FM4 Schnitzelbeats - Zum Soundpark-Feiertag
Von Al Bird Sputnik
Und schon damals ging es um Spurensuche, um genauer zu sein, um Identitätsfindung: Vor dem Hintergrund der Charterfolge von Nino, Voodoo Jürgens und Wanda galt der Fokus der ersten Sendung den Ursprüngen des Dialekts in der heimischen Popmusik. Mit Tonbeispielen, die bis in die späten 1940er-Jahre zurückreichten. 2 Jahre später blicken wir auf rund 40 Ausgaben der FM4 Schnitzelbeats zurück und lassen einige der schillerndsten Beiträge Revue passieren.
Schnitzelbeats zum 26.10.2018
Die Kulturnation Österreich in der Reflexion der heimischen Musikgeschichte: Ein Best-of.
Trash Rock Archives
Zumeist als Jazz-Parodist angekündigt, bediente sich der exaltierte Wiener Entertainer Dolf Kauer bereits in den frühen 1960ern eines zeitgemäßen Schlagerrepertoires, das er im breitesten Dialekt zum Besten gab. Ein wirkungsvolles Rezept, das in der österreichischen Popgeschichte bekanntlich noch öfters – wenn auch erst einige Jahre später – zu breitenwirksamer Anwendung gelangen würde (siehe Dialektwelle, vulgo: „Austropop“). Der einzig erhaltene Beleg der erstaunlichen Pionierarbeit des Dolf Kauer stammt aus dem Jahr 1962: „Blue-Jean-Jack aus Meidling“ ist eine intensive Rock’n’Roll-Kuriosität mit einschlägigem Lokalkolorit und klingt oberflächlich betrachtet wie ein obskurer Antwortsong auf die Gerhard-Bronner-Komposition „Der Halbwilde“. Doch gleichzeitig entsteht im Song eine seltsame Metaebene der Patronanz und Fürsprache für jugendliche Teenager-Gegenkultur der Zeit. „Vielleicht bin i a nur so außen, a guader Kern steckt in mir drin. Von heut auf morgen kann i’s ned ändern, weil i der Blue-Jean-Jackie bin.“ Ein wichtiges Zeitdokument, dessen bloße Existenz österreichische Popgeschichte um eine gänzlich neue Dimension erweitert.
Trash Rock Archives
Es war das Jahr 1970, als die Wiener Jazz-Chanteuse Marianne Mendt über Nacht zum Darling des heimischen Feuilletons wurde: Ihre Debut-Single “Wie a Glock’n...” entwickelte sich zum beachtlichen Verkaufserfolg, ebenso das gleichnamige Album, das noch im selben Jahr in den Handel kam und mit einigen gelungenen Nummern überzeugen konnte. Mit Hilfe des ausgekochten Produzenten Gerhard Bronner und dem Ensemble der ORF Big Band vollzog Marianne Mendt den Brückenschlag von internationalem Pop (mit Soul- und Jazz-Anleihen) und lokaler Mundart. Insbesondere der Opening Track des Albums hat es uns angetan: “Jeder hat an andern Schmäh“, österreichischer Soul-Jazz in Perfektion!
Trash Rock Archives
Auch der Wiener Jazz-Musiker und Maler Ulrich „Uzzi“ Förster arbeitete an einer Neufassung österreichischer Unterhaltungsmusik. Mit seiner LP „Udrilitten“ verwob der Multiinstrumentalist im Jahr 1972 politische Agitation, Gesellschaftskritik, freie Improvisation und dadaistische Lyrik zu einem Meisterwerk des heimischen Free Jazz. Wie Wikipedia Auskunft gibt, war Förster auch als Akrobat, Schweißer, Wirt, Antiquitätenhändler und Protagonist des Wiener Aktionismus tätig. Auf dem Plattenteller liegt jedenfalls der lautmalerische Titel-Track seines bahnbrechenden Albums „Udrilitten“, in dem es unter anderem heißt: „Udrilitten, Litten, Latten, Lo, an Gstinst, an Gstanst, a Schnurzl, Hafn, Hifn, Hafn, Häfn, Ho.“
Trash Rock Archives
Dirt Shit war eine kurzlebige Wiener Punk-Formation der ersten Stunde, gegründet 1978. Die Mitglieder waren extrem jung und in Anbetracht ihres Band-Namens offensichtlich höchst angetan von Fäkalworten der englischen Sprache. Anfangs noch mit Chuzpe-Frontmann Robert Räudig am Schlagzeug, holten sie 1979 Ronnie Urini in ihre Besetzung und gaben als Vorgruppe von Willi Warma auch Konzerte in Linz, bei denen sie wegen ihrer Amateurhaftigkeit vom anwesenden Publikum noch gehörig ausgebuht wurden. Doch Dirt Shit mauserten sich zum Pflichtprogramm der lokalen Szene und hatten bald den Ruf, den kompromisslosesten und schnellsten Pogo-Punk Wiens zu spielen. Ende 1979 veröffentlichten sie schließlich ihre legendäre "Rattenloch”-EP in einer Auflage von 300 Stück, deren Räudigkeit und Vehemenz selbst heute noch sprachlos machen. Wenige Monate später löste sich die Band wieder auf – gemäß dem Image einer ruchlosen Punk-Band nur konsequent. Vorhang auf für “Discoscheisser” von Dirt Shit, den Sex Pistols aus Wien.
Trash Rock Archives
Valie Export begründete ihre künstlerische Tätigkeit im Jahr 1967 und machte sich schon bald mit experimentellen Kurzfilmen, Fotoarbeiten und feministischen Aktionen im öffentlichen Raum einen Namen. Ihr frischer Ansatz, Medien miteinander zu verknüpfen und gesellschaftliche Tabus anzusprechen, erregte die Gemüter der Öffentlichkeit und ist heute längst Unterrichtsgegenstand an den Kunsthochschulen dieser Welt. Im Laufe ihrer Karriere fertigte auch Valie Export immer wieder Recordings an, etwa im Jahr 1978, als sie gemeinsam mit der Malerin Ingrid Wiener (alias Monsti) die Nummer “Bananen” aufnahm. Der Song ist eine vergnügte Dekonstruktion von österreichischer Volksmusik auf den Spuren von Anton Karas; suggestiv und nicht ganz geschmackssicher. Ein experimentelles Meisterwerk heimischer Subkultur.
Trash Rock Archives
Wir kommen zur Schlussnummer und machen einen Abstecher in die frühen 1980er-Jahre, wo der Wiener Experimentalmusiker und Exil-Berliner Thomas Voburka auf seinem eigenen Label exil-system einst eine DDR-Punk-Nummer fälschte. Einige deutsche Musikmagazine fielen tatsächlich auf den Schwindel herein. Dabei hatte Voburka ausgerechnet einen Satz der österreichischen Bundeshymne neu vertont: „Heimat bist Du großer Söhne“. Ein perfekter Song für den Nationalfeiertag.
Publiziert am 26.10.2018