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Erich Moechel

EU-Ratspräsidentschaft mit gemischter Digitalbilanz

Die Steuerpläne für Internetkonzerne wurden von Deutschland, Schweden und Dänemark weitgehend durchkreuzt, die Entscheidung zu Copyright bzw. Urheberrecht wurde verschoben, E-Privacy blieb überhaupt in der Schublade liegen.

Von Erich Moechel

Die österreichische Ratspräsidentschaft geht zu Ende, die Copyright-Richtlinie muss in die Verlängerung. Auch aus den ambitionierten Plänen für eine EU-weite Digitalsteuer auf die größten Internetkonzerne wird vorerst nichts. Beides wurde Donnerstag und Freitag klar. Damit, dass die im Ministerrat seit einem Jahr blockierte E-Prіvacy-Verordnung im zweiten Halbjahr 2018 wieder auf Kurs kommen könnte, hatte ohnehin kaum ein Beobachter gerechnet.

Wenigstens im Digitalbereich war es also weder eine besonders erfolgreiche Präsidentschaft, wie die Regierung sagt, noch eine besonders schwache (Opposition), sie war einfach durchschnittlich. Auch die bulgarische Präsidentschaft war davor ähnlich abgelaufen. Das reale Pouvoir eines halbjährigen Ratsvorsitzes wird nämlich allgemein überschätzt. Es lassen sich nur Regelungen anstoßen, für die schon vorher breite Akzeptanz bestanden hatte, vor allem aber muss jede Präsidentschaft aufarbeiten, was ihr die Vorgänger hinterlassen haben.

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und der  Vizepräsidenten der EU-Kommission Valdis Dombrovskis

APA/FINANZMINISTERIUM/PHOTONEWS.AT/GEORGES SCHNEIDER

Finanzminister Hartwig Löger mit EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, zuständig für Euro, Banken, Finanzdienstleitungen und den Kapitalmarkt.

Geplante Schließung der Karibikroute

Noch im November hatte es so ausgesehen, als würde Deutschland von Frankreich überzeugt werden, nicht auszuscheren. Deutschland hatte das Vorhaben nämlich mit angestoßen.

Die geplante Steuer von drei Prozent des Weltumsatzes der Internetgroßkonzerne, die Finanzminister Hartwig Löger vorangetrieben hatte, war in der europäischen Öffentlichkeit auf ziemlich hohe Akzeptanz gestoßen. Auch der Start verlief ganz nach Plan, die EU-Kommission stand dahinter und mehr als ein Drittel der 28 Mitgliedsstaaten hatten den Ansatz sofort unterstützt. Diese Umsatzsteuer war von Beginn an nur ein Kompromiss, denn an sich hatte man eine größere Lösung anvisiert, nämlich die Schließung der Karibikroute.

Apple, Google, Amazon und die anderen Internetgiganten sollten dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze machen, also in den Mitgliedsstaaten, und eben nicht Diskontsätze in der Karibik und dem Mitgliedsland, über das die Europaumsätze zurück in die EU fließen. Weil bei allen vorherigen Versuchen die Vorbereitungen für eine reguläre EU-Richtlinie im Sand verlaufen waren, hatte sich der Ministerrat für ein anderes Prozedere entschieden. Artikel 113 des Vertrags über die Funktionsweise der Union (TFEU) ermöglicht dem Ministerrat nämlich, eine Richtlinie in Eigenregie zu verabschieden.

Deutschland gab den Ausschlag

Der Rat hatte sich im September 2017 darauf geeinigt, alle Internetkonzerne in den EU-Mitgliedsstaaten nach ihren jeweiligen Umsätzen zu besteuern, aber eben nur grundsätzlich.

Eine solche Rahmenrichtlinie setzt Einstimmigkeit im Ministerrat voraus und die konnte auch mit dem Ansatz einer Umsatzbesteuerung bis jetzt nicht erreicht werden. Dass es Widerstand von Irland geben würde, das vom Status Quo am meisten profitiert, war vorauszusehen. Dass Irland diesmal statt von den „üblichen Verdächtigen“ Niederlande, Luxemburg oder Malta von einem Schwergewicht wie Deutschland unterstützt wurde, hatte man nicht erwartet.

EU-Richtlinie

Public Domain

Rats- oder Rahmenrichtlinien wie diese kommen recht selten auf die Tagesordnung der EU. Da Steuern in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten fallen, ist Einstimmigkeit im Ministerrat Voraussetzung. Das Parlament hat dabei nur beratende Funktion.

Schließlich hatte Deutschland die Steuerpläne mit Frankreich angestoßen, sogar Großbritannien war von Anfang an dabei. Als Begründung führten Deutschland, Schweden und Dänemark mögliche Vergeltungsmaßnahmen an, da in erster Linie US-Internetkonzerne betroffen wären. Doch auch das deutsche Internetversandhaus Zalando, ein Konkurrent von Amazon, der rund 4,5 Milliarden Euro umsetzt, fiele darunter. Die Vorbehalte Schwedens wiederum heißen Spotify, denn dort ist der weltgrößte Audiostreamingdienst (vier Milliarden Euro Umsatz) niedergelassen.

Steuerpläne zurückgefahren

Dänemark ist überhaupt Europas Nummer eins im E-Commerce, mehrere Unternehmen setzen dort jeweils mehr als 750 Millionen Euro um, das ist die Schwelle, ab der die Steuer schlagend würde. Angesichts des Widerstands wurden die Pläne dann Anfang Dezember drastisch zurückgefahren: Statt vom weltweiten Gesamtumsatz sollen nun bloß drei Prozent von den Werbungserlösen in Europa steuerpflichtig werden. Streaming-Services wurden ausgenommen. Damit sind Zalando, Spotify und die großen dänischen Einzelhändler fast gänzlich ausgenommen, dasselbe gilt aber auch für Amazon und Apple. Die Steuer ist damit nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Posting

Google

Zuletzt war Google mit einer Kampagne in die Offensive gegangen. Hier, wie in sämtlichen Stellungnehmen des Unternehmens, geht es ausschließlich gegen Leistungsschutzabgaben, zumal Google ja mit „Content ID“ über die führende Filtertechnologie verfügt.

Hin und Her mit Urheberrecht und Copyright

Im Ministerrat hatte Ende Oktober große Uneinigkeit über die Copyright-Richtlinie geherrscht, im Sommer war Italien abgesprungen und hatte sich dagegen gestellt.

Die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat über die Copyright-Richtlinie sollten nach Plan eigentlich schon abgeschlossen sein. Am Freitag ging man jedoch ohne Einigung auseinander, denn im Trilog ging es mit der Verordnung genauso weiter, wie es Ende 2016 im Parlament begonnen hatte. Komplette Artikel wurden erst gestrichen, dann teils wieder unverändert in den Text gefügt, erst wurden die Urheber nur in Fußnoten erwähnt, dann kamen gleich mehrere Kapitel über Vergütungen für Urheber in den Text. Die wurden im Trilog allerdings wieder zurückgefahren, wie weit wird erst klar sein, wenn eine konsolidierte Endfassung vorliegt.

Die Union kann hier ohnehin nur bessere Empfehlungen aussprechen, denn Urheberrechtsvergütungen fallen in die Kompetenz der Mitgliedsstaten. In den Verhandlungen der abgelaufenen Woche wurden die Ausnahmen von diesem Copyright-Regime - Zahlungen für „Leistungsschutz“ an die Verlage und Einrichtung von teuren Upload-Filtern - für Start-Ups und andere Kleinbetriebe wieder gestrichen. Die Vorgabe einer Überprüfung aller Inhalte auf mögliche Copyrightverstöße, während diese von Benutzern auf Publikumswebsites hochgeladen werden, bedingt nun einmal Filter, also entsprechende Software oder eine 24 Stunden besetzte Redaktion.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. an den Autor können hier verschlüsselt und anonym eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.

Wie es (nicht) weitergeht

Die nächste Sitzung des Trilogs ist für den 14. Jänner angesetzt. In der Regel verstreichen etwa drei Wochen, bis die konsolidierte Fassung einer umfangreichen Richtlinie bzw. Verordnung fertig ist. Damit bleiben nur noch drei Plenarsitzungen im März und im April, in denen die Copyright-Richtlinie verabschiedet werden kann, der letztmögliche Termin ist der 18. März. Ganz sicher nicht verabschiedet wird bis dahin die E-Privacy-Verordnung, das hatte die kommende rumänische Ratspräsidentschaft schon angekündigt.

Die hätte schon im Mai zusammen mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft treten müssen, allerdings hatte es aus dem Ministerrat geheißen, dass man es damit nicht eilig habe. Man wolle sich erst ansehen, welche Folgewirkungen die DSGVO mit sich bringe, hieß es schon damals, E-Privacy liegt nun schon seit Ende 2017 im Ministerrat. Die österreichische Ratspräsidentschaft hatte im Wesentlichen damit nicht mehr gemacht, als den Artikel zehn von E-Privacy ersatzlos zu streichen. Der hatte anfangs „Privacy by Design“ geheißen und war die wichtigste Maßnahme für Konsumentenschutz im Netz.

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