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Schwarz-weiß-Fotos der vier Bandmitglieder

The 1975

The 1975 ist die Band der Stunde

Alle lieben The 1975 und ihr neues Album “A Brief Inquiry Into Online Relationships”. Aber warum nur?

Von Susi Ondrušová

Nicht nur das gute alte Album wird seit Jahren totgesagt, auch die Rockmusik. Warum? Wegen dem Internet. Streaming hier, SoundCloud-Rap da. Die Manchester-Band The 1975 weiß das, aber solche Analysen interessieren sie nicht, sie sind jene Band, die man als Beispiel dafür anführen kann, dass weder Album noch Rock tot sind. Selbst wenn die Gitarren von The 1975 nicht sehr nach Rock’n’Roll klingen mögen, bedienen sie sich zahlreicher Referenzen quer durch die Musikgeschichte. Nicht ein Mal sondern zwei Mal erwähnt der charismatische und redselige Frontman der Band Matty Healy das „Loveless“-Album von My Bloody Valentine, wenn er darüber spricht, wie Musik Emotionen provoziert und verstärkt.

The 1975 spielen am 8. Juli 2019 ein Open Air Konzert in der Metastadt in Wien.

Für dieses Konzert verlosen wir 2x2 Tickets unter allen, die folgende Frage richtig beantworten: Worüber hat Matty Healy im Rahmen seiner Dankesrede für British Group bei den Brit Awards 2019 gesprochen?

Das Gewinnspiel ist beendet. Matty Healy sprach über „male misogyny“, also männliche Frauenfeindlichkeit, in der Musikindustrie.

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The 1975 sind eine der Rockbands, die Rock atmen, auch wenn sie nicht nach Rock klingen und lassen sich in einem Atemzug nennen mit Bands wie Twenty One Pilots oder ihre Landsgenossen Bastille.

Abstrakte Grafik auf Albumcover

The 1975

“A Brief Inquiry Into Online Relationships” ist bereits erschienen.

Ihre Musik und ihr neues Album entsprechen den aktuellen Playlist-Hörgewohnheiten von Musikfans: anything goes. Der Band gefällt der Vergleich, sie sei wie ein Pixar Film: für alle Altersgruppen geeignet und wie Matty Healy sagt: „Like ‚Toy Story‘, there’s so many jokes that go over the kids’ heads. So if I’m referencing, I don’t know, like Sebadoh or something that a 17-year-old, 18-year-old is not going to know, but their parents! ... The amount of parents that used to stand at the back (at our gigs) - everyone comes and they’re like: ‚Oh, yeah, this reminds me of Tears For Fears.‘“

Matty Healy vergleicht sich als Musiker mit einer Elster: “A magpie will collect a piece of glass, a diamond, a piece of foil - it doesn’t matter what it is, as long as it’s shiny. Like that’s how it works with me. Finding prettiness in all of the alternative, all of the kind of thing, like that’s what I’m obsessed with.”

The 1975 haben heuer nicht ein, sondern zwei Alben fertiggestellt. „Notes On A Conditional Form“ wird im Mai 2019 erscheinen, „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ ist Ende November erschienen und dominiert gerade die 2018er Bestenlisten von Pitchfork und NME. Frontman der 1975, Gitarrist und Sänger Matty Healy denkt bei diesem Move an sein eigenes Konsumverhalten und trifft den Nagel auf den Kopf: „Like when I watch Netflix, I’ll watch a masterpiece, and then be like: ‚Next. Give me the next one.‘ Like I’ll hear a great album, and I’ll be like: ‚That’s amazing. Give me another one. What else can I listen to?‘“

Like. Comment. Share.

Welchen Einfluss hat unser digitaler Alltag auf Beziehungen? Ein Thema für die Wissenschaft, das unser Leben bestimmt. Im Großen, wenn wir über die US-Wahlen z.B. sprechen, im Kleinen, wenn es darum geht, dass soziales Verhalten in Internet-Foren ausgelotet und erlernt wird. Matty Healy spricht in Interviews über Kinder, die am Spielplatz gemein zueinander sind im Vergleich zu online Kommentaren. Wenn man für ein „You’re fat“ auch noch Likes und Bestätigung bekommt. Glückshormone wofür eigentlich?

„You’re chemically wiring your brain to understand how to gauge these bits of dopamine because a kick of dopamine will stop anybody in their tracks to get it. It’s this rewiring of our brains and the model for young people, of, when we establish this model of: ‚Put something out into the world and then wait for a reaction‘? It’s quite obvious how that has wreaked havoc on young people, especially young women. And it’s a massive social experiment, you know? We haven’t done any of the science, we don’t know how it exists, like we don’t know what it does to people over generations, we don’t know. But we just go for it.”

Copy&Paste

Soviel zum thematischen Überbau und auch einem der Gründe, warum das Album “A Brief Inquiry Into Online Relationships” inhaltlich fesselnd ist. Musikalisch ist das Album dank des Copy&Paste-Genrezugangs mitreißend, weil: eklektisch. Das ewige Gegenteil von langweilig, also weil: unvorhersehbar.

Als die Band 2013 ihr zweites Album „I Like It When You Sleep, For You Are So Beautiful Yet So Unaware of It” veröffentlicht hat, meinte Matty Healy in Interviews, das nächste Album-Werk soll so groß werden wie „The Queen Is Dead“ von den Smiths oder „Ok Computer“ von Radiohead. Auf „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ gibt es mit dem Spoken-Word-Track „The Man Who Married A Robot“ die handfeste Referenz zu „Fitter Happier“ von Radiohead. The 1975 lassen Siri ein modernes Märchen erzählen:

One day the man whose name was @snowflakesmasher86 turned to his friend the internet and he said ‘Internet, do you love me?’ The internet looked at him and said ‘Yes. I love you very very very very very very much. I am your best friend.

Die Band liefert keine Antworten auf das Wie, wenn es um die im Album-Titel angesprochenenen "online Relationships“ geht, sondern beobachtet und zählt auf. Schön wäre es, wenn wir es einfach schaffen, miteinander auszukommen. So wie im Song „Love It If We Made“, der sich aus Zeilen und Überschriften der Yellow Press zusammensetzt und auch den US-Präsidenten zitiert. Matty Healy weiß, wir leben in einer unglaublichen, aber abgebrühten Zeit, in der man es satt hat, sich am Mittagstisch immer noch (oder schon wieder) darüber zu unterhalten, dass Donald Trump einem Journalisten tatsächlich erzählt hat: „I moved on her like a bitch“.

Verpackt in einen Song, sieht er darin die teilweise naive, teilweise liebgemeinte Möglichkeit, diese kollektive Müdigkeit zu unterwandern. „To talk about Donald Trump now, amongst young liberals, is to bring the mood down. If you go for dinner, and you start talking, it’s like: ‚Oh, can we please not?‘, you know? But that’s where we’re at. We can’t even talk about the president, because it’s too pathetic of a subject or something. So when you reference that in art, everyone’s like: ‚Oh yeah, the world is a bit mad.’” Absurd ist auch, dass US-Radios Songs mit explicit Bitch-Referenzen gar nicht in ihre Playlisten aufnehmen. Dabei sind das keine Worte eines lyrischen Ichs, sondern des US-Präsidenten. Der politische Kontext dieses Songs ist wie das Emoji, dem der Kopf explodiert: mindblowing.

Die vier Bandmitglieder sitzend und händehaltend auf einem Treppenaufgang

The 1975

Refresh. Delete.

„Love It If We Made it“ ist aber nicht der einzige Jahrhundert-Song auf dem neuen The-1975-Album: In „Sincerity Is Scary“ meint die Band: Ehrlichkeit ist besser als Sarkasmus. Zu hören ist auf dem Track nicht nur ein Chor, sondern auch der Jazz-Musiker Ray Hargrove an der Trompete, der am Album gleich ein zweites Mal im Song „Mine“ auftaucht. Eine Ballade, so gut, als wäre sie für den Lala-Land-Soundtrack geschrieben worden! Es gibt auch eine Nick-Drake-artige SchrummSchrumm-Akustik-Gitarren-Ballade namens „My Mistake“, in der es um Schuld geht und darum, aus den eigenen Fehlern zu lernen, um so den Menschen im Freundeskreis näher zu kommen. Mit „I Always Wanna Die (Sometimes)“ liefern The 1975 eine Überdrüber-Greys-Anatomy-Staffel-Finale-Hymne. Ein Song, in dem es um mentale Stärke geht. Matty Healy, der in den letzten Jahren viel über seinen Drogenentzug oder mental health issues gesprochen hat, will mit dem Song sagen: Du bist nicht allein. Eine ähnliche Botschaft liefert auch „Give Yourself A Try“.

Neben den hohen Stimmlagen, den tiefen Stimmlagen und Siri gibt es auf „A Brief History Into Online Relationships“ auch Auto-Tune. Allen voran im Track „How To Draw / Petrichor“ und in „I Like America & America Likes Me“, Healys “Hommage” an SoundCloud-Rap über den Pitchfork schreibt, der Song klinge wie ein “trap remix of a Bon Iver ayahuasca trip“. Erkennbare Zeilen im Song sind eigentlich ein Flehen: „Please. Say something. Would you please listen.“ Und: „We’re scared of dying.“

Weil, was bleibt vom ausgelöschten Leben? Ein digitaler Fußabdruck. Ein Link zum Sharen. Mit „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ wollen The 1975 sehr rührselig auf all das menschliche Dazwischen eingehen, bevor man seinen Daumen zum Like/Dislike-Button bewegt.

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