„Veteran“ von JPEG Mafia ist eine ambivalente Nebelgranate

Barrington Hendricks ist der Welt besser bekannt als JPEG Mafia. Sein aktuelles Album „Veteran“ beschert ihm die Aufmerksamkeit, die der intelligente und politische Zorn des Rappers und Producers aus Baltimore (inzwischen Brooklyn) verdient hat.

Von Natalie Brunner

Mensch möchte JPEG Mafia danken für Aussagen wie jene, dass viele Menschen (Hello, Mr President) das Recht auf freie Meinungsäußerung nützen würden, um ungestraft rassistische, frauenfeindliche und homophobe Äußerungen zu tätigen. Sein aktuelles Album „Veteran“ bezieht sich nicht darauf, dass der in Baltimore geborene und in den Südstaaten aufgewachsene Musiker ein Überlebender der rassistischen sozialen Dystopie ist, in der viele afroamerikanische Jugendliche verdammt sind zu leben. JPEG Mafia ist, um diesem Krieg zu entkommen, zur US Army gegangen. Er war in Kuwait, Irak, Afghanistan und Nordafrika; er spricht in Interviews über den Rassismus und die Homophobie am Schlachtfeld und jenseits des Schlachtfelds, in den Quartieren, Duschen Kantinen, Umkleideräumen. Überlebt hat er, indem er in seiner Freizeit mit schallisolierten Kopfhörern Beats gemacht hat.

Wenn du in diesen hazard zones genannten Kriegsgebieten arbeitest, bekommst du extra Zulagen, dank derer JPEG Mafia sich nach seiner Entlassung voll und ganz aufs Musikmachen konzentrieren konnte.

JPEG Mafia ist ein MC, der nicht über Beats, sondern über kollagierte Realität rappt, was sein Werk zu einen umso dringlicheren und wuchtigeren politischen Statement macht.

Vor vielen, vielen Jahren hat das Produzenten-Team The Bomb Squad die Pfade für einen solchen Zugang zu Hip Hop geebnet, als sie für Public Enemy ein Soundkleid fabrizierten, das Sirenen, Megaphone, den Aufruhr der Straße in ihre Kompositionen integrierte.

JPEG Mafia führt diesen Weg mit einer selbstverständlichen Radikalität in noch nicht kartographiertes musikalisches Terrain, wenn er zum Beispiel die Nummer „Real N“ auf den jaulenden Ansatz des Sprechgesangs von Ol’Dirty Bastards „Baby I Like It Raw“ aufbaut.

Er lässt die Nachrichtensprecherinnen von TV-Stationen auf anonyme Gesprächsfetzen treffen und immer wieder taucht wie eine mythische Sirene eine Frauenstimme auf, die ihn mit seinem Kosenamen Peggy nicht vom Weg abbringt, sondern zurückruft. Ebenfalls ein zentrales Sample auf „Veteran“ ist die Frauenstimme, welche die Hörerschaft vor Zuschreibungen und voreiligen Schlussfolgerungen warnt: You think you know me.

Nein, das tun wir nicht. „Veteran“ von JPEG Mafia ist eine ambivalente Nebelgranate, durch die wir uns selbst mit wachen Sinnen unseren Weg bahnen müssen, und vielleicht ist deshalb „Veteran“ das wichtigste politische Hip-Hop-Album zur Zeit.