Uneinigkeit im EU-Ministerrat über Copyright-Richtlinie
Von Erich Moechel
Am Donnerstag hat die zweite Runde des Trilogs zwischen EU-Ministerrat, Parlament und Kommission zur Copyright-Richtlinie begonnen. Der Trilog-Prozess wird bei umstrittenen Verfahren eingesetzt und ist per se nicht-öffentlich. Doch diesmal macht die Abgeordnete Julia Reda (Piraten/Grüne) diese Verhandlungen nun öffentlich. Nach dem Parlament kommen auch im Ministerrat erstmals tiefe Risse zu Tage.
Italien hat seine Ankündigung wahr gemacht und lehnt die Richtlinie mit vier weiteren Mitgliedsstaaten als Ganzes ab. Mehrere andere sind generell skeptisch oder verlangen Änderungen. Wie dem neuesten Trilog-Dokument zu entnehmen ist, hat der Rat offenbar ein Problem mit der vom Parlament spät eingefügten Abgeltung auch für Urheber. Schon der ursprüngliche Kommissionsentwurf hatte ausschließlich Nutzungsrechte, also die Verwertung zum Inhalt.
Julia Reda
Die Positionen der EU-Mitgliedsstaaten
Im September hatte das EU-Parlament mit deutlicher Mehrheit dafür gestimmt, die Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Ministerrat aufzunehmen.
Reda beruft sich bei der Veröffentlichung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass der Zugang zu Trilog-Dokumenten nicht grundsätzlich verweigert werden dürfe. Da der Ministerrat ja im Trilog vertreten ist, werden damit zwangsläufig auch die Positionen der EU-Mitgliedsstaaten sichtbar. Und die könnten unterschiedlicher nicht sein, denn zu den beiden umstrittenen Artikeln „Leistungsschutz“ - hier „link tax“ genannt - und „Upload-Filter“ stimmen jeweils nur die Positionen von drei Staaten vollständig überein.
So treten Frankreich, Spanien, Griechenland und Zypern für eine Ausweitung von Leistungsschutzabgaben ein, Österreich, Ungarn und Irland ist der derzeitige Ansatz der Riuchtlinie recht. Italien, Tschechien, Slowenien, Finnland und die Niederlande lehnen Leistungsschutzabgaben überhaupt ab, der große Rest der Mitgliedsstaaten hat unterschiedliche Einwände. Vom üblichen politischen Rechts-Links-Schema ist bei diesen Ratspositionen überhaupt nichts mehr zu sehen.
Public Domain
Risse quer durch die Fraktionen
Dieser Trend hatte sich schon in den beiden Plenarabstimmungen des Parlaments im Juli und September abgezeichnet. Mit Ausnahme der größten Fraktion EVP, die sich am konsistentesten erwies, zeigten sich Risse in allen Fraktionen, bei den Sozialdemokraten wie bei der Rechtsaußenfraktion ENF lief diese Spaltung sogar mitten durch. Die österreichische Ratspräsidentschaft strebt zwar ein Ergebnis noch vor Weihnachten an, angesichts der hier sichtbar gewordenen Gegensätze ist das allerdings fraglich.
Zuletzt hatte der Ministerrat einen ganz neuen Artikel 17a eingefügt, der die derzeit gültigen Copyright-Ausnahmen für Unterrіchtszwecke in Frage stellt. Das Parlament war hingegen mehrheitlich der Ansicht, dass generelle Ausnahmen für Lehrzwecke für neue grenzüberschreitende Bildungsangebote unerlässlich seien, deswegen kam dieser Absatz zuletzt noch in den Text. Hier zeichnen sich also neue Verwerfungen ab, während es für die von der europäischen Digitalwirtschaft vehement geforderten Ausnahmen für Datamining nun besser aussieht.
Ein duopoler Markt
Im Juli hatte das Parlament für weitere Änderungen der Richtlinie gestimmt, und das Trilog-Mandat vorerst abgelehnt.
Dieser neue Wachstumsmarkt für Dienstleistungen im Bereich „Big Data“ und „Künstlicher Intelligenz“ war in der Novelle anfangs schlicht ignoriert worden, ebenso wie Wikipedia, Open-Source-Plattformen, öffentlich-rechtliche Medien - und auch die Urheber. Die wurden im urprünglichen Kommissionsentwurf gerade zweimal kurz erwähnt, denn diese Novelle zielte von Anfang an ausschließlich auf die Verwertungsrechte, also auf Copyrights ab.
EU
Die Richtlinie war und ist als Marktregulativ gedacht und ein solches Regulativ der Kommission ist mehr als überfällig. Die Kommission hatte jahrelang untätig zugesehen, wie sich IT- und Internetkonzerne aus den USA in Irland und anderen Steueroasen Europas niederließen, in Folge waren sie nahezu steuerfrei gestellt. Mit vollen Kriegskassen wurden dann die europäischen Märkte aufgerollt, der Werbungsmarkt im Internet ist das deutlichste Beispiel dafür.
Facebook und Google teilen sich den Markt
Die Richtlinie wurde im November 2016 noch durch den damaligen Digitalkommissar Günther Oettingerauf den Weg gebracht. Die Urheber wurden da nur zweimal kurz erwähnt.
Laut übereinstimmenden Schätzungen beherrscht der Duopol Facebook und Google mittlerweile 70 Prozent des europäischen Werbemarkts im Internet. Auch in Österreich gebe es nur Schätzungen und keine genaue Zahlen, hieß es vom Verband der österreichischen Zeitungsverleger (VÖZ) auf Anfrage von fm4.ORF.at, da die beiden Konzerne nicht nach Einzelstaaten bilanzierten. Die Medienfachmagazine gingen von etwa 50 Prozent Marktanteilen für Facebook und Google in Österreich aus, bis dato mit stetig steigender Tendenz.
Die kleinteilige europäische Medienlandschaft hat den beiden monströsen Klickmaschinen bis jetzt nichts entgegenzusetzen und ebensowenig die Kommission, denn deren Instrumente taugen offenbar nur sehr bedingt dafür. Der derzeitige Anlauf für eine europaweite sogenannte Digitalsteuer, den unter anderen Finanzminister Hartwig Löger vorantreiben will, scheint wenig aussichtsreich. Vergleichbare Vorhaben waren bisher stets an Vetos im Ministerrat von Irland, Zypern, Malta, Luxemburg bzw. Großbrіtanniens gescheitert. Damit wurde der Kommisѕion nie ein Mandat dafür erteilt.
EU
EU-Kartellrecht greift nur bedingt
Im Rechtsausschuss des Parlaments wurden unter der Berichterstatterin Therese Comodini Cachia (EVP) Anfang 2017 Leistungsschutz und Upload-Filter großteils aus dem Text gestrichen. Dann übernahm Axel Voss (EVP) als Berichterstatter, alle gestrichenen Punkte kamen wieder hinein.
Obwohl es beim Duopol Facebook und Google klar um eine marktbeherrschende Stellung auf dem Internet-Werbemarkt geht, greift auch das EU-Kartellrecht hier offenbar nicht. Im IT-Sektor hat es sich nur in ganz bestimmten Fällen als effizient erwiesen, wenn nämlich ein Konzern wie Google seine beherrschende Stellung durch das Android-Betriebssystem dazu benützt, den eigenen Webbrowser damit so zu koppeln, dass alle anderen Mitbewerber ohne Chancen sind. In diesem aktuellen Fall hat Google Beschwerde gegen das milliardenschwere Urteil der EU-Kommission eingelegt.
Fazit und wie es weitergeht
Der eigentliche Grund für die Einsprüche von Kommission und Rat gegen die Aufnahme des Kapitels zu den Urhebern sollte im Fortmalrechtlichen liegen. Einerseits wurde damit das Mandat des Rats an die Kommission und damit der vordefinierte Geltungsbereich der Richtlinie offenbar überschritten. Zudem ist die Abgeltung für Urheber im Text nur sehr schwach verankert, die Mitgliedsstaaten werden dazu aufgefordert, diese Remuneration in irgendeiner Form umzusetzen. Dafür ist nicht Union, sondern sind ihre Mitgliedsstaaten zuständig.
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Der in diesem Trilog ausverhandelte Text muss anschließend in zweiter Lesung durch das Parlament und im Rat muss ebenso darüber abgestimmt werden. Dort braucht es für eine Mehrheit 55 Prozent der Stimmen aller EU-Staaten, zusätzlich muss noch die Schwelle von 65 Prozent in Bezug auf die Bevölkerungsgröße überwunden werden.
Publiziert am 28.10.2018