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11-11 Memories Retold

Bandai Namco

Game

Schlachtfelder wie Ölgemälde

„11-11: Memories Retold“ erzählt in fast zu schönen Bildern vom Grauen des Ersten Weltkriegs.

Von Rainer Sigl

Vor hundert Jahren, am 11. November 1918, war er dann vorbei. Der Erste Weltkrieg, der in vier Jahren über 17 Millionen Opfer gefordert hatte, wurde durch die Unterzeichnung der Pariser Friedensverträge offiziell beendet. Die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ markiert einen historischen Einschnitt mit Folgen bis in die Gegenwart und dennoch bekommt man den bis dahin umfassendsten und verheerendsten Krieg der Menschheitsgeschichte in Filmen und Spielen nur selten zu sehen.

Mit “11-11: Memories Retold” bietet uns nun ein Videospiel die Gelegenheit, auf ganz besondere Art und Weise mehr über diesen Krieg zu erfahren, denn in dem stehen wir auf beiden Seiten: Zum einen in der Figur des kanadischen Fotografen Harry, zum anderen als deutscher Ingenieur Kurt. Während Harry aus Abenteuerlust und Naivität auf den Schlachtfeldern Frankreichs landet, sucht Kurt in den Schützengräben nach Spuren seines Sohns Max, der im Krieg vermisst wird.

Leben und Sterben in den Schützengräben

„11-11: Memories Retold“ steht in der Tradition des Antikriegsfilms, in dem der Blick auf die Realität des Kriegs keinen Hurrapatriotismus und keine glorreichen Schlachten zulässt, sondern das oft tragische Schicksal der Menschen im Krieg im Zentrum steht. Der Weg der eigentlich verfeindeten Soldaten Kurt und Harry kreuzt sich immer wieder, während wir beide abwechselnd und manchmal gemeinsam durch kurze Sequenzen steuern. Zwar gibt es da auch Aufgaben und kleine Rätsel zu lösen, allerdings steht immer die interaktive Story im Vordergrund.

Geschossen wird dabei übrigens nur mit Harrys Kamera - im Gegensatz zu den allermeisten Spielen über den Krieg sind wir zwar an der Front, aber kämpfen nicht. Als Kriegsfotograf dürfen wir auch jederzeit Bilder vom Leben in den Schützengräben schießen, die an Zeitungen zuhause, aber auch an unsere daheim gebliebene Freundin geschickt werden können. „Memories Retold“ ist so auch ein Spiel über die Ästhetik des Krieges - und die Macht der Bilder. Darin liegt auch sein Dilemma.

11 11 Memories Retold

Bandai Namco

Krieg, wie gemalt ...

Der Erste Weltkrieg, den man sonst nur von vergilbten Schwarzweißfotos kennt, bekommt in „11-11: Memories Retold“ eine ganz besondere Präsentation, denn in diesem Spiel sieht alles aus wie auf einem impressionistischen Gemälde von Monet oder Van Gogh - grafische Filter, die die bewegten Bilder aussehen lassen wie mit breitem Pinsel gemalte Ölschinken, verfremden jede Szene.

Die berühmten Animationsprofis von den Aardman Studios, bekannt für ihre Knetmasse-Helden „Wallace und Gromit“, geben „Memories Retold“ eine traumhafte Anmutung - wie in unschärfer werdenden Erinnerungen sind die Bilder hier nicht realistisch scharf, sondern sanft und weit entfernt. Dass dadurch das Grauen der Schützengräben und auch der chaotischen Schlachten fast zu pittoresk oder gar kitschig ästhetisiert wird, ist auch angesichts der hin und wieder in allzu rührseligen Kitsch abdriftenden Geschichte eine Schwäche dieses ansonsten gelungenen Spiels.

11 11 Memories Retold

Bandai Namco

... und ganz ohne Helden

Ein weiteres Kuriosum wird hingegen nur deutschsprachigen Spielerinnen und Spielern störend vorkommen: Die hervorragend gesprochenen Dialoge (u.a. mit Elijah Wood in einer Hauptrolle) sind je nach Protagonist zwar Englisch als auch (im Original) Deutsch; nur in den erzählenden Monologen wendet sich auch der Deutsche Kurt auf Englisch an uns. Das hätte man besser lösen können.

“11-11: Memories Retold”, erschienen für Windows, PS4 und Xbox One.

Dass spielerisch hier letztlich eher Durchschnittskost geboten wird, macht hingegen trotz der erwähnten Kritikpunkte dank außerordentlicher Präsentation und spannender Story nur wenig. Wie das ebenfalls vom Ersten Weltkrieg erzählende „Valiant Hearts“ ist auch „11-11: Memories Retold“ ein mitreißendes Kriegsdrama, das ganz ohne Heldenverehrung und Schießen auskommt.

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