FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Kettcar

Andreas Hornoff

Was hat dich bloß so inspiriert?

Für das aktuelle Album hat sich Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch die Frage gestellt, wie eine lebenswerte Gesellschaft ausschaut. Eine Frage bei der das „Individuum gegen die Gemeinschaft "clasht“. Und darauf bezieht sich auch der Albumtitel bezieht: „Ich vs. Wir“. Im Interview hat er mit uns über einige seiner Inspirationsquellen gesprochen.

Von Susi Ondrušová

Mit „Ich vs wir“ haben Kettcar vor einem Jahr ein Album veröffentlicht mit dem sie wieder beweisen, dass sie eine Band mit Herz und Hirn sind, dass sie keine Angst vor der Verschränkung „Pop und Politik“ haben. Ja, das ist doch die Verantwortung von Kunst.

Kettcar sind eine der wichtigsten deutschsprachigen Rock-Bands und für das aktuelle Album hat sich Marcus Wiebusch die Frage gestellt, die sich quasi alle stellen: Wie schaut eine Gesellschaft aus, die lebenswert und lebensfähig ist? Eine Frage bei der das „Individuum gegen die Gemeinschaft clasht“ worauf sich letztendlich auch der Albumtitel bezieht: „Ich vs. Wir“

Im Rahmen ihrer Herbst-Tour, die die Band am Samstag den 17. November auch ins Wiener Gasometer führen wird, hat sich Marcus Wiebusch Zeit genommen, um mit FM4 über einige seiner Inspirationsquellen zu sprechen. Wenn man Musiker und Songwriter letztendlich als Schwämme versteht, die alles um sich herum aufsaugen, um sich einen Reim auf den Lauf der Welt zu machen und das in Form von Songs zu verarbeiten, was saugt Marcus Wiebusch so auf?

„Wenig verwunderlich aber meine größte Inspirationsquelle ist die Musik!“

Das Gespräch mit Marcus Wiebusch fängt mit Bruce Springsteen an und hört auch mit ihm auf. Schon seit den 80ern, als er noch in der Prä-Kettcar-Ära in der Punkband „… But Alive“ gespielt hat, war er Fan vom Boss. In den letzten zehn Jahren („da gibt es bei Bruce Springsteen ja in letzter Zeit nicht so viel zu holen“) hat er eine weiter US Band für sich „als ständige Quelle der Inspiration“ entdeckt nämlich The Hold Steady.

„Der Sänger Craig Finn hat auf seinen ersten Holde Steady Platten noch mehr gesprochen und als ich mit ’Sommer ‚89‘ so überlegt habe, in welche Form man diese Idee des Songs gießen kann, da ist Hold Steady die größte Inspiration gewesen", sagt Marcus Wiebusch. „Ich hab dann irgendwann gesagt, ‚Mach es einfach wie Craig Finn! und breite die Geschichte aus, wie du sie sprichst.‘“ So ist dann etwa der Song ‚Sommer’89‘ entstanden.

Kettcar

radio fm4 / Franz Reiterer

„Gute Serien sind die neue Literatur“

Was das Songschreiben betrifft, liefern auch Autoren von Serien eine gute Quelle der Inspiration. Die „absolute Lieblingsserie“ vom Kettcar Sänger ist „The Wire“ vom Autor David Simon, der auch „Show Me A Hero“ geschrieben hat.

„Was ich auch als Künstler immer versuche ist die Dialektik reinzukriegen in Songs, dass man etwas nicht nur von einer Seite betrachtet sondern, dass man das dialektische auch erkennt und auch zu formulieren weiß. Und da ist David Simon, der Macher von ‚The Wire‘ oder ‚Show Me A Hero‘ unerreicht was so Drehbuch-Kunst anbelangt", sagt Marcus Wiebusch.

"Das finde ich wahnsinnig inspirierend. Ich finde so flottere Serien wie ‚Breaking Bad‘ auch ganz toll, wenn sie in menschliche Abgründe reingehen. Ich destilliere dann oft nicht einen Satz aus diesen Serien sondern ein Gefühl. Dass der Mensch halt nicht eindeutig gut oder schlecht ist sondern, dass man oft den Boden, auf dem der Mensch seine Handlungen tätigt, mitberücksichtigt und das find ich als Songwriter wahnsinnig inspirierend.“ Als Beispiel dafür ein Thema von allen Blickwinkeln zu betrachten und berücksichtigen, nennt Wiebusch den Song „Wagenburg“ vom letzten Kettcar Album.

„Literatur ist sich von vielen Sätzen berauschen lassen, die einen so wirklich dann begleiten!“

Marcus Wiebusch liest viel. Neben Jonathan Franzen und Ian McEwan nennt er die amerikanische Autorin Jennifer Egon „die beste Schriftstellerin der Welt“ und meint „Manhattan Beach“ und „A Visit From The Goon Squad“ sind „atemberaubende“ Werke. Wenn Wiebusch von einem Buch „begleitet“ wird, heißt das, dass er sich in sein (früher) Notizbuch oder (jetzt) Handy bestimmte Sätze und Formulierungen notiert.

Kettcar Live: Am 17.November treten Kettcar im Rahmen der FM4 Indiekiste im Wiener Gasometer auf. Mit dabei als Support: Felix Kramer.

Als Beispiel dafür erinnert er sich an ein Kurzgeschichtenbuch von David Benioff (u.a. „25 Stunden“, „Stadt Der Diebe“), das ihn zum Satz und Song „Benzin und Kartoffelchips“ inspiriert hat. „So Sätze, die stehen in einer Kurzgeschichte und dann schreib ich sie in mein Büchlein und irgendwann wenn ich dann mit meiner Akustikgitarre auf der Bettkante sitze (lacht) und so überlege, was für Songs man schreiben kann, dann hol ich das Büchlein hervor und da stehen dann so einzelne Sätze und dann lass ich mich natürlich auch inspirieren und mache ein Werk, das dann gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Werk zu tun hat, aus dem ich den Satz her habe. Aber so entsteht dann etwas Neues und das ist eine ständige Quelle der Inspiration.“

Nachgefragt wie er zu Lyrik steht, erwähnt Wiebusch eine Zugfahrt nach Berlin, als er im Radio eine Lesung vom Lyriker und Georg-Büchner-Preis Gewinner Jan Wagner gehört hat:

„Lyrik ist ja immer so ein Vorschlag für den Leser oder Hörer wo er mit seinen Gedanken hinmöchte und es ist nichts eindeutig in der Lyrik beziehungsweise es ist nicht so klar wie ein Roman oder eine Kurzgeschichte, weil das Narrative auch oft komplett fehlt. Und das ist halt wahnsinnig kraftvoll und inspirierend. Ich gönn’ mir das ab und zu mal wie auf dem letzten Album in ‚Mit der Stimme eines Irren‘. Aber in der Regel, weil ich von so einer US-amerikanischen Singer/Songwriter Schule namens Bruce Springsteen komme, will ich eine Geschichte erzählen. Das reizt mich ganz stark aber ich bin als Songwriter nicht festgefahren, wenn ich dann mal konfrontiert bin und es mich triggert, dann find’ ich das echt, echt spannend.“

mehr Musik:

Aktuell: