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Return of the Obra Dinn

Lucas Pope

game

Papierkram auf dem Geisterschiff

Mit dem stylischen First-Person-Adventure „Return of the Obra Dinn“ kehrt der Schöpfer von „Papers, Please“ zurück.

Von Rainer Sigl

Das Jahr ist 1807 und das riesige Segelschiff, das stumm in den Hafen einläuft, hat keine lebende Seele mehr an Bord. Fünf Jahre war das Handelsschiff Obra Dinn auf See verschollen, mitsamt seiner sechzig Mann Besatzung, jetzt ist es plötzlich wieder da. An Bord sind nur Gebeine der unglückseligen Matrosen und Offiziere. Was ist hier geschehen?

“Return of the Obra Dinn” heißt das soeben erschienene Indiespiel, doch das ist kein gruseliges Gespenster-, Piraten- oder Historiendrama, sondern vor allem - ein Versicherungskrimi. Die Obra Dinn war bei der East India Company versichert, und wir haben in der Rolle eines Angestellten dieses riesigen Verwaltungsapparates die Aufgabe, genau nachzuprüfen, was an Bord des Schiffes eigentlich geschehen ist und das Schicksal jeder einzelnen hier ums Leben gekommenen Person minutiös zu dokumentieren.

Monochrome Schönheit

“Return of the Obra Dinn” sieht ganz anders aus, als man das von aktuellen Spielen gewohnt ist. Seine monochrome Schwarzweiß-Grafik ist jener von alten Heimcomputern wie den ersten Macintoshs nachempfunden - auf Wunsch lässt sich das Bild in den Optionen aber auch den zweifarbigen Darstellungsmodi anderer historischer Computer anpassen. Screenshots tun dem Spiel übrigens Unrecht: Trotz - oder gerade wegen - dieser Beschränkung versprüht es besonders bewegt jede Menge Atmosphäre.

Noch spezieller als der Stil dieses First-Person Adventures ist allerdings das Spielprinzip. Durch einen magischen Kompass können wir an bestimmten Stellen des riesigen Schiffs wichtige vergangene Ereignisse erforschen; bewaffnet mit den wenigen verfügbaren Unterlagen des Schiffs wie etwa dem Mannschaftsregister, können wir aus dem, was wir hier beobachten, unsere Schlüsse ziehen. Szene um Szene zeigen sich all die tragischen Todesfälle als Schaubilder, die wir genau unter die Lupe nehmen können. Detail um Detail erhellen wir so hoffentlich das blutige Schicksal des Geisterschiffes.

Return of the Obra Dinn

Lucas Pope

Bürokratie vom Bürokratie-Profi

Mit “Papers, Please” hat Lucas Pope einen Indieklassiker geschaffen, sein neues Spiel ist ein weiteres Unikat. Ging es in Ersterem um die bürokratische Mühsal, die bei Grenzübergängen nötig ist, ist nun das Ausfüllen von Listen und Formularen das zentrale Spielelement, durch das unsere Schlussfolgerungen in streng genaue Form gebracht werden müssen.

Erschienen ist “Return of the Obra Dinn” für Windows, Mac und Linux.

Auch “Return of the Obra Dinn” verlangt uns Genauigkeit beim Papierkram ab, doch statt Zeitdruck und Routine warten hier eine Reihe cleverer Kopfnüsse auf uns. Wenn wir erfolgreich die losen Fäden verknüpfen, finden wir zum Beispiel heraus, dass dieses wegen seines Akzents genau identifizierbare Mordopfer hier nur von genau jenem Matrosen da getötet werden konnte, den wir wiederum auf einem Bild erkannt haben. Die verworrenen Beziehungen aufzuklären und jede Person und ihr Schicksal fein säuberlich zu identifizieren, bietet ein Erfolgserlebnis, das andere Puzzlespiele in den Schatten stellt.

“Return of the Obra Dinn” ist ein optisch und spielmechanisch außergewöhnlich gelungenes Logikrätsel, das es schafft, dass wir uns wieder und wieder wie Sherlock Holmes fühlen. Seinem Macher Lucas Pope ist damit zum zweiten Mal etwas ganz Besonderes geglückt.

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