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Designer Alexander McQueen is greeted by model Naomi Campbell after the 'Black' fashion show in London 03 June, 2004

AFP PHOTO/NICOLAS ASFOURI

Designerinnen kommen in den Fokus von Dokus

Drei Dokus porträtieren ModeschöpferInnen, die versucht haben, eine abgefuckte Industrie von innen zu verändern: Alexander McQueen, Vivienne Westwood und Jeremy Scott.

Von Natalie Brunner

Lee Alexander McQueen stammte aus dem Londoner Eastend. Sein Vater ist Taxifahrer, seine Mutter Lehrerin. Sein Elternhaus als „einfache Verhältnisse“ zu bezeichnen ist genau der oberflächlichliche arrogante Klassizismus, gegen den Mc Queen immer rebellierte. Ja, seine Familie hatte nicht viel Geld und ja, er hatte 5 Geschwister und lebte in einem Sozialbau, aber seine Mutter las den Kindern, wann immer sie konnte, Werke der Weltliteratur vor. Und der Vater übte keinesfalls autoritären patriarchalen Terror aus, sondern unterstützte seine Kinder wo und wie er nur konnte. Auch als sein schwuler Sohn anfing, Kleider für seine Schwestern zu machen, gab es nichts außer Liebe und Unterstützung.

1993, nach Ausbildungsjahren in verschiedensten Bereichen der Modeindustrie, brachte der handwerklich enorm talentierte McQueen sein eigenes Label an den Start.

Seine opulenten Kreationen, die oft soziale oder politische Umstände thematisierten und schwer im Alltag einsetzbar waren, kombiniert mit seinem nackten Po, den er am Ende einer Modeschau dem anwesenden Publikum zeigte, ließen ihn zum Superstar werden.

2010 nahm sich Alexander McQueen am Vorabend der Beerdigung seiner Mutter das Leben.

Vom kreativen Rausch des Alexander McQueen

Jetzt kommt eine Doku in unsere Kinos, die das Leben und Werk dieses ungewöhnlichen Schöpfers von am Körper getragener Kunst beleuchtet und uns mit vielen privaten Videos und Handyaufnahmen das Verglühen der Supernova Lee Alexander McQueen erzählt, „Alexander McQueen - der Film“.

Mode ist auch ein soziales Spiel. Ein Spiel der Selbstdarstellung und der Abgrenzung. Wir kommunizieren mit dem, was wir am Körper tragen, ob wir wollen oder nicht. Es gibt kein Außerhalb. Alexander McQueen wusste das, aber es war ihm egal, und so konnte er jegliches Klassen- oder Schichtdenken aushebeln und sich mit einer virtuosen Leichtigkeit darüber hinwegsetzen. In seiner Mode konnten wir zu BewohnerInnen eines postapokalyptischen Atlantis werden, zu insektoiden KriegerInnen.

In der Doku sieht man McQueen in einem kreativen Rausch. Er wütet und schafft dadurch. Was das It-Teil der nächsten Saison sein wird, ist ihm völlig egal. Er schafft aus Verpackungsmaterial und Stoffresten, aus Gaffa-Tape und was er sonst noch so findet.

Was McQueen so einzigartig gemacht hat und was die Doku über sein Leben erfahrbar macht ist, dass Alexander McQueen ein Punk mit der Ausbildung zum Hofschneider war. Besonders deutlich macht das seine Erzählung, wie er in der Ausbildung zum Herrenschneider bei einem altehrwürdigen Hofaustatter - feinster Tweed und so - an einem Sakko für Charles, Prince of Wales, gearbeitet und unsichtbar „I – a cunt“ ins Futter gestickt hat.

Dazu hat Vivienne Westwood jetzt keine Lust

Auch über Vivienne Westwood, die andere große Punk der Modewelt gibt es eine aktuelle Doku: „Punk. Ikone. Aktivistin.“ Auch hier steht zu Beginn ein herzliches Fuck You an jegliche Art von Klassendenken. Der Film besteht aus einem aktuellen Interview mit der fast 80-jährigen Heldin, in dem sie zu dem meisten themen meint, sie hätte keine Lust, sich damit jetzt zu befassen.

Es ist spannend, zu sehen, wie sie zeitlebens um die Integrität ihres Labels kämpft. Heute versucht sie das Unternehmen zu verkleinern und den Verkauf von Lizenzen an globale Luxuskonzerne zu stoppen. Vivienne Westwood will nämlich nicht, dass der Planet mit noch mehr Plastikschrott, auf dem auch ihr Name steht, zugemüllt wird und zugrunde geht. Sie weiß, dass die Modeindustrie der zweitgrößte Umweltverschmutzer ist und will sich in ihrem Werk dagegen stellen.

Jeremy Scott übernimmt Form ohne Inhalt

Kein Problem mit Zitaten von Trash-Kultur auf dem Laufsteg und der Produktion von noch mehr Trash scheint der amerikanische Designer Jeremy Scott zu haben. Die Doku „The Peoples Designer“ aus dem Jahre 2015 zeigt die Phase, wie er Creative Designer von Moschino wird und das Label des 1994 verstorbenen Genies Franco Moschino zugrunde richtet.

Moschino selbst hat stets Mode mit surrealem Witz, Ironie und politischer Botschaft gemacht, hat Werbeanzeigen mit Robbenbabies, die abgeschlachtet werden oder anorexischen Models mit der Botschaft „Stop the Fashion System“ in der Vouge geschalten.

In „The Peoples Designer“ kann man sehen, dass Jeremy Scott die von Moschino vor über 20 Jahren geschaffene Formensprache übernommen hat, aber der intellektuelle Aufstand dahinter fehlt völlig. RIP Moschino.

Was alle drei Dokus schaffen ist, zu zeigen, dass es den Porträtierten um mehr geht, als zu verkaufen oder neue Formen zu finden. Sie regieren auf die Welt um sie herum und wollen eine abgefuckte Industrie von innen verändern.

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