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„Womit haben wir das verdient?“ Ist Religion die neue Rebellion?

In Eva Spreitzhofers Spielfilmdebüt „Womit haben wir das verdient“ konvertiert ein Teenager online zum Islam. Die Komödie zeigt den Status Quo einer oberflächlichen Debatte.

Von Maria Motter

Sie ziehe sich an wie eine Fledermaus, stellt die Mama konsterniert fest. Wie ein Barbapapa, kommentiert die beste Freundin der Mutter. Und der Kleinste aus dem patchgeworkten Familienverbund, ein Kindergartenbub, fragt laut: „Geht die Nina als Gespenst?“ Nina trägt von einem Tag auf den anderen Kopftuch und will fortan nur noch mit Fatima angesprochen werden. Das entgeht keinem. „Womit haben wir das verdient?“ fragt sich die deutsche Schauspielerin Caroline Peters als zutiefst atheistische Mutter der 16-jährigen Nina/Fatima (Chantal Zitzenbacher zieht als bockig-bitchiger Teenager alle Register der Unleidlichkeit) im gleichnamigen Spielfilm.

„Womit haben wir das verdient?“ ist das Spielfilmdebüt Eva Spreitzhofers. Die österreichische Drehbuchautorin und Schauspielerin hat die Fernsehserie „Schnell ermittelt“ erfunden, sie hat Drehbücher für Filme wie Andreas Prochaskas „Zodiak“-Version geschrieben und zuletzt die Kinodokumentation „Unter Blinden“ gemacht. Ausgerechnet das Kopftuch hat sie zum zentralen Gegenstand ihres Spielfilmdebüts gemacht.

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Regisseurin Eva Spreitzhofer ist selbst Mutter und bei Unterhaltungen im Freundeskreis hat sie festgestellt, dass es für sie das Schlimmste wäre, wenn eine Tochter mit einem Kopftuch vor ihr stünde und plötzlich religiös wäre. Die gebürtige Grazerin bezeichnet sich als „Hardcore-Feministin und Atheistin“.

Waren vor wenigen Jahren noch Drogenkonsum und Teenagerschwangerschaften die Ausgangspunkte für Kino-Dramen, so wird gegenwärtig medial ein Kleidungsstück zum roten Tuch hochstilisiert: Das Kopftuch - aber selbstverständlich nur, wenn es von muslimischen Frauen getragen wird. In Wochen, in denen von der FPÖ ein Kopftuchverbot für Kindergarten- und Volksschulmädchen vehement gefordert wird, startet eine österreichische Komödie in den Kinos, die einen Mutter-Tochter-Konflikt über ein Kleidungsstück austrägt.

Schon vor neun Jahren hatte Alice Schwarzer versucht, das Kopftuch als Symbol des politischen Islam festzumachen und erklärt, dass man die Debatte anders führen müsse. Die österreichische Publizistin Sibylle Hamann sprach sich vor wenigen Monaten für eine „kopftuchfreie Zone Pflichtschule“ aus. Jetzt geht es um der Leinwand um wenige Zentimeter Textil, die bereits in einer der ersten Szenen als „Fetzn“ bezeichnet werden. In Mitleidenschaft gezogen wird dabei eine ganze Religionsgemeinschaft. Der Islam bedürfe einer „Revolution 4.0“ und die wolle die jugendliche Protagonistin mit einläuten - das ist ein Resümee, dem es nicht an Überheblichkeit mangelt und das man nicht mit der Aussage des Films gleichsetzen darf.

Denn amüsant ist diese Komödie nur sehr bedingt. Die beste Szene wird im Trailer verschenkt. Nina bzw. Fatimas Eltern sind beide in Nikabs gehüllt mit dem Auto unterwegs, als sie in eine Polizeikontrolle geraten. In wenigen Sekunden kulminiert die gesamte Thematik: Ob das in dem Fall auch für Männer 150 Euro Strafe koste, fragt ein Polizist seine Kollegin. Wahrscheinlich, sonst bekäme man gewiss Probleme mit der Gleichstellungsbehörde. Daraufhin wiederholt der Polizist seine ohnehin schon gemachten Vorschlag: Wären die beiden in ihren Nikabs unterwegs zu einem Gschnas, könne man die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Humor muss als Ausflucht herhalten.

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Status Quo einer medial inszenierten Debatte

Das Genre ihrer „Culture-Clash-Komödie“, wie Eva Spreitzhofer „Womit haben wir das verdient?“ einordnet, spielt sie frei. In die klugen Dialoge packt sie den Status Quo der Kopftuchdebatte. Religiöse Auffassungen sind nicht mehr als Flausen, die nicht mal zur Rebellion einer Jugendlichen reichen. Der Dschihad - ob in seiner friedlichen Auslegung oder der radikal-fanatischen Missinterpretation - spielt keine Rolle. Wie Gummibärchen halal schmecken, interessiert dann keinen. Der Feminismus soll die Konvertitin wieder zur Vernunft bringen. Auch wenn Fatima-Nina erst materielle Bestechungsangebote der Mutter ausschlägt, so bewahrt doch der familiäre Wohlstand das trotzige Kind vor dem nächsten rebellischen Schritt. Die Mutterliebe ist in alledem unendlich. Eine Mini-Hommage an die Kampfszene im Schneefall von „Kill Bill (Vol. I)“ geht sich aus, sonst ist die optische Gestaltung allzu konventionell.

Ein Großteil des Casts ist ein Zusammentreffen der Lieblinge aus Marie Kreutzers Spielfilmen. Caroline Peters könnte man bereits aus der TV-Serie „Mord mit Aussicht“ kennen und lieben. Noch mehr vorgeführt als die Ahnungslosigkeit von einer Weltreligion wird hier nur das vermeintliche Befriedungsmodell Patchworkfamilie.

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