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mit akzent

Nichts kann man glauben!

Jeder, der einen Social Media Account hat, bekommt täglich eine Flut an geteilten Fotos und Inhalten. Manchmal beachten wir sie gar nicht, manchmal schauen wir die Postings kurz an und ganz selten vertiefen wir uns darin.

Von Todor Ovtcharov

Ich zum Beispiel schau mir in meinem Newsfeed oft Fotos von Menschen an, die um einen gut gedeckten Tisch sitzen, die leicht angetrunken in die Kamera schauen. Das zeigt, was das höchste Ideal von einer beachtlichen Anzahl meiner Facebookfreunde ist - ihr voller Magen.

Ein zweites Sujet, das viele teilen, ist ein Foto von zwei (oft nackten) Füßen, die neben einem Swimmingpool, auf einem Strand oder auf einem Berg stehen. So zeigen die Menschen, dass sie am Punkt X stehen, wo immer der auch ist.

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Ich glaube, die Füße sind ein Symbol der Bodenständigkeit, der „richtigen“ Stellung in der Gesellschaft. Wenn man es sich leisten kann, am Strand zu stehen, dann soll man auch respektiert werden. Das ähnelt der Logik der Urmenschen, die ihre Füße mit rotem Ton angemalt haben und ihre Fußstapfen auf den Wänden der Höhlen hinterlassen haben, in denen sie gewohnt haben. Im technologischen Zeitalter sind wir alle weiterhin Neandertaler.

Viele Leute teilen auch patriotische Inhalte. Besonders in bulgarischen Diasporagruppen. Neulich war ein Foto von einer jungen Frau der größte Hit. Darunter stand: „Das ist Dr. Saschka Ganeva aus Slivnitza. Die hat mal für die NASA gearbeitet. Sie hat neue Nanoteile erfunden, die uns helfen, Krankheiten früh zu diagnostizieren. Sie kam zurück nach Bulgarien und jetzt ist sie in der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften tätig für ein 2.000 Mal niedrigeres Gehalt, aber niemand spricht über sie, da sie kein Playmate oder die Frau eines Fußballers ist.“ Und die Bulgaren sind stolz auf sie.

Man teilt ihr Foto zusammen mit bulgarischen Flaggen. Niemand hat bisher von Saschka gehört, aber jeder ist erschüttert von ihrem patriotischen Willen, dem Heimatland zu dienen. Das ging solange, bis jemand herausgefunden hat, dass das auf dem Foto gar nicht Dr. Saschka ist, sondern die amerikanische Pornodarstellerin Sasha Gray.

Nicht nur diese Facebookgruppen wurden von der Schönheit von Sasha Gray geblendet. Auch eine populäre bulgarische Frauenfernsehsendung hat stolz von Dr. Saschka berichtet und es wurde ernsthaft diskutiert, ob eine Frau gleichzeitig schön und intelligent sein könne. Kein Mitarbeiter der Sendung hat sich die Mühe gemacht, nach Saschka zu recherchieren.

Der „Erfolg“ von Dr. Saschka brachte auf Facebook eine Flut an Fotos unterschiedlicher Pornodarsteller, die als erfolgreiche Wissenschaftler, Geschäftsmänner, Ärzte und Künstler vorgestellt wurden, die sich nach ihrer Karriere im Ausland entschieden haben, nach Bulgarien zurückzukehren - aus reinem Patriotismus.

Der Fall mit Saschka/Sasha Gray ist der nächste Beweis, wie leicht man die Internetgesellschaft manipulieren kann. Besonders wenn es um Nationalstolz und Patriotismus geht. Vielleicht sind Fotos von Füßen am Seeufer doch zu bevorzugen.

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