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Sexting - also das Verschicken von expliziten Bildern und Nachrichten - ist beliebter denn je, sagen Studien. DatenschützerInnen und besorgte Eltern schlagen Alarm.

Von Ali Cem Deniz und Sophie Liebhart

“Goodnight, my little farting Nora, my dirty little fuckbird!” Mit diesen Worten beendet James Joyce einen Brief aus dem Jahr 1909 an seine Frau Nora Barnacle. Der irische Autor hat nicht nur Mammutwerke wie Ulysses geschaffen, sondern war ein begeisterter Sexter mit einem stark ausgeprägten Hang für menschliche Abgase. Diese Tatsache soll nicht vom eigentlichen Thema ablenken: Sexting.

Risiken und Nebenwirkungen

In Zeiten von Smartphone, Social Media und Melanzani-Emojis ist Sexting beliebter als je zuvor. Und für die Kommunikation wildester Fantasien hat man nicht nur Tinte und Papier, sondern auch Fotos und Videos. Deshalb ist auch die Panik größer als je zuvor. Spätestens mit “The Fappening”, bei dem 2014 gestohlene Nacktfotos von Celebrities wie Jennifer Lawrance im Netz aufgetaucht sind, ist klar, dass niemand vor den Risiken von Sexting sicher ist.

Wohl aus diesem Grund konzentrieren sich die meisten Studien zum Thema auf Minderjährige und die negativen Aspekte von Sexting. In den USA haben ForscherInnen kürzlich dutzende Studien ausgewertet und herausgefunden, dass ein Viertel der befragten Teenager sexten. Und noch mehr empfangen “Sexts”.

Rund 12 Prozent leiten die Bilder und Videos auch weiter - ohne um Erlaubnis zu fragen. Das kann auch rechtlich besonders heikel werden. Denn in vielen Ländern gilt das Verschicken von Nackbildern von Minderjährigen als Verbreitung von Kinderpornografie. In Österreich ist einvernehmliches Sexting ab 14 Jahren erlaubt. Und der Initiative saferinernet.at zufolge sexten über 30 Prozent der österreichischen 14-18 Jährigen.

Texting / Sexting / Handys

Pro Juventute / CC BY 2.0

CC BY 2.0

Sexting ab 18

Sexting gilt als der ultimative Vertrauensbeweis und das nicht nur bei Jugendlichen. Doch was Erwachsene mit ihrem Smartphone treiben, scheint die Öffentlichkeit weniger zu bewegen. Es gibt weniger Forschung und weniger Interesse an Sexting unter Erwachsenen. Und das obwohl sie vielleicht wesentlich öfter sexten als Minderjährige. In einer aktuellen Studie mit 18-82 Jährigen geben ganze 88 Prozent an, dass sie sexten. Und die gute Nachricht: Wer häufiger sextet, ist mit seinem Sexleben zufriedener.

Auch wenn es in der Öffentlichkeit häufig als Tabu oder dumm und gefährlich gilt: Sexting ist heute fester Bestandteil vieler Beziehungen. Und auch wenn sich Sexter mit Aufklärung über technische Aspekte gegen Risiken schützen können, zeigen die Briefe von James Joyce, dass Analog nicht immer besser ist.

Offener über Sex sprechen

Aufklärung und Offenheit sind in jedem Fall, ob analog oder digital, ein Muss, sagt auch Ana Badhofer. Sie ist 20 Jahre alt und studiert Kunstgeschichte und VWL in Wien. Beim Forum Viva la Vulva setzt sie sich dafür ein, feministische und liberale Werte in allen gesellschaftlichen Bereichen zu stärken. Offener über Sex zu sprechen, gehört da eben auch dazu. Und in einer Welt, in der das Smartphone allgegenwärtig ist, eben auch Sexting.

Ana Badhofer im Studio

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Ana Badhofer vom Forum Viva La Vulva

Gerade mit Freunden und Freundinnen sollte man darüber offen reden, findet Ana. Nur so kann man bemerken, dass es etwas ganz Normales ist, was viele Leute machen. „Und dann ruft das auch nicht so ein Skandal hervor am Ende“, sagt Ana. „Ich brauche ja nicht jemanden anderen dafür shamen, wenn ich es selber auch gemacht hab.“

Mädels denken auch nicht immer mit dem Kopf

Auf Laut: Sexting - Digitaler Sex, Dickpicks und Sextortion

„So schreiben Sie Ihn zum Orgasmus“. Im Netz wimmelt es von Ratgeber-Artikeln zum Thema Sexting. Explizite Selfies sind längst kein Tabu mehr. Laut Studien ist Sexting beliebter als je zu vor. Gleichzeitig gibt es immer mehr Fälle von „Sextortion“, bei dem Opfer mit der Veröffentlichung von Aufnahmen erpresst werden.

Was macht Sexting mit unseren Beziehungen? Wie verändert es unsere Körperwahrnehmung? Und was passiert mit den Fotos, wenn eine Beziehung zu Ende geht?

Über diese Fragen diskutiert Claudia Unterweger mit Ana Badhofer von der feministischen Plattform „Viva La Vulva“ und Elke Prochazka von saferinternet.at.

Ana Badhofer würde sich hier mehr Aufklärung wünschen - zum Beispiel in der Schule. Junge Frauen sollen möglichst früh hören, dass sie ihre sexuelle Lust ausleben dürfen, ohne zu denken, dass das etwas ist, wofür sie sich schämen müssen. „Bei Jungs sagt man schnell, ah das ist ja ein Junge, der denkt nicht mit dem Kopf, der denkt weiter unten. Aber ein Mädel kann genauso denken“, sagt Ana. Dass Begierde von beiden Geschlechtern gleichermaßen besteht, das müsse beispielsweise im Schulunterricht Einfluss nehmen.

Geht man offen an das Thema heran, kann Sexting dann in weiterer Folge eine Möglichkeit sein, seine eigenen sexuellen Wünsche auszudrücken. Geschrieben fällt einem das möglicherweise leichter als im direkten persönlichen Gespräch, sagt Ana.

Boost fürs Liebesleben

Sexting kann dann auch eine große Chance für eine Beziehung sein. Das weiß sie aus eigener Erfahrung. Es habe neue Aspekte in das Liebesleben gebracht, die man davor vielleicht nicht angesprochen hätte: „Auch wenn ich mich als relativ selbstbewusst beschreiben würde, würde ich nicht so schnell auf die Idee kommen, meinem Freund gleich ins Gesicht zu sagen, was ich vielleicht so für Wünsche hätte“, sagt Ana. Die Schwelle, zuhause im eigenen Bett etwas in eine Nachricht tippen, sei einfach niedriger und eröffnet so neue Möglichkeiten.

Sexting gehört nicht tabuisiert, sondern auf den Tisch

Ana Bahofers Fazit: Sexting ist zwar schambehaftet, sollte es aber nicht sein. Man müsse mit anzüglichen SMS und Fotos vorsichtig sein, mit dem Partner offen darüber reden und nicht leichtsinnig handeln. Aber es wäre genau das Falsche, „dass man Jugendlichen sagt, dass sie sowas nicht machen sollen. Das ist in Zeiten, wo Tinder auch schon der Standard ist, etwas, was mehr und nicht weniger wird. Deswegen: Redet’s drüber, es ist kein Grund sich zu schämen und es gehört nicht tabuisiert, sondern auf den Tisch.“

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