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„Die neue ArbeiterInnenklasse“: Unsichere Verhältnisse

Prekär zu arbeiten, das ist kein Randphänomen, meint Veronika Bohrn Mena. Mit ihrem Buch „Die neue ArbeiterInnenklasse“ liefert sie Fakten und Daten über die zunehmende Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und schildert in Porträts, was dieser Wandel für einzelne Menschen bedeutet.

Von Veronika Weidinger

Für 300 Euro im Monat arbeitet der 27-jährige Manuel als Praktikant in der Redaktion eines online-Magazins. „Nach 3 Monaten, so wird ihm versprochen, wird aus ihm dann ein echter Angestellter, mit richtigem Gehalt - natürlich unter der Voraussetzung, dass er keine Probleme und seine Arbeit gut macht. „Wenn es passt“, heißt es. Es wird nicht passen.

Cover "Die neue ArbeiterInnenklasse"

ÖGB Verlag

„Die neue ArbeiterInnenklasse“ von Veronika Bohrn Mena ist im ÖGB Verlag erschienen.

Die Karotte der Anstellung, des sicheren Jobs, sehen viele vor Augen, wenn sie darauf hoffen, dass auf das Praktikum oder auf den Teilzeitjob etwas Besseres folgt, dass das Prekariat nur eine Phase ist. Das verwundert nicht, meint Veronika Bohrn Mena, Gewerkschafterin und ehemalige Vorsitzende der Plattform „Generation Praktikum“. Wer das „Richtige“ studiert, sich anstrengt und bemüht, ein bisschen die Ellbogen auspackt, klettert auch die Karriereleiter hoch, das wurde gerade Jungen eingeimpft, so die Autorin im FM4 Interview: „Es ist uns beigebracht worden, dass das ein Wettbewerb ist, in dem wir uns befinden, in dem wir selbst dafür verantwortlich sind, dass wir gewinnen und die Leiter hochklettern. Uns ist nicht gesagt worden, dass das ein strukturelles Problem ist.“

Veronika Bohrn Mena versammelt in ihrem Buch Einblicke in die Leben von prekär Beschäftigten. Es sind Schilderungen von ganz unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen, in ihrer Unsicherheit bestimmend für das ganze Leben. „Ich bin immer müde und habe in den letzten drei Jahren fast alle meine Freunde verloren, weil ich keine Zeit und keine Kraft mehr habe, sie zu treffen. Eine Frau kann ich so auch nicht kennenlernen. Eigentlich habe ich gar kein Leben mehr, sondern arbeite nur“ schildert Ercan, der als Ein-Personen-Unternehmer Pakete ausliefert, von Montag bis Samstag arbeitet und mit 700 Euro auskommen muss.

„Es ist völlig klar, dass ich es mir nicht leisten könnte, ein Kind zu bekommen. Es ginge einfach nicht“, meint eine Wissenschaftlerin, die in ihrer Lebensplanung von Projektzusagen und Lehrveranstaltungen abhängig ist.

Prekäre Arbeitsverhältnisse betreffen Menschen aus allen Altersgruppen und Bildungssegmenten, kommen in jeder Branche vor, so Veronika Bohrn Mena im Interview: Es gibt Unternehmen, bei denen es System hat, dass bis zu einem Drittel ihrer gesamten Belegschaft keine regulären Angestellten oder Arbeiterinnen sind, also keine fix Beschäftigten mehr. Sondern einfach Köpfe, mit denen sie jonglieren und die sie nach Lust und Laune einstellen, rauswerfen, höher bezahlen, schlechter bezahlen.

Unsichere Verhältnisse

ÖGB Verlag

Veronika Bohrn Mena ist Gewerkschafterin bei der GPA djp und beschäftigt sich seit Jahren mit prekären Arbeitsverhältnissen, mit atypischer Arbeit, sie war in der HochschülerInnenschaft aktiv und Vorsitzende der Plattform „Generation Praktikum“.

Manuel, vom Beginn des Buches, zieht übrigens einen Schlussstrich. Nach den ersten drei Monaten bekommt der End-Zwanziger beim Online-Magazin 900 Euro für seine Tätigkeit als selbstständiger Redakteur, bei der er häufig mehr als die vereinbarten 20 Stunden arbeitet. Als er durch Zufall bemerkt, dass er nicht krankenversichert ist, holt Manuel sich gewerkschaftliche Unterstützung und klagt den Arbeitgeber. Manuel bekommt Recht und für seine eigentlich kollektiv-vertraglich geregelte Arbeit die entsprechende Gehaltsnachzahlung.

„Die meisten Dinge, die da passieren, sind nicht rechtens. Sie finden statt, aber sie sind nicht legal.“

2017 wurden 300.000 Menschen in Österreich - also rund 8% der Beschäftigten - als Working Poor eingestuft, also trotz Erwerbstätigkeit als arm. Nur etwa die Hälfte der österreichischen Beschäftigten hat über zumindest drei Jahre einen stabilen Arbeitsplatz. Das Buch „Die neue ArbeiterInnenklasse“ ist eine wichtige Bestandsaufnahme und ein Appell einer Interessensvertreterin, die sich schon lange mit atypischen und prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt. „Die Menschen lassen sich viel zu viel gefallen“, meint Veronika Bohrn Mena im Interview und empfiehlt, sich im Zweifelsfall jedenfalls zu informieren und beraten zu lassen.

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