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APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner

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Computer says No?

Beim AMS soll künftig ein Algorithmus die Jobchancen von Arbeitssuchenden Menschen ermitteln.

Wie hoch sind die Chancen einen Job vermittelt zu bekommen? Das AMS möchte diese Frage in Zukunft mit Hilfe eines Computeralgorithmus beantworten. Dieser Algorithmus soll arbeitslose Menschen in drei Gruppen kategorisieren.

Wer laut Computer-Prognose mit mindestens 66% Wahrscheinlichkeit innerhalb von sieben Monaten wieder einen Job haben wird, soll künftig als Person mit hoher Arbeitsmarktchance gelten. In diese Gruppe will das AMS künftig weniger investieren.

Wer statistisch gesehen weniger als 25% Chance hat, innerhalb von zwei Jahren einen Job zu bekommen, gilt als Kunde mit niedrigen Chancen. Auch diese Gruppe wird mit weniger Ressourcen zu rechnen haben, weil die schlechte Prognose den hohen Aufwand nicht rechtfertigen würde.

Ressourcen je nach Chancen verteilen

Das AMS wird sich künftig also auf die Gruppe der Arbeitssuchenden mit „mittleren Chancen“ konzentrieren. So könnten - das wäre wohl der Plan - die Mittel am effizientesten eingesetzt werden.

Dass in die Berechnung der Job-Prognose aber Merkmale wie Geschlecht, Alter und Staatsbürgerschaft eingespeist werden, macht den „AMS-Algorithmus“ zu einer, in diskriminierenden Sinn, selbsterfüllenden Prophezeihung. Wenn manche Gruppen eher wenig Förderung bekommen, weil sie z.B. aufgrund ihres Geschlechtes oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung statistisch gesehen eher sowieso keinen neuen Job finden werden, dann wird das im Ergebnis die Annahme wohl bestätigen.

„Der Standard“ hat einen AMS Algorithmus Rechner nachgebaut. Hier kann man die eigenen Arbeitsmarktchancen errechnen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der „AMS-Algorithmus“ offenbar keine komplexe und gefinkelte Big Data Anwendung ist, sondern mit relativ plumpen Regeln einen Score für jeden und jede Arbeitssuchende berechnet. Am Ende sollen weiterhin die BeraterInnen entscheiden, welche Maßnahmen gesetzt werden. Wie leicht und oft sie sich aber wirklich über die Einschätzung des Computers hinwegsetzen werden, lässt sich nur vermuten: Nämlich nicht besonders oft.

Was künftig am AMS mit jenen Personen passieren soll, deren Prognose besonders schlecht ist, darüber gibt es noch keine konkreten Aussagen. AMS-Vorstand Johannes Kopf spricht im „Standard“-Interview davon, dass ein "völlig neues, externes Betreuungsangebot“ entwickelt wird. Wie genau das aussehen soll, bleibt weitgehend offen. Wenn es aber darum geht, die Ressourcen zielgerichteter einzusetzen, dann wird in jedem Fall weniger Geld in die Unterstützung bei der Arbeitssuche dieser Gruppe investiert werden.

Bewertung schon 2019, Auswirkung erst 2020?

Das Scoring-System soll schon demnächst in der AMS-EDV verwendet werden. Die BeraterInnen werden dann bei jedem Arbeitssuchenden sehen, wie der Algorithmus die Lage einschätzt. Eine Umschichtung der Ressourcen je nach Prognose soll aber erst 2020 wirksam werden. Nicht zuletzt daran stößt sich beispielsweise die Stadt Wien, und befürchtet in einem offenen Brief unter anderem, dass schon alleine das Anzeigen des künftigen Scores reale Auswirkungen auf die Beratungspraxis und damit auch auf das jeweilige Betreuungsangebot haben wird.

Fehlerquote: 15%

Jedes (auch das beste!) Scoring-System beruht auf Verallgemeinerung. Genau darin unterscheidet es sich ja von der Betrachtung eines einzelnen Falles. Jedes solche System hat deshalb auch zwingend eine gewisse Trefferquote (in diesem Fall von etwa 85%) - und damit auch eine entsprechende Fehlerquote. Diese Fehlerquote beträgt beim „AMS-Algorithmus“ somit beachtliche 15%. Das bedeutet: Jede siebente arbeitssuchende Person wird vom Computer falsch eingeordnet. Auch wenn dann der Berater oder die Beraterin das letzte Wort hat, scheint es doch recht optimistisch zu sein, dass alle diese jährlich hochgerechnet ca. 50.000 Fehleinschätzungen von ihnen entdeckt und korrigiert werden. Oder anders herum: Wenn die BeraterInnen in ihrer persönlichen Einschätzung derart gut und treffsicher sind, stellt sich dann nicht überhaupt die Frage, wozu es dieses Scoring braucht?

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Heute ab 21 Uhr diskutiert Claus Pirschner mit arbeitssuchenden Menschen, ExptertInnen und AnruferInnen in FM4 Auf Laut.

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