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Call of Cthulhu

Cyanide

Kosmischer Horror, wie gehabt

Das „Ermittlungsrollenspiel“ „Call of Cthulhu“ bringt die Horrorvisionen des großen H.P. Lovecraft auf die Bildschirme - Déjà-vus sind unvermeidlich.

Von Rainer Sigl

Dunkle Rituale, unaussprechliche Kulte und tentakelige Riesengötter aus den Tiefen des Weltraums, bei deren Anblick man sofort verrückt wird: Nennt man diese Motive, kann nur einer gemeint sein. Der US-Autor Howard Philipps Lovecraft war ein Genie der Horrorliteratur.

Der vor 81 Jahren, 1937, verstorbene Sonderling, aus dessen umfangreichem Werk ein vor allem in den letzten Jahren thematisierter Rassismus sickert, hat Zeit seines patscherten Lebens mehr schlecht als recht von Veröffentlichungen in billigen Groschenromanheften gelebt und seine Tage fernab der Welt mit seinen Tanten lebend verbracht - zum Titan der Horrorliteratur wurde der nur 47 Jahre alt gewordene Menschenfeind erst nach seinem Tod.

Mit dem Videospiel „Call of Cthulhu“ kehrt Lovecrafts ganz charakteristischer kosmischer Schrecken auf die Bildschirme zurück. Als desillusionierter Privatdetektiv sind wir hier direkt nach dem Ersten Weltkrieg einem schrecklichen Geheimnis auf der Spur.

Genremix mit Makeln

„Call of Cthulhu“ ist eine abwechslungsreiche Mischung aus verschiedenen Spielgenres. Aus der Ich-Perspektive durchstöbern wir eine unheimliche Insel vor der Ostküste Amerikas, unterhalten uns mit deren zwielichtigen Bewohnern, müssen uns hin und wieder vor gruseligen Monstern oder rabiaten Sektenanhängern verstecken, das ein oder andere Rätsel lösen und Hinweise miteinander kombinieren wie in einem Adventure.

„Call of Cthulhu“ ist das offizielle Videogame zum berühmten Pen&Paper-Rollenspiel gleichen Namens, und so stehen die spannende Geschichte und die Figuren eher im Mittelpunkt als Action oder Geschicklichkeitseinlagen. Die Rollenspielanteile sind dabei allerdings ebenso wie die an manchen Stellen des Spiels möglichen Entscheidungen eher kosmetisch: Bis auf wenige Varianten bleibt die Geschichte linear, und auch die Gestaltungsmöglichkeiten unseres Charakters sind eher oberflächlich.

Überhaupt drängen sich beim Vergleich mit den besonders vor Weihnachten überall riesengroß aufragenden Blockbustern der Games-Welt die offensichtlichen Mankos dieses Spiels förmlich auf: Teils furchtbar schlechte Charakteranimationen, hölzerne Schauspieler und die eine oder andere missglückte Action- oder Stealth-Sequenz zeigen überdeutlich, dass „Call of Cthulhu“ ein Spiel mit begrenztem Budget und Möglichkeiten ist. Dass man das dem Horrorabenteuer aber an den meisten Stellen großzügig nachsieht, liegt an seiner gelungenen Atmosphäre und dem schon beinahe anheimelnden nostalgischen Reiz, den die Horrowelt Lovecrafts immer noch auszuüben imstande ist.

Call of Cthulhu

Cyanide

Pop-Tentakelgott mit blinden Flecken

Wer Lovecraft liebt, findet in „Call of Cthulhu“ nämlich so etwas wie ein Best of des Horror-Autors. Bahnbrechend Originelles darf und wird sich bei dieser Prämisse kein Fan erwarten. Dank gelungener Umsetzung in ein spannendes Horrorabenteuer mit überraschend viel Abwechslung sehen vor allem Lovecraft-Fans über die größten Schwachpunkte allerdings wohl gnädig hinweg.

„Call of Cthulhu“, erschienen für Windows, PS4 und Xbox One.

Dass Lovecrafts problematischere Seiten, etwa seine in seinen Werken stets spürbare Xenophobie und Frauenfeindlichkeit, hier nicht im Geringsten thematisiert werden, muss man dem Spiel als kritischer Horror-Rezipient dann doch ankreiden. Der Pop-Tentakelgott Cthulhu ist und bleibt auch in diesem Spiel ein eigentlich altmodisches Monster; wer mit Déjà-vus und letztlich nostalgischem „Cosmic Horror“ zufrieden ist, wird auch von diesem B-Movie zum Spielen nicht enttäuscht werden.

Allen anderen seien Lovecrafts wahre Erben Thomas Ligotti und Laird Barron als moderne Horrorliteraten dringendst ans Herz gelegt; schade, dass ihre Werke bislang noch nicht als Videospiele zu haben sind.

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