oben stehenden Brief dem Bunny zuschreibt: Wendig, schlau und unberechenbar.

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