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Scheidungsanwältin Carmen Thornton

fm4/Gersin Livia Paya

„Eine Ehe umfasst ganz viele Rechte und Pflichten.“

Jede dritte Ehe wird geschieden, trotzdem wird weiterhin geheiratet. Wozu eigentlich? Was sind die Vor- und Nachteile einer Ehe? Ob und wann macht ein Ehevertrag Sinn? Wir haben eine Scheidungsanwältin alles gefragt, was wir schon immer über die Ehe wissen wollten.

Von Gersin Livia Paya

Im goldenen Quartier in der Wiener Innenstadt treffe ich die Scheidungsanwältin Carmen Thornton in ihrer Kanzlei, die sie 2015 gegründet hat. Thornton schreibt über ihr Tätigkeitsfeld im Standard und im Frauenmagazin Woman. Sie geht als Scheidungsanwältin in die Öffentlichkeit, auch auf Instagram ist sie als eine der ersten AnwältInnen in Österreich vertreten.

Sie sind Scheidungsanwältin und selbst verheiratet. Wie funktioniert das?

Für mich persönlich ist die Tätigkeit als Scheidungsanwältin eigentlich Ehe-erhaltend. Man muss sich bewusst sein, dass nach einer Scheidung nicht unbedingt alles einfacher ist. Es verändert sich finanziell etwas, es ist schwieriger zwei Haushalte zu finanzieren, es ist schwieriger mit den Kindern, es braucht sehr viel Kompromissbereitschaft und Geduld, - vielleicht manchmal mehr als es in der Ehe notwendig ist. Dadurch, dass ich das tagtäglich sehe, bin ich nicht sehr streitlustig in meinem Privatleben. Und mir fehlt auch oft die Energie, nach einem ganzen Tag voller Streiterin vor Gericht, ist das Letzte was ich möchte, auch noch zu Hause zu streiten.

„Für mich persönlich ist die Tätigkeit als Scheidungsanwältin eigentlich Ehe-erhaltend.“

Lernen Sie durch ihren Beruf viel über Beziehungen?

Ich glaube nicht, dass ich eine Beziehungsexpertin sein kann durch diesen Beruf. Als Scheidungsanwältin sieht man nur einen kleinen Ausschnitt, nämlich nur die Fälle in denen es zu massiven Streitigkeiten kommt. Viele trennen sich ganz friedlich und ohne Anwälte, aber diese Leute bekomme ich nicht zu Gesicht.

Was ist der Vorteil einer Ehe?

Eine Ehe umfasst ganz viele Rechte und Pflichten. Die Vorteile sind, dass man abgesichert ist – etwa im Todesfall. Man hat ein gesetzliches Erbrecht und Anspruch auf Witwer-/Witwenpension. Außerdem kann man beim Ableben des Partners etwa in den Mietvertrag eintreten. Wenn man eine Eigentumswohnung hat, besteht lebenslanges Wohnrecht und der finanziell schwächer gestellte Part hat unter Umständen einen Unterhaltsanspruch.

Gibt es steuerliche Vorteile?

Steuerliche Vorteile gibt es keine großen, es gibt hier keine Familienbesteuerung. Aber natürlich in Teilaspekten gibt es gewisse Vorteile, durch Absatzbeträge oder bei der Grunderwerbssteuer.

Scheidungsanwältin Carmen Thornton

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Was sind die Nachteile einer Ehe?

Die Ehe beinhaltet viele Pflichten wie etwa finanzielle Verpflichtungen, die im Fall von nachehelichen Unterhalt sogar über die Ehe hinausgehen können. Wenn man sein Geld möglichst bei sich behalten möchte und nichts teilen möchte, dann ist es nicht sinnvoll zu heiraten. Die Ehe schafft aber einen fairen Ausgleich. Wenn man beispielsweise Kinder haben möchte, muss zumindest einer der Eltern sich um die Kinder kümmern. Diese Arbeit ist unbezahlt und da ist die Ehe ein fairer Ausgleich. Denn das gesamte Vermögen, das man in der Ehe erwirtschaftet, wird im Falle der Scheidung aufgeteilt, meist zu gleichen Teilen.

Wozu heiraten, wenn jede dritte Ehe wieder geschieden wird? Claudia Unterweger diskutiert heute in Auf Laut mit einer Hochzeitsbloggerin und KritikerInnen der Ehe. Anrufen und mitdiskutieren unter 0800 226 996.

Für welches Vermögen gilt das genau?

Nur für das in der Ehe erwirtschaftete Vermögen. Das Vererbte oder Geschenkte bleibt bei der Person selbst. Aber was man gemeinsam erwirtschaftet, das wird geteilt. Und das ist, persönlich gesagt, oft sehr fair.

Bereiten sich MandantInnen vor der Ehe auf diese Vermögensaufteilung vor?

Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Leute mit der Vermögensaufteilung befassen bevor sie heiraten. Und das ist auch verständlich. Man schwebt auf Wolke 7 und glaubt, dass die Ehe hält und das ist auch gut so. Aber es würde durchaus Sinn machen, sich im Vorfeld einmal anzuschauen was die Scheidungsfolgen wären, wenn es doch zu einer Trennung kommt.

Wäre dabei ein Ehevertrag hilfreich?

Ein Ehevertrag macht zum Beispiel Sinn, wenn man mit den gesetzlichen Scheidungsfolgen nicht einverstanden ist, wenn das für die persönliche Situation nicht passt. Beispielsweise wenn einer seinen Job aufgibt und mit dem Anderen mitzieht oder zur Kindererziehung zu Hause bleibt, dem Anderen den Rücken freihält, damit dieser Karriere machen kann, dann macht es Sinn sich in einem Ehevertrag abzusichern.

Ihre Kollegin Dr.Klaar spricht sich gegen den Ehevertrag aus, sie sieht diesen sogar als Nachteil für die Frau.

Frauen sind oft zu vorsichtig, wenn es um ihre Forderungen und Wünsche geht. Die meisten Frauen wollen sich damit gar nicht befassen und stellen vor der Ehe wenige Ansprüche. Daher kommt das. Faktisch ist es einfach so, dass oft eher auf Drängen desjenigen, der finanziell besser gestellt ist, Verträge abgeschlossen werden, weil dieser sein Vermögen sichern möchte. Aber das könnte man auch durchaus umdrehen, wenn man für seine Rechte einsteht. Ein Ehevertrag könnte auch den schwächeren Teil schützen.

Worin unterscheidet sich die Ehe von der eingetragenen Partnerschaft?

Die eingetragene Partnerschaft ist in den allermeisten Punkten der Ehe gleichgestellt. Es gab mehrere Gerichtsurteile, die das festgestellt haben. Es gibt geringfügige Unterschiede bei der Treuepflicht, die ist weniger streng ausgestaltet. Aber mittlerweile wurde ja festgehalten, dass die Ehe seit diesem Jahr für alle geöffnet ist und daher ist das Thema hinfällig.

„Gerade in langjährigen Ehen ist es durchaus schwierig zu sagen, weshalb die Ehe wirklich gescheitert ist.“

Wenn es zu einer Scheidung kommt: Worum geht es dann vor allem?

Natürlich geht es um das Geld, um den Unterhalt. Wir haben in Österreich das Verschuldensprinzip bei den Scheidungen, das heißt, man bekommt nachehelichen Unterhalt nur dann, wenn die Ehe aus dem Verschulden des Anderen geschieden worden ist und das führt zu Streitigkeiten. Manchmal ist es gerade in langjährigen Ehen durchaus schwierig zu sagen, weshalb die Ehe wirklich gescheitert ist. Es gibt oft einen finalen Auslöser - eine Affäre oder einen Streit. Aber die Ehe ist ja nicht nur deswegen gescheitert, da gab es oft Probleme im Vorfeld und das lässt sich in einem Gerichtsverfahren nicht immer transparent darlegen. Und das führt teilweise zu ungerechten Ergebnissen.

Welche Ungerechtigkeiten etwa?

Manchmal gibt es Mütter, die mit den Kindern sehr lange zu Hause geblieben sind, die dem Mann den Rücken freigehalten und selbst zurückgesteckt haben. Und dann bekommen sie nach ganz vielen Jahren der Ehe keinen Unterhalt, weil sie das Verschulden des Ehemanns in der Scheidung nicht nachweisen können. Und jemand Anderer, der nur ein Jahr verheiratet war, hat Unterhaltsanspruch. Beide haben in diesem Fall vielleicht ihre Leben sehr selbständig weitergelebt, so wie vor der Ehe auch, aber sie hatten dann das Glück, das Verschulden des Anderen festzustellen, etwa weil der eine Affäre hatte und sich das nachweisen lässt.

Lohnt sich die Scheidung?

In Fällen von häuslicher Gewalt sollte man sich immer vom gewalttätigen Partner trennen. In anderen Fällen sollte man sich schon gut überlegen, ob man sich scheiden lassen möchte. Man muss damit rechnen, dass man finanzielle Einbußen hat, dass man den bisherigen Lebensstandard vielleicht nicht halten kann und es ist sicher auch in der Kindererziehung schwieriger wird. Ich denke, dass man nicht bei jeder Krise das Handtuch werfen sollte und gleich zum Scheidungsrichter gehen sollte, sondern vielleicht mit einer Paartherapie an den Problemen arbeiten sollte, um zu sehen, ob eine Fortführung der Ehe nicht doch möglich ist.

Was sind die größten Missverständnisse bei Eheschließungen?

Ein großer Mythos ist, dass Männer denken, sie müssen in jedem Fall Unterhalt zahlen. Das ist aber, wie bereits gesagt, nur so, wenn das Verschulden des einen nachgewiesen werden konnte. Frauen denken, dass sie in jedem Fall die Kinder behalten und das sie mit dem Kindes-Unterhalt gut leben können. Aber dieser ist begrenzt und mittlerweile gibt es das System der Doppelresidenz. Wenn Kinder ihre Zeit gleichteilig bei beiden Elternteilen verbringen, ist es sogar so, dass der Unterhaltsanspruch entfällt, wenn beide Elternteile annähernd gleich verdienen. Und das stellt viele Frauen vor ein Riesenproblem, weil sie das nicht wissen.

Wir diskutieren live in FM4 Auf Laut:

Für die einen ist es das schönste Geschenk in einer Beziehung, die anderen sehen es als konservativ und überflüssig: das Ja-Wort.

Seit 2007 sind sowohl die Zahl der Eheschließungen als auch die Zahl der Scheidungen leicht im Steigen. Der Bund fürs Leben ist ein Thema, nicht erst seit dem 1.1.2019 mit der Öffnung der Ehe für alle. Doch Hochzeiten sind meistens kostspielig, und die Scheidungsrate ist hoch. Langfristige Paarbeziehungen oder ein Familienleben mit Kindern sind auch ohne Trauschein möglich. Im Wesentlichen bietet auch die eingetragene Partnerschaft dieselben Rechte und Pflichten wie die Ehe.

Heiraten Paare also vor allem aus Liebe? Oder für das öffentliche Statement? Suchen Menschen in der Ehe die Sicherheit, die sie angesichts von Job-Unsicherheit und Wertekrise vermissen? Für wen zahlt sich Heiraten aus? Und wozu heiraten, wenn jede dritte Ehe wieder geschieden wird?

Claudia Unterweger diskutiert mit einer Hochzeitsbloggerin und KritikerInnen der Ehe. Anrufen und mitdiskutieren unter 0800 226 996.

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