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Trettmann

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Nur mit den Echten: Trettmann spielt beim FM4 Geburtstagsfest

Vom Plattenbau in der ehemaligen DDR über Jamaika und Berlin an die Spitze der Charts. Trettmann ist der lebende Beweis, dass langer Atem, Authentizität und Mut zur Veränderung künstlerisch absolut Sinn machen können.

Von Alex „DJ Phekt“ Hertel

Aufgewachsen ist Trettmann in der so genannten „Platte“, einem Plattenbau im Heckertgebiet in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).

Das FM4 Geburtstagsfest

Am Samstag, den 19. Jänner 2019, in der Ottakringer Brauerei in Wien. Beginn & Einlass: 20:00 Uhr

FAQ - Was es sonst noch zum FM4 Geburtstagsfest zu wissen gibt.

Während aus den Lautsprechern in den meisten Haushalten Musik vom DDR-Label Amiga dröhnt, kann er dank erhöhter Lage seines Wohnblocks auf einem Hügel via kleinem Rundfunkempfänger heimlich West-Radio hören und seine eigenen Tapes aufnehmen. Es sind die Sounds, Rhythmen und Stimmen von Aretha Franklin, Billie Holiday, Michael Jackson oder Whitney Houston, die ihn damals verzaubern.

Als Anfang der 80er Jahre die „New York City Breakers“ bei Thomas Gottschalk im Fernsehen auftreten, erfasst ihn das Breakdance bzw. Hip Hop-Fieber. In der Doku Here we come bekommt man einen intimen Einblick, wie das mit Breakdance in der DDR damals war. Mit „Grauer Beton“ hat er dieser Zeit ein Denkmal gesetzt.

Von Berlin nach Jamaika

Nach dem Mauerfall verschlägt es Trettmann nach Berlin. Mit Freunden will er an den Hip Hop-Sehnsuchtsort New York reisen. Das kalte Winter-Wetter lässt sie zögern. Es folgt eine Fügung des Schicksals? Vor ihm liegt ein Reiseprospekt mit einem Foto, das Palmen, türkis-blaues Wasser und Sonne zeigt: Urlaub in Jamaika.

Kurzfristig wird die Idee von Schnee in der Bronx von Sonne in Kingston oder Montego Bay ersetzt. Der Anfang seiner Liebe für jamaikanische Musik und Kultur.

Trettmann geht in Jamaika zu seinen ersten Dances, sieht Soundsystems auflegen und empfindet das Toasting der Roots Reggae- und Dancehall-Artists über Riddims in diesem Moment als „den besseren Hip Hop". Ein lebensveränderner Moment. Sein Reisegepäck besteht beim Rückflug in erster Linie aus hunderten kleinformatigen 7“ Vinyl-Singles.

Sächsischer Dancehall

In den folgenden Jahren wird er Teil der noch jungen deutschen Reggae-Szene, engagiert sich bei Soundsystems als DJ und hinter dem Mikrofon, veranstaltet Parties und nimmt irgendwann als „Ronny Trettmann“ seine ersten eigenen Songs in sächsischem Dialekt auf. Was als Insider-Spaß angefangen hat, wird plötzlich zu einer richtigen Karriere. In dieser Zeit erfährt deutschsprachiger Reggae erstmals breiteres Interesse und Ronny Trettmann wird neben Acts wie Seeed oder Mono & Nikitaman zu einem regelmäßig gebuchten Act im deutschsprachigen Raum.

Bis cirka 2013/2014 bewegt sich Trettmann künstlerisch hauptsächlich in dieser Szene, wird aber gelegentlich auch bei Hip Hop-Festivals gebucht. Ich erinnere mich an ein Zusammentreffen im Rahmen des No Stress-Festivals in Deutschland, wo er neben EPMD, Huss & Hodn oder Fiva am Line-Up war.

Sein Interesse für Rap, Soul- und R&B-Musik war sowieso immer präsent. Mit Genre-Begrenzungen konnte Trettmann nie viel anfangen. Gute Vibes und interessante Melodien findet er in allen Genres.

Trettmann

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Ein frischer Start mit Kitschkrieg

Während in Jamaika Dancehall immer elektronischer klingt, Szene-Helden wie Vybz Kartel & Buju Banton im Gefängnis landen und die Hip Hop-Welt von Auto-Tune und triolischen Hi-Hats überrollt wird, schlittert Trettmann in eine künstlerische Identitätskrise. Die gefühlte gläserne Decke seiner Karriere scheint erreicht. Das Feuer brennt nicht mehr, zumindest nicht das, das er Mitte der 90er Jahre in Jamaika gespürt hat.

Es sind vielmehr Songs und Melodien von Acts wie Travis Scott, SZA oder Ty Dolla Sign, die ihn in der Zeit berühren. Mit den Menschen vom Kreativ-Kollektiv Kitschkrieg lernt er in Berlin zur richtigen Zeit die richtigen Menschen kennen. Sie inspirieren Trettmann dazu, sich künstlerisch auszuprobieren und neue Songs mit frischer Soundästhetik aufzunehmen. Das Resultat: eine gemeinsame EP mit dem Rapper Megaloh und jede Menge neuer Tunes (erschienen als Doppel-Vinyl „Kitschkrieg EP 1, 2 & 3“), in denen Trettmann seine musikalischen Erfahrungen und Skills der vorangegangenen Jahre mit der Soundästhetik der Gegenwart fusioniert. Bingo. 2018 veröffentlicht er das von Kitschkrieg produzierte „DIY“ und liefert damit eines der besten deutschsprachigen Alben des Jahres ab. Ganz ohne Major Label-Vertrag.

Zwischen Straße & Feuilleton

Mit Mitte 40 ist Trettmann heute erfolgreicher denn je. Wie niemand anderem gelingt ihm das Kunststück, zwischen den Welten zu funktionieren. Die Reggae-Community gönnt ihm seinen Erfolg, Rap-Fans lieben ihn und im Feuilleton werden Lobeshymnen auf seine künstlerische Neuerfindung geschrieben.

Er hat den Blues in der kratzigen Stimme und kann live auf 20 Jahre Bühnenerfahrung als Reggae-Dancehall-Künstler zurückgreifen. Ein Genre, dessen Fans nicht gerade zimperlich mit Acts umgehen, die schlecht performen.

Gleichzeitig gab es ein paar klassische „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“-Momente, die seine Karriere in den letzten Jahren zusätzlich gepusht haben.

Der unfassbare kommerzielle Erfolg der Alben von Raf Camorra & Bonez MC, deren Sound ebenfalls Dancehall-Ästhetik mit Rap fusioniert und die Fans von Trettmann sind, hat in Form von Features und Support Act-Slots bei deren Hallen-Tourneen auch geholfen, ein paar hunderttausend Fans mehr zu erreichen. Mehrere Millionen Views auf YouTube sind mittlerweile quasi Standard. Gutes Stichwort.

Denn mit der gleichnamigen Single „Standard“ haben Kitschkrieg vor kurzem - basierend auf einer Punchline des 187 Straßenbande-Rappers GZUZ von seiner DIY-Album-Kollabo „Knöcheltief“ - nochmal alles getoppt. Neben UFO361, Gringo & GZUZ macht Trettmann einmal mehr eine richtig gute Figur als Bindeglied zwischen den Welten.

Egal ob neben Raf Camorra, Cro, Dendemann oder solo: Trettmann macht mit seinem feinen Gespür für Melodien und Ohrwurm-Hooklines momentan jeden Song zu einem Highlight.

In den letzten Wochen stand er Knöcheltief im Wasser in der Sonne Jamaikas, am 19. Jänner 2019 kommt er zum FM4 Geburtstagsfest in die Ottakringer Brauerei. Und dann soll 2019 angeblich ein neues Album erscheinen. Wir freuen uns schon sehr.

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