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Nostalgie als Spielkonzept

Alles neu und alles gleich: Mit „Pokémon: Let’s Go“ ist das erste Spiel der Serie in HD-Optik und für Nintendos Switch erschienen.

Von Christoph Sepin

Da ist sie also wieder, die Nostalgie: Schon in den ersten Minuten von „Pokémon: Let’s Go“ wird man eingelullt in alte Soundeffekte, Déjà vu-Fahrstuhlmusik zum Mitpfeifen und übersättigt bunte, zuckersüße Animationen. Ja, das ist hier ein „Pokémon“-Spiel. Und ja, das spielt sich auch alles genau so, wie man sich das vorstellt.

Dabei zeigt sich vor allem das Vertrauen, das Publisher Nintendo und in weiterer Folge Entwicklerstudio Game Freak in ihre Marke haben. Denn Nostalgie, die funktioniert natürlich nur, wenn es nostalgische Erinnerungen an etwas gibt. Und dass die nach mittlerweile über zwanzig Jahren noch da sind, spricht für die Langlebigkeit der „Pokémon“-Serie.

Demonstriert wurde das schon vor ein paar Jahren mit dem Wahnsinnserfolg „Pokémon Go“, das einen Sommer lang gefühlt jede Person auf der Straße am Handy hatte. Das Prinzip so einfach wie möglich: herumrennen, Monster fangen, kämpfen, wiederholen. Wie das geht, wissen auch Leute, die sich seit ihrer Kindheit nicht mehr mit der „Pokémon“-Reihe beschäftigt haben. Was ein Pikachu ist sowieso auch noch.

Die tiefverankerte Erinnerung in den Köpfen, den Wiedererkennungswert der Marke, das machte sich Nintendo im Marketing zum Handyspiel damals und dem Switch-Spiel jetzt zu eigen. In den Werbespots zu „Pokémon Go“ damals sah man schon schöne Millenials durch Großstädte laufen, sich highfiven und grinsend computeranimierte Pokémon einfangen.

Und auch in den Promotions zur Nintendo Switch-Konsole waren dann junge Erwachsene, anstoßend bei coolen Dachterrassenparties und bei Basketballspielen zu sehen - bis mal jemand unter Applaus die Konsole rausholte. Ein Angebot von Nintendo, ganz klar in die Richtung der Leute, die damals mit dem Gameboy aufgewachsen sind und jetzt doch wieder zurückkommen sollen, zu Mario, Zelda und eben Pokémon.

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Eine Philosophie, die jetzt ganz klar auch in das Spieldesign von „Pokémon: Let’s Go“ eingeflossen ist: Das ist hier keine komplexe Simulation, sondern ein Spiel im wahrsten Sinne des Wortes. Etwas, das man nebenbei spielen kann, während man daneben aufs Handy schaut oder telefoniert. So simpel in seinem Spielkonzept, dass es kaum die volle Aufmerksamkeit braucht. Herumrennen, Monster fangen, kämpfen, wiederholen, das altbekannte Prinzip.

Nachdem man zu Beginn des Spiels, je nach Version, die man sich gekauft hat, entweder das Pokémon Pikachu oder das Pokémon Eevee überreicht bekommt, wird man in die große, weite Welt, in der scheinbar niemand über etwas anderes redet oder denkt als Pokémon hinausgeschickt und realisiert: Hier war man doch schon mal. Und ja, tatsächlich, „Let’s Go“ spielt in der Welt der ersten Pokémon-Spiele, ist ein quasi Reboot und beinhaltet auch nur die Monster, die es im ersten Teil der Serie vor zwanzig Jahren zu kaufen gab. Dafür ist alles putzig und rund, in harmlose Farben und Formen getaucht, einfach zu verstehen und zu navigieren.

Trotzdem macht das Spaß, obwohl das hier das vielleicht leichteste Pokémon-Spiel aller Zeiten ist: die spielerischen Elemente sind stark simplifiziert, die Handlung nebensächlich, die Kämpfe leicht zu gewinnen. Sogar das Fangen der Pokémon selbst ist fast identisch aus dem Handyspiel „Pokémon Go“ übernommen - und war noch nie so minimalistisch. Die einzige Schwierigkeit hier: wie so oft bei Nintendo-Spielen wird auch hier Bewegungssteuerung aufgezwungen, was mal okay, mal schlecht und erst besser mit dem zusätzlich erhältlichen Pokéball-Controller funktioniert. Den kann man sich um knapp 50 Euro kaufen.

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Das mag jetzt einigen Fans der Serie, die sich ein neues, großes Abenteuer gewünscht haben missfallen, ist aber ein deutliches Zeichen dafür, dass Nintendo sich primär an die Spieler und Spielerinnen wenden wollte, die vor ein paar Jahren in Parks herumhingen und „Pokémon Go“ spielten und die sich jetzt überlegen, sich zu Weihnachten doch mal wieder eine neue Spielkonsole zu kaufen. Das mit dem Gameboy ist doch schon so lang her und in der Werbung zum Spiel haben die Leute doch so viel Spaß. Und immerhin kann man das Spiel auch mit dem Handy und „Pokémon Go“ verbinden und Monster hin- und hertauschen.

„Pokémon: Let’s Go“ ist herrliche Langeweile und nebensächlicher Zeitvertreib. Das ist Hühnersuppe, wenn es draußen schneit, die Tasse Kamillentee, die alte Lieblingsdecke, Nostalgie eben. Dass das trotz allem so gut funktioniert, dass man durchgehend unterhalten ist, in diesem Spiel der ewigen Wiederholungen, das ist ein Zeugnis für Nintendos durchdachte Designphilosophie. Ein Zugang zum eigenen Entertainmentprodukt, den es sonst so vielleicht nur aus dem Hause Disney zu sehen gibt. Was auf filmischer Ebene der neue Trailer zum Live-Action-Remake vom „König der Löwen“ ist, das ist „Pokémon: Let’s Go“ als Videospiel: Wiedererkennungswert, ein warmes Gefühl im Bauch, ein konservativ durchdachtes Wohlfühlabenteuer.

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