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Ein Gedenkdiener vor einer Gedenktafel

Verein Österreichischer Auslandsdienst

Die unsichere Zukunft des Gedenkdienstes im Ausland

Junge Menschen, die sich in Form eines Gedenkdienstes im Ausland engagieren, zeigen, dass die Republik Österreich ihre belastende Geschichte verantwortet und einen aktiven Beitrag zu deren Aufarbeitung leistet. Doch die weitere Finanzierung dieser Gedenkdienste ist unsicher.

Von David Riegler

Ausgerechnet im Gedenkjahr 2018 gibt es Probleme mit dem Gedenkdienst. Der „Verein Gedenkdienst“ warnt davor, 2019 keine Gedenkdienerinnen und -diener mehr ins Ausland entsenden zu können. Hauptgrund dafür ist die hohe Bürokratie und die Unterfinanzierung der Gedenkdienenden. Nur noch ein letzter Verein garantiert, junge Menschen ins Ausland zu schicken, um an Holocaust-Gedenkstätten ihren Dienst zu leisten.

Wie der Zivildienst, ist der Gedenkdienst ein Wehrersatzdienst und dauert zehn bis zwölf Monate. Bis 2016 war der Gedenkdienst nur für wehrpflichtige Männer gefördert. Seitdem bekommen auch Frauen und nicht wehrpflichtige Männer die volle Förderung, wenn sie Gedenkdienst leisten. Die Jugendlichen werden in die ganze Welt entsendet, um über den Holocaust aufzuklären und bei Gedenkstätten mitzuarbeiten. Der erste Gedenkdiener leistete 1992 seinen Dienst im Museum Auschwitz-Birkenau und seitdem ist ein weltweites Netzwerk von Melbourne bis Petrópolis entstanden. Die Aufgaben reichen von der Mitarbeit im Archiv bis zu Vorträgen in Schulen, das Ziel ist jedoch immer gleich: Man will zeigen, dass die Republik Österreich ihre belastende Geschichte verantwortet und einen aktiven Beitrag zu deren Aufarbeitung leistet.

Die prekäre Situation der Trägervereine

Die Organisation und Betreuung der Auslandsaufenthalte wurde früher von drei Trägervereinen übernommen, eine Basisfinanzierung gibt es dabei nicht. Die Vereine sind berechtigt sich einen kleinen Teil der Förderung des Gedenkdienstes einzubehalten um Verwaltungskosten zu decken, ansonsten finanziert man sich über Spenden oder ehrenamtliche Mitarbeit. Mit der Novellierung des Freiwilligengesetzes im Jahr 2017 ist der bürokratische Aufwand jedoch deutlich in die Höhe geschnellt. Die Vereine müssen beispielsweise eine Vorschulung von mehr als 100 Stunden anzubieten.

Gedenkstätte

Verein Österreichischer Auslandsdienst

Von Seiten der Politik wird argumentiert, dass der Fördertopf für Friedens-, Sozial- und Gedenkdienste auf 1,2 Millionen Euro erhöht wurde, davon spüren die Vereine jedoch wenig. Der Gedenkdienst wird nicht eigenständig behandelt und muss sich das Fördergeld mit dem stetig wachsenden Sozialdienst im Ausland aufteilen. Außerdem ist das Fördergeld pro Kopf auf 720 Euro gedeckelt. Nach Abzügen der Versicherungsbeiträge, bleiben den Gedenkdienstleistenden rund 500 Euro pro Monat, um sich das Wohnen und Leben zu finanzieren. Dieser Betrag wurde seit Jahren nicht an die Inflation angepasst und es wird immer schwerer für die jungen Menschen, davon zu leben. Anstatt die Situation für die bestehenden Gedenkdienende zu verbessern, ermöglicht die erhöhte Förderung, insgesamt mehr Menschen ins Ausland zu schicken.

Der kleinste der drei Vereine, die sich für den Gedenkdienst engagieren, „Niemals Vergessen“ konnte schon 2017 keine Gedenkdienstleistenden entsenden und ist seitdem nicht mehr aktiv. Als Gründe wurden finanzielle Probleme und ein administrativer Mehraufwand durch das Freiwilligengesetz genannt.

Nun scheint auch der „Verein Gedenkdienst“ an seine Grenzen zu stoßen. Auf der Vereinswebsite wird darauf hingewiesen, dass man sich zwar für die nächsten Jahrgänge bewerben kann, jedoch gibt es keine Garantie, dass man Gedenkdienerinnen und –diener entsenden wird. „Uns geht es in erster Linie darum, dass die Gedenkdienstleistenden im Ausland finanziell abgesichert sind. Wir können es einfach nicht verantworten weiterhin junge Menschen ins Ausland zu schicken, wo wir genau wissen, dass sie sich die Miete kaum leisten können“, sagt Vereinsobmann Patrick Gyasi. Der Verein bietet normalerweise 25 Plätze pro Jahrgang an, die sind nun gefährdet. Noch in diesem Monat ist ein Gespräch mit dem Sozialministerium angesetzt, um eine Einigung zu erzielen, denn spätestens im Dezember muss der Verein Gedenkdienst entscheiden, ob man Gedenkdienende entsenden wird.

Auf Anfrage weist das Sozialministerium darauf hin, dass bereits einige Verbesserungen eingeführt worden sind, zum Beispiel kann man nun auch die Familienbeihilfe beziehen und hat Anspruch auf ein Taschengeld. Trotzdem gehe es nicht darum, de gesamten Auslandsdienst aus öffentlicher Hand zu finanzieren, sondern die Mehrbelastungen abzufedern, die bei einem Auslandsaufenthalt entstehen. Die bestehende Förderung durch den Bund sei Ausdruck der besonderen Bedeutung, die er diesen Diensten zumisst, so die Erklärung.

Der letzte Verein

Der Verein „Österreichischer Auslandsdienst“ ist mit 34 Gedenkdienerinnen und -dienern der größte Verein und auch der einzige, der die nächsten Jahre garantiert Jugendliche entsenden wird. Doch auch Finanzreferent Daniel Haim spürt den Druck durch die erhöhte Bürokratie: „Besonders im Büro haben wir auch Herausforderungen und da würden wir uns eine bessere finanzielle Ausstattung der Vereine selbst wünschen.“

Gedenkdiener und Finanzreferent Daniel Haim

Verein Österreichischer Auslandsdienst

Gedenkdiener und Finanzreferent Daniel Haim.

Beide Vereine sind sich einig, dass die Gedenkdienstleistenden eine höhere Förderung bekommen sollten. Der Österreichische Auslandsdienst wünscht sich circa 1000 Euro pro Monat für jeden jungen Menschen, der Gedenkdienst leistet. Nach Versicherungsbeiträgen würden rund 800 Euro übrig bleiben, die das Leben an den Einsatzorten finanzieren könnten.

Daniel Haim sieht die Zukunft des Gedenkdienstes jedoch nicht in Gefahr. Der Österreichische Auslandsdienst wird auch weiterhin Gedenkdienstleistende entsenden, unabhängig von der Förderhöhe, denn der Andrang für die wenigen Stellen ist noch immer hoch. Der Österreichische Auslandsdienst hat genug Bewerbungen um alle Stellen zu besetzen, teilweise sogar drei Jahre im Voraus. Trotzdem zeigt sich Daniel Haim solidarisch und würde das Wegfallen des Vereins Gedenkdienst sehr bedauern: „Beide Vereine haben unterschiedliche Kompetenzen und bieten andere Einsatzorte an.“, sollte ein Verein wegfallen, würde es demnach auch der Institution Gedenkdienst schaden.

Der Gedenkdienst als elitäres Projekt

Viele kritisieren, dass der Gedenkdienst in den letzten Jahren zu einem Projekt der Elite wurde. Ein Kind aus einer Arbeiterfamilie kann sich den Auslandsaufenthalt kaum leisten, vor allem in Städten wie New York, London oder Tel Aviv, reichen die rund 500 Euro nicht einmal für die Miete aus. Darum müssen die Jugendlichen entweder die eigenen Ersparnisse anzapfen oder die Familie um tatkräftige finanzielle Unterstützung bitten. Mit jedem Jahr ohne Inflationsangleichung wird es jedoch gerade für Kinder aus Arbeiterfamilien immer schwieriger, sich einen Gedenkdienst zu finanzieren - da sind sich der „Verein Gedenkdienst“ und der Verein „Österreichischer Auslandsdienst“ einig. „Der Gedenkdienst ist zu einem gewissen Grad eigentlich ein Elitenprojekt“, sagt Patrick Gyasi vom „Verein Gedenkdienst“. „Leute, die Gedenkdienst leisten, sind eher die aus gut-bürgerlichen Häusern, die sich das auch leisten können“, sagt er. Nur einzelne Einsatzorte in Polen und Ungarn können ohne hohe Zusatzkosten als Einsatzort dienen.

Beide Vereine sind in Kontakt mit dem zuständigen Sozialministerium, um über die Zukunft des Gedenkdienstes zu sprechen. Denn der Gedenkdienst soll für alle zugänglich sein, meint Daniel Haim. Alle Seiten sind sich einig, dass der Gedenkdienst eine großartige und wichtige Institution ist, die dazu beiträgt die NS-Vergangenheit der Republik Österreich aufzuarbeiten. Nun muss jedoch geklärt werden, wie das Projekt in Zukunft finanziert wird, damit es weiterhin als wichtiger Pfeiler des österreichweiten Gedenkens bestehen bleibt.

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