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Matteo Garrone im Interview

Auf der Rückseite der „Studios cinematografici“ wohnt und arbeitet Matteo Garrone in einem Gärtnerhäuschen. Auf dem legendären Filmstudiogelände an der Peripherie von Rom hat schon Bud Spencer seine Fäuste geschwungen, der große italienische Komiker Totò alle Mienen verzogen und Matteo Garrone anlässlich seines neuen wuchtigen Rachefilms „Dogman“ ein Interview gegeben.

Von Petra Erdmann

Matteo Garrone ist Italiens bester Fantast und Realist. Ob im brutalen Mafia-Kinohit „Gomorrha“ oder in der schön grimmigen Märchenverfilmung „Il racconto dei racconti“ - „Tale of Tales“ – Garrone vereint in seinen Arbeiten die schockierende Wirklichkeit mit grausamer Schönheit. In Letzterem hat er etwa Salma Hayek ein rohes Herz eines Monsters verspeisen lassen.

Nun seziert Garrone in seinem düsteren Rachefilm „Dogman“ die sanften Seelen und brutalen Gewaltausbrüche seiner prekären Männerfiguren. Stilsicher dringt Matteo er in die Welt der Kriminellen und der Arbeiter im Süden Italiens vor. Der Hundefrisör Marcello betreibt in einer fiktiven Küstenstadt ein Geschäft. Der brutale Ex-Boxer Simone macht ihm und der Nachbarschaft das Leben zusehends zur Hölle.

Filmstill aus "Dogman"

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„Dogman“-Hauptdarsteller Marcello Fonte

Matteo Garrone, bei den Filmfestspielen in Cannes wurde ihr Hauptdarsteller Marcello Fonte als bester Schauspieler ausgezeichnet. Ein Newcomer. Der kleine, zarte Mann, der Hundefrisör Marcello spielt sieht aus wie ein Held vergangener Zeiten, wie junger Buster Keaton, der gutmütig und stoisch die Traurigkeit im Kino trägt.

Matteo Garrone: Ich hatte Glück, Marcello Fonte zu treffen. Er hatte als Portier in einem Theater gearbeitet. Marcello hat ein Gesicht wie man es bis vor 50 Jahren in Italien öfters gesehen hat. Sein Gesicht, das etwas Reines und Naives ausstrahlt, ist am Verschwinden.

Was meinen Sie genau damit?

Matteo Garrone: Marcello kommt ursprünglich aus Kalabrien, ganz aus dem Süden Italiens. Er ist ein Sohn armer Bauern. Die Nachkriegsjahre waren nicht für alle mit einem Wirtschaftsaufschwung verbunden. Die Nöte der Arbeiter und Bauer konnte man von ihren Körpern und Gesichtern ablesen. Das hat auch schon Pier Paolo Pasolini so gesehen, dass der gnadenlose Kapitalismus die Menschen auch äußerlich verändert. Marcello Fonte erinnert mich an ein Italien, das es nicht mehr gibt. Gesichtern wie dem von Marcello Fonte ist man im Alltag, aber auch im Kino der neorealistischen Meisterregisseure wie Roberto Rossellini, ständig begegnet.

Matteo Garrone und Petra Erdmann beim Interview in Rom

Radio FM4

Matteo Garrone und Petra Erdmann beim Interview in Rom

“Gomorrha” war bisher ihr größter internationaler Kinoerfolg. Sie haben vor 10 Jahren den skandalträchtigen Tatsachenroman von Bestseller –Autor Roberto Saviano über den Mafia-Clan „Camorra“ verfilmt haben. Der Anti-Mafia-Aktivist hält sich noch immer versteckt und muss regelmäßig seine geheimen Wohnsitze wechseln, um von der Mafia nicht ermordet zu werden. Mussten Sie mit der Mafia kooperieren, um im Stadtteil Scampia von Neapel zu drehen, einer Hochburg der Camorristi?

Matteo Garrone: Die Mafia liebt das Kino, insofern war es nicht sehr schwierig in Scampia zu drehen. Die Mafia lässt sich ja gerne von Filmen inspirieren. Ich habe eine Szene von „Gomorrha“ in einer abgebrannten Villa eines Mafia-Bosses gedreht, der mittlerweile im Gefängnis sitzt. Und er hatte die Architekten beauftragt, seine Villa exakt nach dem Vorbild von Toni Montanas Wohnsitz im Gangsterfilm „Scarface“ mit Al Pacino zu erbauen.

"Gomorrha" Filmstill

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„Gomorrha“

Bis dato sind sieben ihrer „Gomorrha“ –Laiendarsteller, die im echten Leben Mitglieder der Mafia sind, von der Polizei verhaftet worden. Wie verschwimmen die Grenzen zwischen der Realität und Fiktion in ihrer Arbeit?

Matteo Garrone: Ich liefere eine Interpretation der Mafia und lasse mich nicht von ihr manipulieren. Ich erzähle zwar Geschichten, die vom wirklichen Gangsterleben inspiriert sind, nehme aber dabei meinen künstlerischen Standpunkt ein.

In vielen Demokratien regieren derzeit Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit. Mit der Partei Lega Nord und dem Innenminister Matteo Salvini auch in Italien. Verändert diese politische Entwicklung auch ihre filmische Herangehensweise und ihren Kino-Realismus?

Matteo Garrone: Die aktuelle politische Entwicklung macht mir Angst und hat in diesen Zeiten auch sicher Einfluss auf die Atmosphäre und Charaktere in meinen Filmen. Ich habe vor 12 Jahren begonnen, an „Dogman“ zu arbeiten und den Film dieses Jahr fertiggestellt. Ohne Zweifel sind Spannungen und sehr düsteren Elemente in „Dogman“ aktuell besonders und direkter spürbar.

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