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Die Bettelmafia

Ein Bekannter von mir meint, dass er immer bester Gesundheit ist, weil er jedem Bettler etwas gibt und sie ihm immer Wohlleben und Gesundheit wünschen. Ich weiß nicht, ob er Recht hat - aber ich mache das ähnlich wie er.

Von Todor Ovtcharov

“Bitte Brüderchen, wir sind doch Landsmänner! Du kannst keinen anderen Bulgaren im Stich lassen! Gib mir 2-3 Euro, damit ich mir ein Kebabchen kaufen kann, ich sterbe vor Hunger!” Der Landsmann hat mich in die Ecke getrieben. Er spricht mich in meiner Muttersprache an und ich fühle mich unwohl. Ich kann doch keinen Landsmann ohne 2-3 Euro stehen lassen - und somit auch ohne ein “Kebabchen”. Er hat mich erwischt, und ich muss solidarisch sein.

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Aber eins ist sicher: falls ich ihn noch ein Mal treffe, dann bekommt er nichts mehr von mir. Erstens werde ich nicht mehr so unvorbereitet sein und zweitens sagt Bertolt Brecht in die „Dreigroschenoper“, dass Bettler höchstens zwei Mal Mitleid erzeugen können. Und die Klassiker haben immer Recht.

Einer meiner Lieblingbettler in Wien ist einer, der immer Heavy Metal hört und sich mit dem Erbettelten Konzertkarten für seine Lieblingbands kauft. Ich habe mal auch einen Bettler gesehen, der mit einem Schild “Ich sammle Geld für einen neuen BMW” in der Fußgängerzone saß. Wo er wohl seinen alten geparkt hatte?

Ich kenne persönlich einige Bettler, die auch als Zeitungsverkäufer arbeiten. Dort verdienen sie ungefähr 20 Euro am Tag und sind sicherlich kein Teil von einer organisierten Gruppe. Sie betrachten sich eher als Kämpfer für die freie Presse. Trotzdem spricht man immer wieder von der Bettelmafia. So wie im Kusturica Film “The Time of the Gypsies” - nur ganz ohne Romantik. Ich frage mich, ob Wiener eher Geld an einem Bettler geben würden, wenn er sie im Wiener Dialekt anspricht, so wie es mit mit meinem Landsmann geht.

Eigentlich habe ich auch mal als Bettler gearbeitet. In einem großen Geschäft für Baumaterialien habe ich Spenden für die Clown Doktoren gesammelt. Als Spendensammler - oder besser gesagt Bettler - hatte ich eine rote Nase an und bettelte die Leute an, ihr Restgeld an der Kasse in meine Spendendose zu werfen. Viele gaben mir ein bisschen Geld. Nach drei Tage wurde ich gefeuert. Von allen Bettler-Kollegen hatte ich am wenigsten erbettelt.

Um im Zeitgeist zu bleiben müsste ich wohl auch aufhören Bettlern Geld zu geben. Sogar denjenigen, die mich auf Bulgarisch ansprechen. Trotzdem mache ich weiter, denn Politiker im Gegensatz zu den Klassikern haben nicht immer Recht.

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