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Fahrerkabine mit Smartphone und Rosenkranz

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Mit Akzent

Die Freiheit auf nackte Körper zu starren

Es gibt kaum etwas auf der Welt, das mehr über den Zeitgeist erzählt als die Innenausstattung der Autos professioneller Fahrer.

Von Todor Ovtcharov

Mein Vater hat mir mal erzählt, dass in seiner Jugend jeder Autobus und LKW in Bulgarien mit einem Stalinporträt ausgestattet war. Das war so, weil unter Fahrern die Legende erzählt wurde, Stalin hätte einmal gesagt er hätte alle Probleme im Land gelöst, nur die Fahrer seien ihm entkommen. Deshalb schienen Fahrer stolz zu sein, als die einzigen „Ungelösten“.

In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts schienen die Fahrer Stalin vergessen zu haben. Statt Stalins Schnurrbart durfte man unterschiedliche Ikonen der Madonna und verschiedener Heiligen bewundern, die als Schutzpatronen der Fahrer galten. So was Ähnliches sah ich letztes Jahr auch in Sri Lanka. In seinem Autobus hatte der Fahrer so viele verschiedene Bilder von Heiligen, dass seine Kabine wie ein Tempel aussah. Dieser Fahrer überholte auch mit so viel Gas und Freude, dass er sich sicher zu sein schien, dass unser nächstes Leben viel interessanter sein würde.

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Ich erinnere mich daran, als ich mit einem Taxi in Wien fahre. Der Fahrer hat sein Smartphone an die Windschutzscheibe geklebt und spielt eine Deep House Playlist. Die Musik ist in diesem Fall vollkommen egal, da man auf die Videos voller halbnackter Frauen und Männer mit perfekten Körpern schauen kann. Einige tanzen auf Yachten, andere sonnen sich mit Drinks in der Hand.

Ich frage ihn, ob ihm die nackten Menschen seine Aufmerksamkeit beim Fahren nicht nehmen. Er fragt mich, ob ich ein Moslem bin. Ich bin es nicht und er war mal einer. Hamid ist ein weißhaariger Mann über 60. Er erzählt mir, wie er nach der islamischen Revolution und dem kurz danach gekommenen Iranisch-Irakischen Krieg den Iran verlassen habe. Seit mehr als 35 Jahren fährt er Taxi in Wien. Er erzählt mir, dass Donald Trump der klügste Mann der Weltpolitik sei und sein Embargo über den Iran das Land zu einer neuen Revolution führen kann. Würde er dann zurückkehren? “Nein”, sagt er, “Hier darf ich die ganze Zeit auf nackte Körper in meinem Taxi starren, ohne dass jemand was dagegen sagt!”

Ich will ihn fragen, was seine Frau und seine Kinder darüber denken, aber ich schaffe es nicht. Wir haben unser Ziel erreicht.

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