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18.10.18 Schnitzelbeats - Kärnten rocks!

Trash Rock Archives

FM4 Schnitzelbeats

FM4 Schnitzelbeats - Kärnten rocks!

Die volle Dröhnung Subkultur: Vergessene Beat-, Glam- und Hard Rock-Perlen aus dem südlichsten österreichischen Bundesland

Von Al Bird Sputnik

FM4 Soundpark

Your Place For Homegrown Music

300 Minuten Musik aus Österreich

Die drei Tonträger, die wir für die aktuelle Sendung aus dem Archiv gezogen haben, sind nicht nur hörenswert, sondern auch sehr selten. Sie stammen aus dem Bundesland mit dem großen K und haben es – trotz gutem Timing und hoher musikalischer Eigenständigkeit – nicht geschafft, dem Narrativ österreichischer Musikgeschichte ihren Stempel aufzudrücken. Was natürlich schade ist, aber aufgrund einer Verkettung vorhersehbarer Faktoren auch nicht allzu verwunderlich. Womit wir schon bei den Rahmenbedingungen wären. Mangelnde Vernetzung mit dem Rest des Landes vereitelte schon manch große Karriere. Welcher Wiener Hipster hatte in den 1960ern denn schon die beliebten Kärntner Tanzbands The Shades oder The Roletts am Radar? Oder 15 Jahre später die Punkszene von Klagenfurt?

* Die genannten Zitate stammen aus dem Ausstellungskatalog zu „My Generation 1968–2008 – Aufbruch in der Provinz“ (Hg.: Werner Koroschitz)

Der Hippie-Zeitgeist erreichte die Provinz mit Verspätung und wurde vom Kärntner Feuilleton mit ehrlicher Abneigung und gespielter Empörung begrüßt: „Die Miniröcke sind schuld an der Unmoral“*, „Rauschgiftwelle rollt auf Österreich zu“* und so weiter und so weiter. In Sachen popkultureller Infrastruktur hatte die Kärntner Jugend gewiss keinen Hauptgewinn gezogen und eine Vielzahl gesellschaftlicher Hürden zu bewältigen. Die sogenannte Beatle-Rasur am Klagenfurter Hauptbahnhof* sei in diesem Zusammenhang erwähnt, ein gewalttätiger Übergriff im Jahr 1967, bei dem eine Gruppe rechtsextremer Bauernburschen einen jugendlichen Hippie überfiel und ihm gegen seinen Willen in der Öffentlichkeit eine Glatze schor. Sehr zum Gaudium der Anrainer wie auch einer lokalen Tageszeitung, die sich vor Schadenfreude johlend überschlug: Die Beat-Ära in der österreichischen Provinz, lei lei!

In diesem Kontext mutet es paradox an, dass die erste ernstzunehmende Großveranstaltung der heimischen Popgeschichte nicht in Wien, Linz oder Graz, sondern ausgerechnet in einer 700-Seelen-Gemeinde im Bezirk Feldkirchen in Kärnten stattgefunden hat. In den Jahren 1968, 1969 und 1971 organisierte der gefeierte Pianist Friedrich Gulda, der sich insbesondere mit Beethoven-Interpretationen einen Namen gemacht hatte, ebendort ein Improvisations-Festival mit dem vagen Titel „Internationales Musikforum“, das inzwischen – nach seinem Austragungsort benannt – schlicht als Ossiach in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Gulda hatte hier etwas Erstaunliches zu Wege gebracht: Er hatte für das Line-Up nicht „nur“ befreundete Jazzer und Avantgardemusiker aus der Bundeshauptstadt wie etwa den großen Joe Zawinul (mit dessen Band Weather Report), die Szenengröße Fatty George oder den Sprachkünstler Otto M. Zykan eingeladen, sondern auch den Brückenschlag zu zeitgenössischer Rockmusik vollzogen.

Mehr noch: Für sein Festival war es Gulda irgendwie gelungen, hochkarätige Psychedelic- und Progressive-Rock-Bands aus dem Ausland zu gewinnen, die teilweise noch nicht einmal in Wien gespielt hatten. 1969 kamen etwa The Nice aus England, die mit ihrem ungestümen Hammond-Organisten Keith Emerson eine radikale Live-Performance hinlegten, wie sie einem österreichischen Publikum bis dato nur selten zugemutet worden war. Zwei Jahre später kamen die zugedröhnten Elektronik-Tüftler von Tangerine Dream aus München. Sowie – Achtung, Trommelwirbel! – die Weltstars von Pink Floyd. Und mit ihnen Zigtausende Fans aus ganz Europa: Hippies, Gammler und Autonome strömten aus allen Himmelsrichtungen in das kleine Ossiach, um Pink Floyd zu sehen, die ihrerseits angetreten waren, um „Atom Heart Mother“ mit Chor und Orchester aufzuführen. Kärnten wurde am 1. Juli 1971 wider Willen zum Austragungsort des österreichischen Woodstock.

18.10.18 Schnitzelbeats - Kärnten rocks!

Trash Rock Archives

Zur aktuellen Ausgabe der FM4 Schnitzelbeats: 3 Kärntner Songs aus 3 Jahrzehnten. Den Anfang machen The Beatniks, eine der bekanntesten österreichischen Formationen der 1960er-Jahre. Entstanden als Schülerband in einem Internat in St.Paul im Lavanttal, waren sie unter den Ersten, die in Kärnten schon Rock-N-Roll spielten. Nach der Matura zogen die Bandmitglieder aus, um ihr Glück in der großen weiten Welt zu finden. Und hatten Erfolg. Unter anderem konnten sie einen Plattenvertrag beim Majorlabel Polydor ergattern, das in Deutschland eine Marktführerposition inne hatte und reichlich PR für die Beatniks machte – inklusive doppelseitiger Story im deutschen Bravo.

Zu den größten Verdiensten der Band zählt es, dass sie es waren, die den Klang der indischen Sitar in die österreichische Popmusik brachten („Fernost“). Zu ihrem größten Hit wurde indes die 7"-Single „Der Floh / My Aeroplane“, eine Auskopplung aus ihrem einzigen Album „On a Blue Day“ aus dem Jahr 1967. Psychedelischer Freakbeat mit deutschen Nonsens-Texten, maßgeschneidert für die Diskotheken des Landes. Im weiteren Verlauf würden die Beatniks noch einige Radio-Hits landen, bis sich die Wege ihrer Mitglieder im Jahr 1969 trennten. Der Beatniks-Bandleader Werner Marinell machte in den frühen 1970er Jahren übrigens als Blödel-Sänger Blondl große Karriere und heimste mit zünftigen Liedern wie “Pudelnackert ohne Hemd” und “Zipfl in die Höh’” unzählige goldene Schallplatten ein. Aber das ist eine gänzlich andere Geschichte.

18.10.18 Schnitzelbeats - Kärnten rocks!

Trash Rock Archives

Bereits Mitte der 1960er-Jahre hatte das Bundesland Kärnten eine erste Welle von professionellen Tanzbands hervorgebracht. Und drumherum: Amateurmusiker, die kaum brauchbare Infrastruktur oder geeignete Auftrittsmöglichkeiten vorfanden. Ein Umstand, den sich der gewiefte Musikproduzent und Verleger Eddy Korsche zu Nutzen machte. Ab dem Jahr 1972 veranstaltete er in regelmäßiger Abfolge den sogenannten „Help Musik Mach Mit Shop“, einen Talentwettbewerb, bei dem sich der Nachwuchs der Region fortan die Klinke in die Hand gab. Die Erst-, Zweit- und Drittplatzierten erhielten exklusive Plattenverträge auf Eddy Korsches Pop- und Beat-Label Help Austria. Aber auch allen übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern stand der Weg ins Aufnahmestudio weit offen. Offenbar gab es bei dieser kleinen Klagenfurter Plattenfirma keinerlei Aufnahmebedingung, die es zu erfüllen galt. Kein Anflug von Elitarismus. In der Retrospektive gewinnt man tatsächlich den Eindruck, dass wirklich jeder, der nur wollte (und ein Mikrophon oder eine Gitarre in der Hand halten konnte), bei Help Austria eine Platte veröffentlicht hat: amateuristische Teenagerbands, Disco-Schönheitsköniginnen, jodelnde Großmütter, singende Kinder und natürlich eine Heerschaar von Volksmusikanten gewähren einen faszinierenden Eindruck von österreichischer Unterhaltungsmusik der 1970er-Jahre.

Mittendrin findet sich ein gewisser Reinhold Haberl wieder, ein Elvis-Imitator aus der Ortschaft Ferndorf im Bezirk Villach-Land, der uns auf dem Sampler „Help ’75“ eine etwas seltsame Aufnahme mit dem Titel „Rocket“ hinterlassen hat. Mit schönstem Fantasie-Englisch ausgestattet, stößt Haberl rasch an die Grenzen seiner gesanglichen Möglichkeiten. Seine Begleitgruppe („die Studioband Hot Catchup Magic“) wirkt indes derart aufgeputscht, als stünden sie mit Bowie auf der Bühne. Wenn österreichische Teenager ins Glamrock-Feld abrutschen, entzündet sich ein Feuerwerk der guten Laune: „Rocket“ klingt wie die bekiffte Antwort auf Slade oder Gary Glitter und kann in der Retrospektive als eine Perle der heimischen Incredibly Strange Music reüssieren.

18.10.18 Schnitzelbeats - Kärnten rocks!

Trash Rock Archives

„Kärnten Rock“, so hieß ein New-Wave-Sampler, der im Oktober 1983 in Wolfsberg aufgenommen wurde und kurze Zeit später im Eigenverlag der Produzenten erschien. 5 obskure Kärntner Bands haben sich hier versammelt, unter anderem eine Heavy-Metal-Formation namens Prisoner, die uns eine unglaubliche 5-Minuten-Nummer mit Versatzstücken aus brachialem Teenager-Hard-Rock und elektronischem Cosmic-Disco-Sound hinterlassen hat: „Loverboy“, eine düstere Mini-Rockoper, die ein bisschen an die Wiener Hitparadenstürmer Ganymed erinnert. Kärnten rocks! Aber das sollte man am besten mit eigenen Ohren gehört haben...

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