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Verführer und Verführte

Spätestens seit seinem Welterfolg „La grande bellezza“ gilt Paolo Sorrentino als einer der zentralen Regisseure des italienischen Gegenwartskinos. In „Loro - Die Verführten“ rückt er nun Silvio Berlusconi ins Zentrum seiner poppigen Filme.

Von Christian Fuchs

Es gibt Kritiker, die bezeichnen die Filme von Paolo Sorrentino etwas abfällig als Altherrenkino. Dabei übersehen sie einen wichtigen Punkt. Zwar drehen sich die meisten Streifen des italienischen Regisseurs tatsächlich um Männer jenseits der Midlifecrisis. Aber Sorrentino betrachtet reiche Lustgreise, ungebremst machtgeile Politpensionisten und weißhaarige Bohemiens mit einem schonungslosen Blick. Melancholie, Schwermut und schwarzer Humor vermischen sich dabei übergangslos.

Auch ein beißender Sarkasmus gehört zu Paolo Sorrentinos Schaffen, der sich oft in bewusst ausschweifenden Bildkompositionen manifestiert. Die pittoreske Überzogenheit eines Federico Fellini kollidiert dabei mit der Plakativität moderner Musikvideos. In seinem Durchbruchsfilm „Il Divo“ (2008) tobt sich Sorrentino in dieser Hinsicht erstmals so richtig stilistisch aus.

Vorangepeitscht von einem lärmigen Pop-Soundtrack rollt der Film die zwielichtige Karriere des langjährigen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti auf, dem ein enger Draht zur Mafia nachgesagt wurde. Toni Servillo, der Stammschauspieler des Regisseurs, spielt den Politiker als beinharten Fädenzieher, der über Leichen geht. Trotzdem verzichtet Sorrentino in seiner Politfarce auf eindeutige oder gar ideologisch unterfütterte Botschaften. Diese Ambivalenz ist auch ein Markenzeichen des Regisseurs.

Il Divo

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„Il Divo“

Wenn existentielle Leere sexy wirkt

Einen Schritt zurück schaltet Paolo Sorrentino dann 2012 mit seiner ersten internationalen Produktion „This Must Be The Place“. Ausgerechnet Sean Penn - optisch dem „The Cure“ Sänger Robert Smith angenähert, inklusive monströser Frisur - besucht darin als ehemaliger Gothicpop-Star in den USA seinen sterbenden Vater. Ein Hauch von Jim Jarmusch und Wim Wenders liegt bei dieser Reise in der Luft.

Der leise Tonfall des Films, angepasst an die lethargische Erscheinung des Protagonisten, gibt dem Regisseur aber trotzdem Raum für bizarre Einfälle, die aber in diesem Kontext meistens manieriert wirken.

Ganz in seinem Element und in Spitzenform ist Sorrentino dann bei seinem vielfach preisgekrönten Epos „La grande bellezza - Die große Schönheit“ anno 2013. Die schwebende Kamera folgt erneut Toni Servillo, der diesmal als alternder Klatschkolumnist und ewiger Dandy durch das römische Nachtleben taumelt. Der Film entzaubert den hohlen Pomp der High-Society-Welt und beeindruckt dennoch mit extrem opulenten Szenen. Typisch Paolo Sorrentino: Er verpackt die Oberflächlichkeit so hinreißend, dass die existentielle Leere fast sexy wirkt.

La Grande Belleza

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„La Grande Belleza“

Alternde Dandys und junge Päpste

In seinem traumwandlerischen Meisterwerk „Youth - Ewige Jugend“ bringt Sorrentino seine Themen 2015 auf den Punkt. Ein edles Schweizer Sanatorium wird darin zum Rückzugsort für gut situierte Silberrücken. Mehr Tiefe und Reflektiertheit findet man kaum in einem anderen Film des Regisseurs, dem mit Stars wie Michael Caine und Harvey Keitel eine stille Meditation über die Vergänglichkeit gelingt.

Das hört sich gleichzeitig etwas schnarchig an? Keineswegs, denn Sorrentino geizt nicht mit spektakulären Schauwerten, in denen Pop und Poesie verschmelzen. Rachel Weisz und Paul Dano kontrastieren übrigens mit großartigen Auftritten das Altherren-Setting, der „Youth“-Soundtrack, dessen Spektrum von Mark Kozelek und Bill Calahan bis zu ausgesuchter Klassik reicht, ist ohnehin wieder geschmackssicher bis zum Anschlag.

Wie musikaffin Paolo Sorrentino ist, demonstriert er dann bei seinem nächsten Projekt, der HBO-Miniserie „The Young Pope“, gleich im Vorspann. Zu den verzerrten Klängen einer Jimi-Hendrix-Coverversion schwebt Jude Law als Titelheld darin durch den Vatikan. Die Titelsequenz lässt sofort an einen Kirchenfürsten denken, der mit juveniler Frische die katholische Kirche vom ewigen Mief befreit. Aber der „junge Papst“ Lenny Belardo alias Pius XIII entfacht im Gegenteil eine konservative Revolution, die sogar die steinalten Kardinäle schockt.

Youth

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„Youth“

Politik als endlose Bunga-Bunga-Party

Sorrentino interessiert sich eben nicht nur für Charaktere, die die Antithese zur politischen Korrektheit verkörpern. Er zeigt sich, wie im Fall des realen Giulio Andreotti und des fiktiven Lenny Belardo, auch durchaus fasziniert von Typen, die für die dunkle Seite der Macht stehen. Deshalb wirkt es mehr als naheliegend, dass sich der Erfolgsregisseur nun in seinem neuen Werk dem Politiker und Medienmogul Silvio Berlusconi widmet.

Sorrentino und Il Presidente: Das ist in der Theorie eine himmlisch-höllische Verbindung mit gewaltigem Satire-Potential. Und tatsächlich fängt „Loro - Die Verführten“ auch bestechend an. Allerdings kommt in der ersten dreiviertel Stunde des Films der Ex-Regierungschef Berlusconi gar nicht vor. Wir verfolgen den heftigen Lebenswandel eines jungen Provinz-Zuhälters, der den Sprung nach Rom schaffen will. Sorrentino verpackt den Aufstieg des schmierigen Sergio (Riccardo Scamarcio) in eine Orgie aus Drogen, Nacktheit und Macho-Attitüden. Von „ihm“, dem Presidente, wird nur respektvoll gemunkelt, den legendären Silvio zu treffen ist Sergios größter Traum.

Loro

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„Loro“

Als „er“ dann endlich auftaucht, ändert sich der Film ziemlich grundlegend. „Loro“ ist zuvor eine grandiose Verhöhnung des italienischen Testosteronwahns, inszeniert wie ein endloses David-Guetta-Video unter der Regie von Pier Paolo Pasolini. Mit Berlusconi himself kommen aber noch die perfiden Vernetzungen der Politik hinzu und hier beginnt der grelle Symbolismus zu straucheln. Leider spielt Toni Servillo den Ministerpräsidenten auch als wandelnde Karikatur. Mit einem eingefrorenen Dauergrinsen stolpert er durch dekadente Szenarien, die Gefährlichkeit des echten Berlusconi blitzt dabei nur selten auf.

Es hilft dem Film auch nur bedingt, dass er in Italien in zwei Teilen präsentiert wurde, die Sorrentino für den internationalen Markt zu einem Film zusammengeschnitten hat. Diese kürzere Fassung wirkt dramaturgisch konfus. Aber auch wenn „Loro“ deutlich schwächer als Sorrentinos Meisterwerke zuvor wirkt: Einige unvergesslich bizarre Momente sind den Kinobesuch durchaus wert.

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