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Zita Bereuter/FM4

Bücher für Foodies und Antiköche

Es gibt Leute, die essen und kochen gern. Andere denken gerne drüber nach. Und wieder andere brauchen selbst fürs Wasserkochen ein Rezept. Für die alle gibt’s drei Büchertipps: „Die Philosophie des Kochens“, „Worst of Chefkoch. Die Rezeptesammlung des Grauens“ und „Wohl bekam’s! In hundert Menüs durch die Weltgeschichte“.

Von Zita Bereuter

„Worst of Chefkoch. Die Rezeptesammlung des Grauens“

Also: Es gibt Foodporn und Foodporn. Beim einen ist alles wunderschön angerichtet und dekoriert und das Essen schaut unglaublich gut und anregend aus (und mitunter auch völlig übertrieben).
Beim anderen… ähm… nicht. Aber auch dort wird Essen fotografiert und mit Rezept ins Internet gestellt. Etwa in die große Rezeptsammlung chefkoch.de.

Buch

Goldmann Verlag

Lukas Diestel, Jonathan Löffelbein:
Worst of Chefkoch. Die Rezeptsammlung des Grauens. Goldmann 2018

Leseprobe

Termine für die Koch- und Leseshow

Aus diesem Fundus haben sich Lukas Diestel und Jonathan Löffelbein spaßeshalber die ärgsten, komischsten, grausigsten oder verrücktesten Rezepte geschickt und daraus den Weblog „Worst Of Chefkoch“ entwickelt.

Und weil man letztlich doch auch gern ein Buch in der Hand hat, gibt es einige Highlights daraus jetzt auch analog: „Worst of Chefkoch. Die Rezeptesammlung des Grauens“ nennt sich dieses „Antikochbuch“. Feinspitze lieben den „Big Mac Salat“, Draufgänger lassen den „Salzstangen-Auflauf“ krachen und Naschkätzchen greifen zum „beschwipsten Super-Dickmann“. Da ist für jeden was dabei. Oder auch nicht. Die Fragen wer denn sowas kocht, fotografiert und online stellt beantworten Lukas Diestel und Jonathan Löffelbein mit viel Ironie. Zu „Tomatenplatte á la Andi“ fantasieren sie: „Andi ist von der Sorte Mensch, die in einer Baumschule arbeitet, sich aber trotzdem ‚Branch Manager‘ auf die Visitenkarte druckt. Man muss sich halt zu verkaufen wissen.“

Diese kurzen Texte tragen sie wohl auch bei ihren Koch- und Leseshows vor. Denn ja – mit ihrer Biergartenidee füllen die beiden mittlerweile große Hallen. Dem Ketchup-Ei sei Dank.

„Die Philosophie des Kochens“

Was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist das Kochen. Ohne Feuer kein Kochen. Ohne Kochen keine Verkleinerung des Verdauungsapparats und Vergrößerung des Gehirns. Ohne Gehirn keine Philosophie. So könnte man das erste Essay „Die Entstehung der Philosophie aus der Feuerstelle“ ganz grob runterbrechen. Aber - nicht jeder Koch ist ein Philosoph: „Und obwohl manch ein Koch nur mit Mühe einen sinnvollen Satz zustande bringt, so hat er doch seine eigene Philosophie. Da ist viel die Rede von kreativer Emotion, textueller Ergänzung und prozessualem Charakter. (Leider verwechseln diese Freunde der Weisheit meist die Begriffe optisch und visuell.)“

Buch

Mairisch Verlag

Stevan Paul (Hg.):
Die Philosophie des Kochens,
Mairisch Verlag 2018

Mit dem Beitrag „Hört auf zu kochen“ schließt der feine Sammelband „Die Philosophie des Kochens“ von Stevan Paul. Stevan Paul ist Koch und Autor und offensichtlich kann er auch gut Bücher herausgeben. Aus unterschiedlichen Bereichen hat er Leute versammelt, die über Kochen, Backen, Essen und Trinken schreiben oder philosophieren. Von Zen-Buddhismus und japanischer Kochkunst zur einer soziologischen Erkundung der Gastroerotik: „Orgasmen sind wie Pommes.“ Vom Kochen als Weltrettungsaktion bis zur Frage, wie denn Menschenfleisch schmeckt bzw. der Geschichte des Kannibalismus. Die verschiedenen Beiträge sind breit gefächert und es ist wie beim Essen: nicht alles schmeckt gleich gut, aber bei manchem kriegt man durchaus Appetit auf mehr.

„Wohl bekam’s! In hundert Menüs durch die Weltgeschichte"

69.574 Gäste zählte das Festessen, das der assyrische König Assurnasirpal II zur Weihe seiner neuen Residenz 879 v. Chr. gab. 10.000 Springmäuse, 100 Körbe Granatäpfel, 10 Eselslasten geschälte Pistazien sind nur ein paar Zutaten dieses 10-tägigen Gelages. Mit diesem Menü beginnt die Sammlung der Menükarten, die Tobias Roth und Moritz Rauchhaus herausgegeben haben. Man erfährt, was bei der Hochzeit von Napoleon aufgetischt wurde, wie Goethe seine Gäste beim Frühstück verwöhnte (könnte auch gegenwärtig sein: u.a. Brötchen, Semmeln, Schinken, Käse, Gebrannter Kaffee), was das letzte Abendessen auf der Titanic und das erste Essen auf dem Mond war.

Buch

Verlag das Kulturelle Gedächtnis

Tobias Roth und Moritz Rauchhaus:
Wohl bekam’s! In hundert Menüs durch die Weltgeschichte.
Verlag das Kulturelle Gedächtnis 2018

Menükarten erzählen viel über die jeweilige Zeit und ihre Moden und Trends. Etwa bei Schildkröten: 1668 wird Schinken nach dem Aussehen einer Schildkröte arrangiert, 1751 werden ganze Schildkröten serviert und 1865 dann Schildkröten in Dosen. Menükarten werfen also auch Fragen nach Transportwegen, Techniken der Konservierung oder Zubereitung auf.

Wie konnte man etwa im 16. Jahrhundert ein riesiges Menü für viele Leute kochen? „Es gab ja keinen Kühlschrank.“, erklärt Tobias Roth im Gespräch. Folglich musste für frischen Fisch oder frisches Fleisch auch immer frisch geschlachtet werden. „Wie viele Leute braucht man dafür? Welche Temperaturen herrschen in der Küche, in der riesige Feuer brennen? Da merkt man dann, woher diese Rede von der Pyramide der Gesellschaft kommt: Ganz oben sitzen sie und essen und die ganze Pyramide darunter ist ein einziger Zulieferbetreib für diesen fürstlichen Tisch.“

So sind die gesammelten Menükarten eine Art Kopfkino – graphisch anregend rot und blau aufbereitet. Diese Vorstellungen sind aus der Fantasie der Lesenden, keine historischen Wahrheiten, „aber sie bleibt geerdet durch die Menüs. Denn die sind Fakt.“

Durch diese Menükarten erkennt man, wie unsere Esskultur historisch gewachsen ist, wie leicht sie veränderbar ist und - Vorsicht Spoiler - nach der Lektüre gewinnen Menükarten an Bedeutung und werden anders gelesen.

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