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Wolfgang Popp: Die Ahnungslosen

„Die Ahnungslosen“ hat keinen Anfang und kein Ende. Wir haben es hier mit einem Roman zu tun, der die Lust an der Beobachtung zum Prinzip erhebt.

Von David Pfister

Gerne wird das Bild des einsamen Schriftstellers oder der einsamen Schriftstellerin bemüht, die abgeschottet von der Welt und isoliert von anderen Menschen alle Kraft und Zeit dem geschriebenen Wort widmet. Natürlich kann aber nur eine kleine Elite kommerziell enorm erfolgreicher AutorInnen unter solch luxuriösen Umständen ihre Romane schreiben.

Wahrscheinlich schätzt auch der österreichische Autor Wolfgang Popp die Ruhe, aber viel kann er davon nicht haben, sieht man sich seine Vita an. Popp hat in den letzten sechs Jahren vier Bücher veröffentlicht, gleichzeitig ist er als Dokumentarfilmer und Kulturjournalist beim ORF Radio Ö1 tätig. Besonders mit seinem letzten Roman „Die Verschwundenen“ konnte Popp Aufmerksamkeit erregen und Preise abstauben. Sein neuer Roman „Die Ahnungslosen“ dockt formal und ästhetisch an die romantische Beobachtungsliteratur seines Vorgängerbuches an.

„Mir ist es jetzt schon ein paar Mal passiert, dass ich mich vor dem Sex beim Blick auf eines von Walts Bildern gefragt habe, was das sein soll, und als ich danach auf dem Weg ins Bad wieder daran vorbeigekommen bin, plötzlich etwas erkannt habe. Ich sehe das schon als ein Zeichen dafür, dass diese Affäre gut für meine persönliche Entwicklung ist.“

Cover "Die Ahnungslosen"

Edition Atelier

„Die Ahnungslosen“ von Wolfgang Popp ist in der Edition Atelier erschienen.

In meist kurzen Episoden erzählt Wolfgang Pop aus den Leben einer Handvoll Menschen, die fast alle direkt oder indirekt in einer Beziehung zu einander stehen. Martha, die illegal angestellte Reinigungskraft, und ihre Arbeitsgeberin Dio, die, seit sie ihren Mann betrügt, wahrlich aufblüht. Oder die erfolgreiche Schauspielerin Zora und ihr Freund Fred, dessen Liebe zu Zora sich rasend schnell in eine böse Richtung radikalisiert.

„Wie immer, wenn ich nervös bin, habe ich begonnen, mit den Fingern über mein Muttermal am Hals zu fahren, und da beginnt Martha auch noch so wissend mit dem Kopf zu nicken. Und später, als ausnahmsweise einmal mir ein Glas zerbrochen ist, hat sie beim Aufkehren irgendetwas in sich hineingemurmelt. An dem Abend habe ich mit Flo geschlafen und mich anschließend in seine Armbeuge gekuschelt.“

Eine Dramaturgie fehlt diesem Buch. Gleichmütig erzählt uns Wolfgang Popp von der Unvorhersehbarkeit des Lebens und von der Lust an der Beobachtung. Manche Geschichten seiner ProtagonistInnen sind fast schon grelle Räuberpistolen, die meisten aber banaler als die letzte Mittagspause. Wolfgang Popp versucht ein Lesevergnügen zu bereiten, welches dem Moment verpflichtet ist.

„Hat die Frau Dio also behauptet, ich hätte das Schiff von ihrem Mann hinuntergeschmissen, damit sie mich aus dem Haus hat. Hat wohl Angst, dass ich etwas erzählen könnte. Dabei ist das überhaupt nicht meine Art. Ich finde es nicht richtig, aber ich mische mich auch nicht ein. Wenn die Frau Dio mit einem anderen Mann ihre Zeit verbringt und nicht irgendeine Zeit, dann kümmern sich Gottvater, Gottsohn, der Heilige Geist und die Jungfrau Maria darum, und nicht die Martha.“

Mit jedem seiner Bücher erfindet Wolfgang Popp sich immer mehr sein eigenes Genre. Ein Genre, welches von seinem Studium der Sinologie und überhaupt der asiatischen Erzählkunst inspiriert zu sein scheint. „Die Ahnungslosen“ will uns das schon fast ausgestorbene Vergnügen des Zappens ermöglichen. Nur nicht vor einem Fernseher, sondern mit einem Buch in der Hand.

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