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Culk

Michael Wuermer

soundparkact des monats

Thinking about thinking

Culk aus Wien erzählen selten bedeutungsschwere Geschichten über Selbstfindung, Dystopie, Wehmut. Die Düstergitarre am originären Platz im österreichischen Popzirkus: Unser FM4 Soundpark Act im Dezember.

Von Lisa Schneider

Mit „Off To The Race“ hat Lana Del Rey einen Song geschrieben, der von Vladimir Nabokovs Roman „Lolita“ beeinflusst ist. Kate Bush bezieht sich mit „Wuthering Heights“ auf den gleichnamigen Roman von Emily Brontë. „Red Right Hand“ von Nick Cave and the Bad Seeds beruft sich auf das epische Gedicht „Paradise Lost“ von John Milton. Die Liste an Songs, die von Klassikern der Weltliteratur inspiriert worden sind, ist lang. Culk aus Wien reihen sich ein.

Ausgemalte Geschichten

Ihre erste Single, vor wenigen Monaten erschienen, heißt „Begierde/Scham“. Eigentlich schon ein bisschen zu spät zum Weg in den Proberaum liest Sophie Löw, Texterin, Sängerin, Gitarristin und Synthesizerspielerin der Band, Simone de Beauvoirs Roman „Die Mandarins von Paris“. Es ist eine Stelle im Buch, die sie aufhält. Gedankenverloren stolpert sie in den Raum, wo die anderen schon ohne sie begonnen haben, an einem neuen Song zu arbeiten. Und ohne viel „Hallo, wie gehts“ geht sie ans Mikro und fängt an zu singen. Im besten Fall entstehen Songs genau so.

„Begierde/Scham“ ist inspiriert von einer Szene aus Beauvoirs 1954 veröffentlichtem Schlüsselroman, in dem eine Frau, die selbst von ihrem Ehemann betrogen wird, betrügt. Die Affäre, die sie eingeht, verschafft ihr aber keine Erleichterung. Im Gegenteil, sie wirft noch mehr Fragen auf: Will ich das? Was will ich? Für wen gebe ich mich her? Für mich? Für ihn? Für die Liebe, für die Rache?

"Die Nicht-Worte schnüren sie zu bis obenhin. Sie ist so wunderschön verschwiegen. Er kennt nur sich“, singt Sophie Löw. Die Gitarre kratzt, wie die Stimme sich verbiegt. Wörter, deutsch gesungen, werden da nicht immer nach schönster Hochsprache betont. Vielmehr wird der Sprache zwischen dem aufgerauten, brachialen Instrumentalsetting ein ganz neuer Platz gegeben. Nicht alle Worte versteht man beim Zuhören. Das Gefühl aber von Bedrängnis, Unsicherheit und Scham ist sogar stärker als der Inhalt des Songs. Keine Wohlfühlmusik.

Culk

Michael Wuermer

Culk stammen aus Wien, die Mitglieder neben Sophie Löw sind Johannes Blindhofer (Gitarre), Benjamin Steiger (Bass, Gitarre) und Christoph Kuhn (Drums). Vor der Veröffentlichung der ersten Single haben Culk schon diverses, vielversprechendes Material auf Youtube hochgeladen, die Wiener Gürtelbahnbögen haben sie live schon rauf- und runterbespielt. Als es sich ergeben hat, dass Jakob Herber (Flut) ihr damals schon so gut wie fertig erdachtes Album produziert, ist auch das Wiener Label Siluh aufmerksam geworden. Seither stehen Culk dort unter Vertrag, sind am Waves Vienna Festival aufgetreten, haben auch schon ihre erste kleine Deutschland-Tour gespielt. Mit der Professionalität kommt die Erwartung, für Culk aber noch vielmehr der Ehrgeiz: das selbstbetitelte Debütalbum wird im Februar 2019 erscheinen.

Gretchenfragen überall

Gerade ist der zweite Album-Vorbote „Faust“ veröffentlicht worden. So durchsichtig, hier gleich auch wieder Goethe zu zitieren, arbeiten Culk natürlich nicht. Auch diesem Song liegt eine winterlich angepasste Düsterstimmung zugrunde, schwer ist das alles, dunkelgrau, irgendwie hoffnungslos. Da ist eine unbenamte Person, angezogen von einer seltsam autoritären Macht. Sie weiß nichts, nur, dass sie dem Ruf folgen muss, kopfüber hinein ins Fragwürdige. „Halt mich fest, bis ich nicht mehr weiß / ob sie mich auffängt oder mich zerreißt“.

Ein Protagonist, der die Wahrheit außerhalb seiner Erkenntnis sucht; hier drängt sich doch die literarische Parallele auf. Ein Zweifelnder, wie doch auch Goethes Faust einer ist. Wie er dasitzt, am Studiertisch, und Gretchen ihm die unmögliche Frage stellt: „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“

An wen glauben, wenn der innere Kampf der schlimmste ist? Wem folgen? In „Faust“ von Culk gibt es nur einen Weg, und der führt hinunter. Das Mantra: „Lähmung setzt ein“.

Und auch musikalisch lässt sich die Reise ins Schwarze nachvollziehen, ein treibender Groove steht am Anfang, stochert alles an und auf, stolpert in ein unsicheres Hin und Her klirrender Gitarren, und am Schluss flimmert und blitzt es, alles verschwimmt. Auflösungsphase.

Culk LIVE

9.3.2019 - Wien, Das Werk
22.3.2019 - Salzburg, Arge
23.3.2019 - Linz, Kapu

Alle Deutschland-Termine gibt es hier zu finden.

Es wird noch sehr spannend

Die beiden ersten Singles von Culk sind beide auf Deutsch. Am Album aber wird es auch englische Songs zu hören geben. Ob ein Text sich in der einen oder anderen Sprache ausdrücken muss, entscheidet das Gefühl: das harte, direkte, grammatikalisch so korrekte Deutsche; das weichere, beschreibende, symbolträchtige Englisch.

Als eine Mischung aus The Cure und Marlene Dietrich sind Culk nach der ersten Single-Veröffentlichung bezeichnet worden. Dabei ist doch alles jung an dieser Band. Die Mitglieder. Die Herangehensweise, auf alles zu verzichten, was aus der Box kommen könnte, live genauso wie im Studio. Idealistisch, unverfroren, bereit und ohne jedwedes Anbiedern an Trend und Struktur des Musikbusiness. Vielmehr also möchte man hier an Bands wie Die Nerven oder International Music denken.

Gitarrenmusik, die zeitgemäß von ihren großen Idolen erzählt, das Wichtigste aber aus sich selbst schöpft. Kein allzu einfaches Kunststück.

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