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APA/CHRISTIAN WIND

„Micro Mobility“: Die E-Scooter in Wien

Überall in Wien stehen die E-Scooter auf den Gehsteigen und warten darauf ausgeliehen zu werden. Die Anbieter sprechen von einer ökologischen Alternative zum Auto. Kritiker befürchten ein ähnliches Desaster für die Stadt Wien wie bei den Bike-Sharing Angeboten, die nach der Pleite auf öffentlichen Plätzen herumlagen.

Von David Riegler

Wer einen Spaziergang durch Wien macht, trifft früher oder später auf die elektrisch betriebenen Scooter, die auf Gehsteigen und öffentlichen Plätzen geparkt sind und auf Nutzerinnen und Nutzer warten. Die knapp 2.000 Scooter haben keine fixe Station und können fast überall abgestellt werden.

Das Modell „E-Scooter-Sharing“

Das Prinzip ist bei allen Sharing-Diensten sehr ähnlich. Um sich einen Scooter auszuleihen, muss man sich die App des Anbieters runterladen und per Standortbestimmung bekommt man freie Modelle in der Nähe angezeigt. Drei verschiedene Anbieter konkurrieren in Wien um potentielle Nutzerinnen und Nutzer: Tier, Bird und Lime. Bezahlt wird über die Kreditkarte, preislich gibt es keinen Unterschied zwischen den Anbietern. Pro Fahrt zahlt man einen Euro Grundgebühr und 15 Cent pro Minute.

Wie kommen die E-Scooter auf der Straße an? Wir haben uns umgehört.

Rechtlich gelten alle E-Scooter bis 25 km/h als Fahrrad, das heißt, das Fahren auf dem Gehsteig ist nicht erlaubt, jedoch darf man auf der Straße fahren, auch wenn kein Radweg vorhanden ist. Diese Regelung gilt derzeit nur für Wien, denn die Gesetzeslage wird von den Ländern bestimmt.

„Micro Mobility“ und „Green Mobility“

Jeder Trend bekommt früher oder später einen Namen und im Fall der Scooter ist das „Micro Mobility“. Die Startup-Szene hat diesen Begriff eingeführt, um ein Schlagwort für das Modell „E-Scooter-Sharing“ zu haben. „Micro Mobility“ soll eine Lösung dafür sein, kurze Strecken schnell zu überwinden, ohne in ein Auto steigen zu müssen. Da die Scooter alle einen Elektromotor eingebaut haben, könnte man sie theoretisch mit Öko-Strom aufladen. Aus diesem Grund fällt in der Startup-Szene auch oft der Begriff „Green Mobility“. Ob und wie oft die Scooter wirklich mit Öko-Strom aufgetankt werden, ist nicht bekannt. Die Anbieter werben trotzdem mit dem ökologischen Vorteil der Scooter, zum Beispiel heißt es auf der Website des Anbieters Tier: „By travelling with us you don’t contribute to any more noise, smog or other environmental pollution:“ Der Anbieter Bird schreibt auf seiner Website: „Bird encourages clean, car-free alternatives.“

E-Scooter in Wien

radio fm4 / David Riegler

Harald Frey ist Mobilitätsforscher an der TU Wien und wird in den nächsten Monaten mit seinem Team Feldforschung betreiben, um herauszufinden, ob die Scooter wirklich als Alternative zum Auto genutzt werden. Seiner Erfahrung nach ist genau das eine große Herausforderung. „Es ist sehr schwierig, Leute überhaupt raus aus dem Auto zu bringen, wenn nicht entsprechende Maßnahmen gesetzt werden - Stichwort Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Radinfrastruktur", sagt Frey. Aber es liefere natürlich einige Argumente, wenn es bequeme Alternativen gibt. "Wenn man sagt: Ihr müsst es nicht besitzen, sondern könnt es euch für die Situationen, für die ihr es braucht, ausleihen.“.

Aber: Micro-Mobility ist für Kurzstrecken ausgelegt, nicht für längere Fahrten. Daher befürchten Kritiker, dass die Scooter keine Autofahrten ersetzen, sondern eher Kurzstrecken, die bisher zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigt wurden.

Das Geschäftsmodell E-Scooter

Das rasante Wachstum der E-Scooter-Startups hat vor allem mit einem gewinnversprechenden Kostenmodell zu tun. Die Scooter selbst sind der größte Kostenpunkt, doch es fallen keine Kosten für Stationen oder ähnliches an, da man als Abstellfläche den öffentlichen Raum nutzt. Die Scooter müssen natürlich aufgeladen und gewartet werden, doch auch dafür muss man nicht unbedingt Personal einstellen.

Es gibt ein Phänomen namens „Gig Economy“, das hier hilfreich ist. Dabei werden Menschen, die kleine Nebenjobs machen und dafür Honorare bekommen, engagiert. Bird und Lime nennen diese Menschen „Charger“ oder „Juicer“. Ohne Anstellung kann man also für die Unternehmen die Scooter bei sich zuhause aufladen und bekommt ein Honorar dafür.

E_Scooter am Gehsteig

radio fm4 / David Riegler

Sobald die Einkaufskosten für die Scooter selbst eingenommen wurden, sind sie im Idealfall fahrende Einnahmequellen, die nur noch Gewinn ausschütten. Das Konzept klingt wirtschaftlich vielversprechend und darum bekommen die Unternehmen vergleichsweise hohe Investitionszahlungen. Bekannte Geldgeber wie „Uber“ und „Google“ haben schon mehrere Millionen in die E-Scooter investiert. Den Unternehmen Lime und Bird wird mittlerweile ein Wert von über einer Milliarde Dollar zugerechnet. Die Anbieter stehen allerdings in einem harten Konkurrenzkampf, denn auf lange Sicht wird sich wohl nur einer der Konkurrenten durchsetzen.

Das Geschäft mit den Daten

Neben den Umsätzen, die durch die Mieten der Scooter zustanden kommen, bietet das E-Scooter-Geschäft aber auch noch eine andere mögliche Einnahmequelle. Die Scooter verfügen über GPS, mit dem die gefahrene Strecke aufgezeichnet wird. Vor der Nutzung muss man den Vereinbarungen zustimmen, in denen steht, dass die aufgezeichneten Daten prinzipiell auch an Dritte weitergegeben werden dürfen.

Dazu sagt Mobilitätsforscher Harald Frey von der TU Wien: „Im Grunde genommen habe ich eine Vollaufzeichnung über mein Mobilitätsprofil, wenn ich mit diesem Scooter unterwegs bin. Und das kann an irgendwelche Personen weitergegeben werden." Ob das auch im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer ist, sollte kritisch hinterfragt werden, so der Wissenschafter. In einer Stellungnahme des Anbieters Bird heißt es dazu: „Wir haben bislang keine persönlichen Daten verkauft und werden das auch nie tun.“ Fakt ist, dass derartige Daten über die Mobilität, für viele Unternehmen sehr wertvoll sein könnten.

Das Schicksal von Bike-Sharing-Diensten

Noch bevor es den E-Scooter-Trend in Wien gab, konnte man ein anderes Sharing Modell beobachten. Die Unternehmen Obike und Ofo haben Fahrräder in Wien zur Verfügung gestellt, die man ebenfalls per App ausleihen konnte und danach einfach im öffentlichen Raum stehen ließ. Als Obike Pleite ging, standen plötzlich rund 1.000 besitzerlose Fahrräder herum, die von der Stadt Wien entsorgt werden mussten.

Für die E-Scooter gab es von Anfang an strengere Regeln, die verhindern sollen, dass auch die Scooter bei der MA 48 enden. Trotzdem wäre es nicht Wien, würde sich nicht irgendjemand über die neuen Transportmittel aufregen. Das Stadtservice Wien hat bislang 19 Beschwerden verzeichnet - alle über ungünstig abgestellte Roller.

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