Der Wechsel allein ist beständig
Von Lisa Schneider
Nach der Entstehung von Bandnamen zu fragen, ist eher eine verpönte Angelegenheit. Bei DRAMAS aus Wien bietet es sich aber zumindest an, sich nach dem Ironiepotential desselben zu erkundigen: „Ohne Ironie geht es auch bei uns gar nicht. Dramatisch jedenfalls ist bei uns in erster Linie die Produktionsweise, wir diskutieren und streiten sehr oft. Das kann schon mal anstrengend werden, das Endprodukt war es bis jetzt aber noch immer mehr als wert.“
Elektroduos in Österreich haben gerade in den letzten Jahren große Erfolge gefeiert, allen voran etwa Mynth, Lea Santee oder natürlich Leyya. Eine schöne Parallele zwischen letzteren und DRAMAS liegt in der Schwere, der Melancholie, die auch damals noch Leyyas erstes Album ausgezeichnet haben.
It was not your fault, but mine
Wie es oft passiert, spielen beide, Viktoria Winter und Mario Wienerroither schon vor ihrem gemeinsamen Projekt in Bands. Es sind vor allem im Fall Viktoria Winters Singer-Songwriter-Geschichten, denen die Musikerin nicht unbedingt nachweint: „In Bands zu spielen war nicht wirklich meines. Es kommen da viele Leute zusammen, die natürlich auch Prioritäten außerhalb der Band haben, oft war es so, dass jeder etwas anderes wollte.“ Jetzt, mit DRAMAS, fühlt sie zum ersten Mal, dass sie zu hundert Prozent umsetzen kann, was sie möchte.
Die zweite Hälfte von DRAMAS, Mario Wienerroither, trifft sie vor einigen Jahren zufällig auf der Ars Electronica. Es ist eine schöne Geschichte: Nicht über gemeinsame Bekannte finden sie zusammen, oder über diverse Online-Plattformen, sondern durch eine Verwechslung. Viktoria hält Mario zuallererst für den Keyboarder von Mumford and Sons, Ben Lovett. „Das wär dir recht gewesen, oder?“, schmunzelt Mario ihr während des Interviews zu. „Naja, damals hab ich eben noch etwas andere Musik gehört“, gibt Viktoria zurück.
Das Organische haben DRAMAS in ihre Musik mitgenommen, auch kann man sich gut vorstellen, dass die Basis ihrer Songs nach wie vor die Melodie, die Stimme und das begleitende Klavier ist. Singer-Songwriter-Wurzeln, die Mario - der hauptberuflich in der Musikbranche tätig ist und sich sonst um Sounddesign für Film, Fernsehen, Werbung kümmert - nach einer Skizze von Viktoria zum Elektropopsong umformt. Damit es eben nicht klingt wie „Little Lion Man“.
Von Schwarz zu Dunkelgrau
2016 hat alles begonnen, mit ihren Songs haben sich DRAMAS Zeit gelassen. Im heurigen Frühjahr erscheint ihre erste EP „Libra“ und wird später auch dem fantastischen Openersong des Albums den Namen geben. So sehr nach der New Yorker Düster-Artrockband School Of Seven Bells werden DRAMAS im Laufe der nächsten Songs aber nicht mehr klingen. Sie hören sich an, als wäre ein dunkler Schleier, wie der eines alten Gemäldes, abgenommen; man spürt hier noch mehr, dass die Songs nicht aus einem rein elektronischen Korsett entstanden sind, sondern dass sie eben das Warme, Organische in sich haben. Das Album lebt diesen Grundgedanken mehr noch als die EP zuvor. Das klassische Singer-Songwritertum muss aktuell noch auf sein Revival warten; dabei war es nicht selten die klarste und vor allem ergreifendste, weil direkteste Form von Musik.
„Ich hatte mir anfangs gedacht, dass das Album noch viel düsterer wird und bin jetzt froh, dass es musikalisch auch oft verspielt ist, ich aber meinen textlichen Ansprüchen sehr treu geblieben bin und sich das Konzept des Nichtverwendens der Ich-Form bis zum Schluss durchgezogen hat.“
Große Fragen wie die nach der Liebe, dem Sinn, dem Tod, lassen sich leichter ohne totale Introspektive stellen. Aus der Unnahbarkeit des Menschen, der da singt, von dem man nicht selten ja seine eigenen Geschichten hören will, wird eine allgemeingültige Erzählperspektive, die ohne autobiographisches Material auskommt. Und das Gefühl, sich in den Zeilen angesprochen zu fühlen, wird durch die Zurücknahme einer einzelnen Person verdoppelt.
Im Leben und in der Musik ist nichts für immer
Wie die EP ist ebenfalls heuer, nämlich passend zum 17. FM4 Soundparkgeburtstag, das erste Album von DRAMAS erschienen. Dass sich darauf nun auch die Songs der EP befinden, war für beide klar: „Wir hatten zu dem Zeitpunkt, als die EP veröffentlicht wurde, schon gut insgesamt neun Songs fertiggestellt, oder waren gerade dabei. Dass der Sound sich für uns zwischen EP und Album nicht ändern würde, war klar“.
Zurückgezogen und abgekapselt von der Außenwelt, sogar von äußeren musikalischen Einflüssen, arbeiten Viktoria und Mario den ganzen Sommer über am Album. Und jetzt ist es da, es trägt den doppeldeutigen Titel „Nothing Is Permanent“.
Die Zeile „Nothing Is Permanent“ ist dem Song „Eph“ entlehnt („Nothing is permanent / everything is permanently apart“), der in seiner musikalischen Melancholie das Leben einer Fruchtfliege beschreibt. Welches kurze Tierleben wäre auch sonst passender, den Satz verstärkt zum Ausdruck zu bringen?
„Nothing is permanent“ steht bei DRAMAS wie eine schlicht ehrliche Aussage im Raum. "Sie trifft auf alle Menschen zu. Die, die pessimistisch sagen „es ist sowieso nicht für immer", aber auch auf die, die schnell mal abheben, um sie wieder auf den Boden zurückzuholen - weil ja auch Erfolge oder Glück nicht für die Ewigkeit bestimmt sind.“
„Nothing is permanent“ lässt sich unabhängig vom Inhalt auch auf die Musik des Duos umlegen. Die 80er Jahre feiern auch hier ihr überarbeitetes, zeitgemäß gemachtes Comeback. „Ich mache schon so lange Musik, und dieses Jahrzehnt ist musikalisch einfach das, was mich schon am längsten begleitet. Es gefallen mir auch jetzt in der zeitgenössischen Musik die Dinge am besten, die sich daraus nähren, genauso aber auch in Musikvideos, in Filmen, in Büchern“, erzählt Mario. Viktoria bringt’s herzlich lachend auf den Punkt: „Ich bringe eher den modernen Pop in unsere Musik ein, und Mario eben seine Liebe zu früheren Musikjahrzehnten. Ich bin das Cool Kid - und er eben der 80er-Jahre-Nerd.“
Ein schönster Beweis für dieses Verschmelzen am Album von DRAMAS ist eine Coverversion des legendären Ultravox-Songs „Vienna“. In ihr, und auch in Singles wie „Mess“ oder „Midnight Sun“, wird Dramatik und Theatralik mit Selbstironie aufgegriffen, ohne je komplett die Ernsthaftigkeit zu verlieren. Filmische Sounds schieben das auditive Element nicht selten dem visuellen zuliebe zur Seite: „Nothing Is Permanent“ - ein Album wie ein Film Noir.
Publiziert am 01.11.2018