FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Mann Sonnenuntergang

Pixabay

Buch

Die letzten Tage des Patriarchats

Aber wie viele Tage sind es eigentlich noch? Wie lange hält noch sich denn das Patriarchat gerade so mit den Fingerspitzen am überhängenden Felsen der Macht? Wann - also so circa - dürfen wir damit rechnen, dass es mit einem gewimmerten „Not aaaaaall meeeen...“ in den Abgrund der Geschichte stürzt?

Von Jenny Blochberger

Naja, so bald jetzt auch nicht. Die Zustandsbeschreibungen in Margarete Stokowskis neuem Buch „Die letzten Tage des Patriarchats“ konterkarieren den allzu optimistischen Titel: Ja, es stimmt, in den 7 Jahren, in denen die im Buch abgedruckten Kolumnen erschienen sind, hat sich vieles weiterentwickelt. Aber die vielen Manifestationen des Patriarchats, von denen sie da berichtet, werden nicht so schnell und vor allem nicht kampflos verschwinden: sexualisierte Gewalt, das Lächerlichmachen von Frauen (und Männern), die sexualisierte Gewalt thematisieren, nicht zu rechtfertigende Lohnunterschiede, gegenderte Erziehung, das Ausspielen von marginalisierten Gruppen gegeneinander und vieles mehr.

Wer das Patriarchat abschaffen will, so die Idee, kann doch nichts anderes wollen, als ein Matriarchat zu errichten, nach denselben Regeln, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Das ist falsch. Viel zu viel Arbeit! Nein, Scherz. Es ist tatsächlich Quatsch, weil Feminismus nicht die Umkehrung von Unterdrückungsverhältnissen will, sondern ihre Abschaffung. „Patriarchat“ hieß zudem noch nie, dass es allen Frauen schlecht geht und allen Männern gut. Es bedeutet auch nicht, dass alle Frauen die Klappe halten müssen – und auch nicht, dass alle Männer etwas zu melden haben.

Buchcover "Die letzten Tage des Patriarchats"

Rowohlt

„Die letzten Tage des Patriarchats“ von Margarete Stokowski ist im Rowohlt Verlag erschienen. Die Kolumnen in dem Buch wurden über einen Zeitraum von 7 Jahren in der taz und im Spiegel Online veröffentlicht.

Wöchentlich eine Kolumne zu gesellschaftspolitischen Themen zu füllen kann eine große Herausforderung sein. Einerseits, weil man von vielen Dingen eine Ahnung haben muss, um seinen Senf dazugeben zu können, und andererseits, weil man im Deadline-Zeitdruck der Versuchung erliegen kann, seinen Senf zu jeder Sau abzugeben, die diese Woche gerade durchs mediale Dorf getrieben wird.

Man kann getrost zu beidem Entwarnung geben: Margarete Stokowski hat von vielen Dingen eine Ahnung, und sie hat immer Relevantes zu sagen. Nie hat man den Eindruck, sie würde einfach mal Zitate von Foucault bis de Beauvoir droppen, um mit ihrer tollen Bildung zu beeindrucken – der Zusammenhang zum Thema ist immer klar und macht eher Lust, die eine oder andere Bildungslücke zu schließen. Egal um welches Thema es geht - Schönheitsnormen, Hartz IV, der Umgang Deutschlands mit Flüchtlingen oder die Wehleidigkeit mancher Männer, wenn sie mal ein bisschen Macht abgeben müssen -, Stokowski begnügt sich nie mit einem flotten Kommentar, sondern zeigt auch immer Zusammenhänge und Machtstrukturen auf.

Und wenn ein Konzern wie H&M „Girl Power“ auf Kleidung drucken lässt, dann ist das ein gigantisches Problem, weil der Erfolg von H&M unter anderem darauf beruht, die Arbeitskraft von Frauen hemmungslos auszubeuten. „Feminism“-Shirts, die zu einem Stundenlohn von 17 Cent genäht sind, von Arbeiter*innen, die keine Kranken- oder Sozialversicherung und keine Vereinigung haben, sind so sinnlos und zynisch wie in Zwangsarbeit genähte Flaggen, auf denen „Freiheit“ steht.

Was besonders viel Spaß macht, ist Stokowskis Leichtigkeit und Präzision in der Sprache, gepaart mit rotzfrechem Witz und einem frischen pragmatischen Zugang. Nicht zuletzt plädiert sie für Unaufgeregtheit und Den-Anderen-Zuhören - und auch für zweite Chancen.

Ich halte das Konzept der „Persona non grata“ für größtenteils abschaffbar, außer es geht zum Beispiel darum, ob ein Nazi mit Pitbull in ein von und für Lesben betriebenes Katzencafé darf. (...) Es ist gut, wenn man Leuten eine Entwicklung zugesteht. Weil sie daran wachsen. Und man selbst erlaubt sich das dann vielleicht auch.

mehr Buch:

Aktuell: