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Bryan Ferry

Bryan Ferry

Der Song zum sonntag

Die bittersüße Vergangenheit

Der Song zum Sonntag: Brian Ferry mimt in „Bitter-Sweet“ diesmal den gealterten Cabaret-Sänger irgendwo in einem verrauchten Berliner Keller.

Von Christoph Sepin

Sich an alte Erfahrungen, an alte Lieder heranzutasten, kann schön und abstoßend zu gleich sein, wie Brian Ferry weiß, bittersüß. Einerseits weiß man, was man macht und kann sich wohlfühlen, andererseits kann man aber auch gar nichts mehr damit anfangen, ist zu alt geworden, zu distanziert von den Emotionen, die damals beim Singen der Textzeilen gefühlt wurden.

„Bitter-Sweet“ von Bryan Ferry hat es schon einmal gegeben: Auf dem legendären 1974 erschienenen Album „Country Life“ von Ferrys Band Roxy Music. Und jetzt wieder, im Jahr 2018, nicht nur neu aufgenommen, sondern auch titelgebend für Ferrys neues Soloalbum, „Bitter-Sweet“.

Inspiriert von seiner Arbeit an der Ende der 1920er-Jahre spielenden Serie „Babylon Berlin“, hat sich der Ex-Roxy-Music-Sänger an die Arbeit an seiner neuen Platte gemacht. Und so klingt das auch, was sich auf „Bitter-Sweet“ wiederfinden lässt. Ferry mimt hier den gealterten Cabaret-Sänger in einem verrauchten Keller irgendwo in Berlin.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Beabsichtigt oder nicht, das Alter ist hier zu bemerken: Ferry präsentiert sich auf „Bitter-Sweet“ 2018 fast schon kraftlos, mit kratziger Stimme, die sich mehrmals vor sich selbst retten muss. Aber natürlich: Das kann auch alles so beabsichtigt sein, der große Performer mit der großen Performance, das Spielen mit dem Charakter des alternden Superstars. Wie so oft ist das alles hier verschwommen und lässt sich nicht so einfach deuten.

Eine ordentliche Welle Melancholie schwimmt hier mit der Nostalgie mit. Die Geschichte des alten Herzensbrechers, der an seinem Ende angekommen ist und die Welt im Rückspiegel betrachtet: „I’ve opened up my heart so many times, but now it’s closed“.

Die Lektion aus den Taten der Vergangenheit wurde gelernt, das lässt sich erahnen, wenn Ferry zugehört wird. Wie der Lehrmeister, der jeden Fehler schon begangen hat, und jetzt noch schnell seine letzten Erfahrungen mitteilen will, so wirkt der Erzähler in „Bitter-Sweet“. Der Ratschläge gibt, auch wenn niemand zuhören sollte.

Es wird davor gewarnt, Liebe so zu konsumieren wie Wein, vor den Tränen, die dem Performer nochmal den Applaus bringen. Erinnerungen an Abschiede, Erinnerungen an das gezwungene Lächeln. Und dann, ganz am Ende, bricht das doch endlich zusammen: „You try to force a smile as if to compensate. Then you break down and cry“. Bittersüß das alles.

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