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Fake it till you make it

Die amerikanische Metalband Threatin erschwindelt sich eine Europa-Tour und fliegt damit natürlich auf. Ein Zeichen der Zeit? Wäre das auch in Österreich möglich? Wir haben nachgefragt.

Von Daniela Derntl

Bild: Ausschnitt | Original | CC BY-SA 4.0

Wer kennt ihn nicht, den Spruch „Fake it till you make it“? Jetzt hat ein amerikanischer Metal-Musiker das Selbstoptimierungsmantra beinhart durchgezogen. Jared Threatin hat sich einiges einfallen lassen, um seiner Band Threatin eine Europa-Tournee zu erschwindeln. Er hat sich Facebook-Likes und Youtube-Klicks gekauft, hat eine fiktive Booking Agentur gegründet, bei der – um den Schein zu wahren - auch andere fiktive Acts unter Vertrag waren. Er hat Live-Videos von angeblich vollen Konzerten mit gefakten Kommentaren erstellt, einen frei erfundenen Award gewonnen, und er hat auch noch eine gefakte Music-News-Website installiert, um den Eindruck zu erwecken, dass tatsächlich über seine Band berichtet wird, die als simpler und schlecht produzierter Metal-Pop kaum internationale Beachtung finden würde.

Mit diesem Lügenkonvolut konnte Jared Threatin britische und deutsche Veranstalter erfolgreich blenden. Aber der Schwindel flog natürlich schnell auf, als zu den ersten Konzerten im Londoner Club „The Underworld Camden“ und „The Exchange“ in Bristol kein Mensch auftauchte. Zum Leid der Booker, die dadurch bitteres, aber auch verdientes Lehrgeld zahlen mussten. Im Nachhinein fand der Club in Bristol heraus, dass alle User, die auf Facebook zugesagt hatten, aus Brasilien kamen. Das hätte man auch vorher überprüfen können.

Die Geschichte klingt jedenfalls wie ein famoser Prank, ist aber auch ein Zeichen der Zeit, in der sich mit gekauften Klicks und Likes sehr einfach künstliche Hypes generieren lassen. Aber wäre das auch in Österreich möglich?

Reaktionen

Christoph Käfer vom Konzert-Veranstalter Barracuda Music, der u.a. auch das Nova Rock Festival organisiert, winkt ab: „Der Veranstalter muss ja mitkriegen, dass keine Tickets verkauft werden. Bei uns ist es so, dass wir über internationale Agenturen buchen, sprich, da steht der jeweilige Agent hinter und vor jeder Band. Und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die international angesehen Agenturen Fake-Bands unter Vertrag nehmen würden, weil das basiert ja immer auf bereits Gesehenem. Wenn ein Agent eine Band signed, dann sieht er sie ja irgendwo vorher spielen, bei Showcase- oder Newcomer-Festivals. Aber verlassen tun wir uns im Endeffekt auf gar nichts. Natürlich gibt’s immer wieder Acts, die bei uns noch nicht die ganze Firma kennt. Aber unser Booking-Department besteht aus knapp zehn Personen, und bei den 300 bis 350 Konzerten, die wir im Jahr veranstalten, kennt zumindest einer im Booking-Department die jeweilige Band und weiß, was auf einen zukommt. Dass wir eine unbekannte Band von irgendeiner Agentur oder Privatperson buchen, funktioniert nicht. Auch wegen dem internen Handling, was Gagen-Zahlungen betrifft. Es muss eine Rechnung geben mit einem Firmenwortlaut, mit einer Firma, die es auch gibt, einer Steuernummer, egal ob in Österreich oder international. Das muss ja bis ins kleinste Detail ausgefeilt sein, was man theoretisch aber auch fälschen könnte. Aber nochmal: Eine Band zu buchen, nur aufgrund eines Youtube-Videos mit vielen Klicks, würde nicht funktionieren. Speziell in Österreich. Es wird keinen internationalen Act geben, der die allererste Show in Österreich spielt und dann ein österreichischer Veranstalter darauf reinfällt. Österreich ist einfach zu klein dafür. Bands werden nicht in Österreich groß, sondern im Ausland. Sei es in England, Amerika, Skandinavien, den Benelux-Ländern. Es gibt natürlich einige wenige Ausnahmen, aber auf Bilderbuch kann man sich ja auch verlassen, da ist ja auch niemand reingefallen.“

Auf menschliche Komponente setzen

Interessant ist auch, dass es laut Christoph Käfer seit einiger Zeit bei Facebook keinen Like-Check mehr gibt, also die Möglichkeit, zu überprüfen, von wo die Facebook-Likes einer Seite stammen. Auch im Linzer Posthof schaut man sich die Facebook-Profile der Bands genauer an: „Natürlich ist Social Media ein großes Thema, aber wir haben zum Glück Expertinnen bei uns sitzen, die uns da helfen, damit man das irgendwie verifizieren kann“, erklärt der Posthof-Booker Bernd Himsl. „Aber es ist schon sehr beeindruckend und auch erschreckend, was dieser Herr da geschafft hat. Und ich glaube, das wird in Zukunft noch öfters passieren. Grundsätzlich verlassen wir uns auf unsere eigene Meinung, wo man natürlich die Fühler ausstreckt und sich selbst von einer Band überzeugt. Bei uns steckt sehr viel Old-School-Arbeit drinnen. Wir fahren selber zu vielen Konzerten, vielen Showcases und schauen uns das an, ob das funktioniert. Und wir sind natürlich im Austausch mit anderen Veranstaltern, arbeiten mit den Agenturen und Menschen unseres Vertrauens. Wir sind da ziemlich auf der sicheren Seite, glaube ich. Also - dass uns sowas mal passieren könnte, ist natürlich möglich, aber nicht sehr realistisch. Allerdings bekommt man mit dieser Geschichte auch einen Spiegel vorgesetzt, und das ist vielleicht eh kein Fehler, dass man sich viel mehr auf analogere Sachen verlassen sollte. Einfach mit Menschen sprechen. Es müssen auch nicht immer Profis sein, es reicht ja, wenn ich im Freundeskreis frage, was sie von einer Band halten. Die menschliche Komponente sollte nicht verloren gehen.“

Potential für Betrug

Tatjana Domany vom österreichischen Musikfonds würde es auch einer heimischen Band zutrauen, die Zahlen zu frisieren: „Prinzipiell halte ich es total für möglich, dass auch eine österreichische Band auf die Idee kommt, sich ganz viele Likes und Klicks zu kaufen. Aber man hat an der Geschichte auch ganz gut gesehen, dass das eine begrenzte Halbwertszeit hat. Spätestens, wenn die Leute bei der Tour nicht auftauchen, wie ja auch in dem Fall, wird sehr schnell klar, was da dahinter steckt. In dem Zusammenhang fällt mir die Geschichte ein, dass vor ein paar Jahren ein bulgarischer Producer ganz viele Fake-Tracks für Spotify gemacht hat und auch ganz viele Fake-Profile angelegt hat und dann mit den Plays ganz gut mit den Lizenzen verdient hat von Spotify. Also Potential für Betrug gibt es sicher. Ich wüsste aber aus Österreich keinen Fall, wo das wirklich massiv passiert wäre. Und ich halte es für unwahrscheinlich, dass so eine Geschichte wie mit Threatin hier passieren würde.“

Jared Threatin hat auf alle Fälle sein Ziel erreicht. Seine One-Man-Band ist berühmt, wenn auch nicht so, wie er sich das gedacht hat.

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