Snowboarder Clemens Millauer sucht ständig nach Neuem
Von Simon Welebil
Clemens Millauers erster Sieg bei einem großen Contest steht geradezu beispielhaft für den großen Umbruch, der im Snowboarden gerade stattfindet. Beim Spring Battle im Absolut Park in Flachauwinkl setzt man nämlich nicht darauf, dass hunderte Menschen auf den Berg kommen, um die Rider anzufeuern, sondern dass tausende im Netz deren Runs sehen und Likes verteilen. Der Spring Battle wird als Follow Cam Jam Contest ausgetragen, bei dem die RiderInnen mehrere Tage Zeit haben, einen kompletten Run zu filmen, der dann von den Judges auf Video bewertet wird. Das reduziert einerseits den Stress und Druck eines Contests und bringt andererseits jede Menge Content für Social Media, für Instagram, Youtube und Facebook.
Snowboarden als Sport hat alle Voraussetzungen, um auf Social Media gut abzuschneiden: beeindruckende Berglandschaften, fitte Menschen und fette Tricks. Kein Wunder also, dass die Industrie hinter dem Sport voll auf Social Media setzt. Selbst Contest-FahrerInnen wie Clemens Millauer, der 2018 bei den Olympischen Spielen nur knapp den Final-Einzug im Slopestyle verpasst hat, heuer dafür schon mit einem dritten Platz beim Air+Style Contest in Peking aufgezeigt hat, müssen ihr Social Media Game beherrschen.

Simon Welebil
Fette Tricks sind dafür die Grundvoraussetzung, und die stimmen bei Millauer. Den Spring Battle hat er etwa auf den Kickern mit einer Kombo aus einem Switch Bs 12 Stalefish, einem Fs Double Cork 1440 Tailgrab und einem Bs Double Cork 12 Melon vor den beiden Norwegern Ståle Sandbech und Torgeir Bergrem gewonnen. Er kann aber noch mehr, nämlich alle vier verschiedenen Triple Corks. Tricks alleine genügen allerdings nicht, um sich von der Masse der Snowboard-Accounts abzuheben, es braucht eine eigene Handschrift.
Clemens Millauers produziert den meisten Content für seine Social Media Accounts selber. Das Video-Schneiden dafür hat er sich selber beigebracht, um seine Vorstellungen 1:1 umsetzen zu können. Seine Markenzeichen sind fette Beats und tiefe Bässe, die unter seinen Video-Edits liegen - und dass er ständig versucht, neue Effekte und Schnittspielereien unterzubringen. Er will Trends setzen, die die Kids dann nachmachen.
Social Media ist Arbeit
Clemens Millauer investiert viel Zeit in seine Account-Pflege. An ruhigen Nachmittagen schaut er darauf, seine Videos und Fotos perfekt zu bearbeiten und feilt auch am Text seiner Postings: „Ich finde, wenn dein Instagram eine Qualität hat, ist die Chance größer, dass Leute es weiterverfolgen und es für sie nicht uninteressant wird.“
Instagram ist für Clemens Millauer die wichtigste Plattform, Facebook betreibt er mit weniger Aufwand „außer es gibt etwas, das ich vielleicht ungern poste, dann kommt es auf Facebook, weil dann sehen es nicht ganz so viele Leute.“ Wie praktisch alle anderen Athleten aus der Pros & Profiles-Serie bestätigt er damit die Einschätzung, dass Facebook in dieser Generation kaum mehr Relevanz hat.
Über 13.000 User haben Clemens Millauers Profil auf Instagram abonniert. Dort versorgt sie der 24-jährige Oberösterreicher in einer schönen Mischung mit Tricks aus dem Training, kurzen Edits aus dem Snowpark, Schnappschüssen von den Contests und Hochglanzbildern aus dem Backcountry. In längeren Edits, die er auf Vimeo veröffentlicht, steigert er sich besonders rein, und versucht auch mit Storytelling und Witz zu punkten - und lässt etwa seine Großeltern seine Hoodies tragen und Snowboardslang einsprechen.
Vimeo zieht er übrigens Youtube vor, weil es kein Geoblocking gibt. Um mit den Videos auf der kleineren Video-Plattform dennoch große Reichweiten zu erzielen, kooperiert er gezielt mit Online-Snowboard-Medien, die die Videos auf ihren Startseiten pushen.
Reichweite = Geld
In Clemens Millauers Fall wirken sich hohe Reichweiten für Postings direkt auf sein Einkommen aus, denn seit kurzem sind in Sponsorverträgen auch Boni für erfolgreiche Postings festgelegt, sogenannte Incentives: 150 Euro gibt es etwa für 20.000 Video-Views auf Instagram, 300 Euro für 30.000, bis ein bestimmter Rahmen ausgeschöpft ist.
Diese Boni sind natürlich ein Anreiz, um sich noch mehr reinzuhängen und gute Inhalte zu produzieren. Dafür steht Clemens Millauer auch ein eigenes Filmbudget zur Verfügung, das er sich frei einteilen kann. „Wenn das Wetter gut ist und ich weiß, der Park ist für mich gemacht, dann miete ich mir einen Filmer. Damit ich im Endeffekt wieder guten Content habe, den ich auf Instagram verbrennen kann.“
Clemens Millauers Follow-Empfehlungen
Nicht sehr überraschend ist, dass uns Clemens Millauer Anna Gassers Instagram-Account ans Herz legt, ist sie doch nicht nur seine Freundin, er produziert auch viel vom Content auf ihren Accounts, der dementsprechend seine Handschrift trägt.
Clemens Millauer empfiehlt aber auch den Account von Skater Chris Joslin: „Das sind nur kurze Handyclips, das ist so real für mich.“
Die Superstars der Szene wie Ståle Sandbech oder Mark McMorris werden überhaupt die ganze Saison lang von Filmern begleitet. Von solch luxuriösen Bedingungen ist Clemens Millauer noch weit entfernt. Um den Druck, der dadurch entsteht, beneidet er seine Kollegen allerdings nicht. Da genießt er lieber den Freiraum, auch mal abschalten zu können.
Überblick gewinnen und verlieren
Was Social Media im Snowboarden abseits der Reichweiten verändert hat, ist, dass nichts mehr versteckt werden kann. „Man ist immer am aktuellen Stand über das Niveau im Snowboarden und wer gerade irgendwelchen neuen Tricks ausgepackt hat und wer wie gut fährt“, meint Clemens Millauer. Instagram-Accounts werden somit zur Visitenkarte und zur Snowboardbiografie.
Die Kehrseite davon ist, dass die ikonischen Videos, die die Snowboardkultur lang geprägt haben, durch die kurzen Clips verdrängt werden. Und die verschwinden ob der Menge an Accounts und Postings oft sofort nach Veröffentlichung wieder in der Versenkung. „Es ist eine Flut von Videos und es bleibt nicht wirklich was davon in unserem Gedächtnis hängen“, so Clemens Millauer, „wir sehen einen Trick, denken das war der Wahnsinn, scrollen weiter und in dem Moment haben wir den alten Trick, den wir vor fünf Sekunden gesehen haben, schon wieder vergessen.“
Clemens Millauer findet das schade, ist sich gleichzeitig aber bewusst, dass die Zeit, in der man gemeinsam mit Freunden auf einen Release-Termin hingefiebert hat, eine Video-Premiere besucht oder sich sogar eine DVD gekauft hat, die man dann zusammen angesehen hat, vorbei ist. „Das ist definitiv ein negativer Aspekt. Ich glaube aber nicht, dass sich daran was ändern lässt, ich glaube, dass das nur schlimmer wird.“
Publiziert am 20.12.2018